Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Seite 2: „Dieses Spiel war ein Epos“

In 11 FREUNDE sagte Löw unlängst: Nur wer schön spielt, holt den Titel.“ Stimmen Sie ihm zu?
Klingt gut. Aber was genau ist Schön­heit? Es gibt schöne Pässe, aber auch schöne Grät­schen. Am besten ist, ein Spieler beherrscht beides.

Trauen Sie Löw zu, nach seiner Zeit als Bun­des­trainer einen großen Verein zu trai­nieren?
Es wäre einen Ver­such wert. Aber er muss sich eines bewusst machen: Bei der Natio­nal­mann­schaft befindet er sich in einer sehr kom­for­ta­blen Posi­tion. Alle arbeiten für ihn, nie­mand gegen ihn. Das kann in einem so lau­ni­schen Gefüge wie einem Klub sehr schnell anders sein. Und sei es nur, dass ein paar Jour­na­listen plötz­lich Lust bekommen, Jagd auf ihn zu machen.

Der Eng­land-Job kam für Sie nicht in Frage. Aber hätten Sie über­haupt Lust, eines Tages eine Natio­nal­mann­schaft zu über­nehmen?
Sag nie­mals nie. Aber der­zeit habe ich noch das Bedürfnis, täg­lich mit Spie­lern zusam­men­zu­ar­beiten und ihnen etwas bei­zu­bringen.

Wer ist Ihr Lieb­lings­schüler?
Lucas Leiva, unser Bra­si­lianer beim FC Liver­pool. Er gehört zwar nicht zu den abso­luten Welt­klas­se­leuten. Aber man muss bedenken, dass er weit weniger begabt ist als manch anderer und wie hart er jeden Tag an sich arbeitet, um diese Lücke zu schließen. Manche Leute haben mich harsch dafür kri­ti­siert, dass ich an ihm fest­ge­halten habe. Aber auch das gehört zu meinem Kon­zept: Einen flei­ßigen Schüler belohne ich.

Haben Sie schon Spieler in Ihrem Team gehabt, die nichts lernen wollten?
Ich nenne keine Namen, aber natür­lich kommt das immer wieder vor. Sie stehen vor dir und gucken dich an, als wollten sie sagen: Ich habe 20 Mil­lionen auf dem Konto, ich habe es nicht nötig, mich von dir rum­kom­man­dieren zu lassen.“ Aber ins­ge­samt gibt es den Trend, dass die Spieler wiss­be­gie­riger werden. Sie erkennen den Fort­schritt im trai­nings­wis­sen­schaft­li­chen Bereich und wollen den Anschluss nicht ver­lieren.

Heißt das, der Fuß­ball wird immer besser?
Das ist Geschmack­sache. Es soll ja Leute geben, denen die alten Spiele mehr zusagen, etwa die der Bra­si­lianer in den Acht­zi­gern. Aber schneller und inten­siver ist der Fuß­ball seitdem allemal geworden.

Zico, der legen­däre Spiel­ma­cher der Sel­ecao, sagt: Wenn wir 1982 die Welt­meis­ter­schaft gewonnen hätten, hätte sich der Fuß­ball ver­än­dert.“
Ach, das gehört zur Romantik rund um diese Mann­schaft. Sie ist die große Unvoll­endete des Welt­fuß­balls, ein unein­ge­löstes Ver­spre­chen. Aber sie hat nun mal gegen Ita­lien ver­loren und ist aus dem Tur­nier geflogen. Basta. Der Fuß­ball schafft Fakten, und die sehen nicht selten ganz anders aus als das, was du dir erträumt hast. Heute ist dein Kon­zept das rich­tige, morgen das fal­sche. Von ein­zelnen Spielen kann schon des­halb gar kein Ein­fluss auf den gesamten Fuß­ball aus­gehen.

Was wird die nächste tak­ti­sche Revo­lu­tion sein?
Ich erwarte keine Sprünge mehr wie in den ver­gan­genen zwanzig Jahren. Arrigo Sacchi war beim AC Mai­land in den Acht­zi­gern ein echter Revo­lu­tionär. Was er damals gemacht hat, war wirk­lich neu: Aggres­sives Pres­sing in der Defen­sive, kaum 20 Meter Abstand zwi­schen Stür­mern und Ver­tei­di­gern – der Gegner bekam regel­recht Platz­angst! Und kaum war der Ball erobert, ging es rasend schnell nach vorn, immer fünf Mann vor dem Ball­füh­renden. Das war die Erfin­dung des Fuß­balls, wie wir ihn heute kennen. Es geht nur noch darum, ihn punk­tuell zu opti­mieren. In sich, von der Idee her, kann er kaum noch besser werden.

Der FC Chelsea hat die Cham­pions League mit destruk­tivem Fuß­ball gewonnen. Ist das nicht ein Rück­schritt?
Chelsea hat die Raum­de­ckung gespielt, die ich eben beschrieben habe. Etwas tiefer als der AC Mai­land unter Sacchi zwar, aber noch enger und effi­zi­enter. Ich teile die Kritik nicht, Chelsea spiele häss­lich. Im Gegen­teil: Es ist schön, wenn ein Plan funk­tio­niert.

Im Halb­fi­nale zer­schellte der FC Bar­ce­lona an den Lon­do­nern. Ist die große Zeit des spa­ni­schen Fuß­ball vor­über?
Der Tag wird kommen. Es ist die große Her­aus­for­de­rung, ihn so weit wie mög­lich hin­aus­zu­zö­gern. Der Fuß­ball hat viele Mann­schaft auf­steigen und fallen sehen. Die Nie­der­lande in den Sieb­zi­gern, Bra­si­lien in den Acht­zi­gern, später Deutsch­land und Frank­reich. Die anderen Mann­schaften lernen dazu. So wie die Spa­nier ihrer­seits von den Nie­der­län­dern gelernt haben. Johan Cruyff gilt ja nicht umsonst als das Gehirn des FC Bar­ce­lona.

Kann die deut­sche Natio­nal­mann­schaft wieder eine Ära zu prägen?
Joa­chim Löw hat viele junge Spieler zur Ver­fü­gung, die noch jah­re­lang zusam­men­spielen können und schon jetzt sehr weit in ihrer Ent­wick­lung sind. Aber diese Mann­schaft hat noch nichts gewonnen, und es gibt keine Garantie, dass sich das jemals ändern wird. Selbst wenn sie in einem Finale steht und den Gegner domi­niert, kann sie am Ende mit leeren Händen dastehen.

Aber nur Titel ent­scheiden dar­über, welche Mann­schaft als groß ange­sehen wird.
Ja und nein. Einer­seits sind Titel das Ulti­ma­tive. Jeder will sie gewinnen, darum geht es in unserem Sport. Ande­rer­seits gibt es auch Mann­schaften, die nichts gewonnen haben und trotzdem groß sind, weil sie Teil einer großen Geschichte sind. Da sind wir wieder beim Finale von Mün­chen. Dieses Spiel war ein Epos. Nie­mand, der daran teil­ge­nommen hat, ist klein.