Alle fünf Klubs, die im Achtelfinale des DFB-Pokals ihre Ersatzkeeper ins Tor gestellt haben, sind ausgeschieden. Das kann kein Zufall sein.
Es ist nie ein gutes Zeichen, wenn nach einem Gegentor die Mitspieler die Hände vors Gesicht schlagen und den Blickkontakt mit ihrem Torwart vermeiden. So ungefähr ging es beim DFB-Pokalspiel in Leverkusen Fabian Bredlow vom VfB Stuttgart, wobei er die Reaktion der Kollegen unter Umständen gar nicht bemerkte, versuchte er sich doch an einem verzweifelten Flehen in Richtung von Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus: „Das war doch Foul!“ Aber da war nichts. Und so bleibt eine Szene, die kein Keeper gerne von sich sieht: Bredlow, wie er zur Flanke geht, aber nicht entschlossen genug, und als er fast wieder im Sinkflug ist, prallt der Ball im falschen Winkel auf seine Faust: Eigentor.
Passiert schon mal, könnte man sagen. Auch, dass der bereits mental angeschlagene Torhüter wenige Minuten später einen eher harmlosen Schuss direkt auf den Schlappen des Leverkuseners Lucas Alario faustete, von wo er in einer aberwitzigen Kurve ins Stuttgarter Tor flog. Es gibt solche Tage, wie gesagt. Nur dass sich das Bredlowsche Schicksal in dieser Pokalrunde in ein interessantes Muster einfügt. Bei fünf von 16 Teams standen da Männer im Kasten, die im übrigen Leben die Nummer zwei sind: Marwin Hitz beim BVB, Yvon Mvogo bei RB Leipzig, Philipp Pentke bei Hoffenheim, Marius Gersbeck beim KSC und eben Fabian Bredlow. Sämtliche fünf Mannschaften können sich nun das Viertelfinale vom heimischen Sofa aus ansehen
„Im Pokal spielt der zweite Mann!“
Schon klar, dass sich die Fälle nicht über einen Kamm scheren lassen. Pentke, zum Beispiel, stand im Hoffenheimer Tor, weil Oliver Baumann verletzt ist, und zeigte einige sensationelle Paraden (patzte allerdings auch einmal schwer). Gersbeck kassierte kein Tor aus dem Spiel heraus und scheiterte mit seinem Klub im Elfmeterschießen. Und Hitz und Mvogo ließen sich im Grunde nicht viel zu Schulden kommen, außer dass manche das diffuse Gefühl beschlich, die Stammkeeper Bürki und Gulasci hätten den einen oder anderen der jeweils drei Gegentreffer möglicherweise verhindert. Fakt ist: Kein Trainer, der den Ersatzleuten eine Chance gab, ist am Ende dafür belohnt worden.
Früher war der Torwarttausch in Pokalwettbewerben, zumindest gefühlt, noch weiter verbreitet. Ein Urgestein wie Hermann Gerland ließ zu seiner Zeit als Cheftrainer in Nürnberg oder Bielefeld keinen Zweifel daran: „Im Pokal spielt der zweite Mann!“ Und jemand wie Barcelonas Marc-André ter Stegen hat aus seinen Pokalchancen sogar eine Weltkarriere gebastelt. Rein teampsychologisch ist es sowieso sinnvoll, sämtlichen Mitglieder des Kaders zu vermitteln, dass sie für den Erfolg des großen Ganzen von Wert sind. Erst recht dem Ersatztorwart, für den das Alltagsleben sonst nicht so sehr viele Zückerli bereit hält.
Dennoch ist das in dieser Woche beobachtete massenhafte Scheitern der Reservekeeper vermutlich mehr als ein blöder Zufall oder eine statistische Schrulle. Bei allem Bemühen um einen ausgeglichenen Kader ist der zweite Mann im Tor bei den meisten Vereinen dann doch ein bisschen schwächer als sein Konkurrent (sonst wäre er ja der erste). Hinzu kommen ein Mangel an Spielpraxis und Defizite im Zusammenspiel mit den Vorderleuten. In einem Spiel, das taktisch immer komplexer wird und den Torwart längst zum elften Feldspieler umfunktioniert hat, ist es anscheinend nicht einfach möglich, solch eine Schlüsselposition nach Belieben auszutauschen.
So müssen sich die Trainer vielleicht überlegen, was ihnen das Risiko wert ist. Klare Abwägungssache: Pädagogischer Nutzen auf der einen Seite, maximale Erfolgschancen auf der anderen in einem Wettbewerb, der vielen Mannschaften die einzige Chance bietet, mal so richtig im Rampenlicht zu stehen. Denn nach Berlin wollen sie doch alle. Notfalls sogar als Ersatztorwart.