Wenn Rayo Vallecano heute Abend 45 Minuten gegen Albacete spielt, dürfen – natürlich – keine Fans ins Stadion. Doch da wäre dieses Mietshaus mit bester Sicht aufs Spielfeld. Zu Besuch in der schönsten Loge Spaniens.
Die Großfamilie hat den Tisch gedeckt und schaut das Spiel im Rotationsprinzip. Es gibt zwei Zimmer zum Platz hin, sie sind klein, die Fenster auch, mehr als einer kann kaum gucken. Streit gibt es trotzdem keinen. In spanischen Familien hat man das Talent, beisammen zu sein und trotzdem nicht aufeinanderzuhocken. Nur Manolo bleibt durchgehend im Bilde und kann bald den Ausgleich für Rayo mitteilen.
Unten auf der Straße flirrt es weiter, auf der Mauer bei den Pferden sitzt ein Paar, Noelia und David, sie hören den Sound der Menge und gucken das Spiel auf seinem Telefon. „Wir sind gute Leute hier in Vallecas“, sagt sie, und noch mal mit herausforderndem Blick und extra laut Richtung Politessen: „Gute Leute, eh!“ Dann fällt das 2:1 für Rayo, das Stadion jubelt. Noelia und David jubeln auch, vergessen für ein paar Sekunden das Telefon. Als sie wieder hingucken, steht am Bildrand: 1:1. „Mist, sie haben das Tor annulliert!“, schreit sie. „Videobeweis?!“, schimpft er. Eine Minute vergeht, noch eine. Dann endlich fällt das Tor auch auf dem Handy.
In den Bars gegenüber der Gegengerade dauert es nicht ganz so lange. Peter und die anderen sind am Tresen, aber die Leute stehen längst bis auf die Straße. „2:1 para el Rayito?“, fragt eine Blumenverkäuferin ungläubig und ist fortan der lauteste Fan: „Tira, tiiiiirrraaa“. Dabei ist natürlich längst geschossen worden. 20 Sekunden Verzögerung sind es hier, hat Fernando errechnet, und auch wenn er es besser weiß, verliert er sich bald selbst, als Barça auf dem Bildschirm einen Angriff startet: „Scheiße, nein …“
Es passiert nichts in dieser Szene, aber es passiert später. Zweimal weht noch dieser Jubel herüber, der laut ist, aber nicht laut genug. Der Jubel von Auswärtstoren. 2:3. Letzte Ecke für Rayo in der vierten Minute der Nachspielzeit. Aus den meisten Fenstern sieht man das nicht. Der tote Winkel. Aber man hört, dass er nichts eingebracht hat. Für die kleinen Enkel ist der Abend eine Rayo-Geschichtsstunde: Es reicht gegen die Riesen dann eben doch nur ganz selten. Das Stadion feiert sein Team trotzdem, und während die Leute es verlassen und sich zerstreuen, während sie an den Straßenecken noch Stunden später davon erzählen, wie Rayo so nah am großen Coup war, da hat auch Haus Nummer 2 endlich wieder seine Ruhe.