In Baden-Württemberg wurde die Zahl der Polizeistunden beim Fußball drastisch reduziert. Kann das ein Modell für ganz Deutschland sein?
Der Polizei in Baden-Württemberg ist es von der vorletzten Saison auf die letzte gelungen, die Einsatzstunden der Beamten beim Fußball um über 20 Prozent zu reduzieren. In der gerade zu Ende gehenden Saison werden sie noch einmal deutlich zurückgehen. Das liegt vor allem an den so genannten Stadionallianzen, in Rahmen derer alle eng zusammenarbeiten, die beim Fußball um Sicherheit bemüht sind, von der Polizei über die Klubs bis zu den Fanbeauftragten.
Im Austausch mit den Experten für die Fanszene wurde etwa klar, dass es zwischen Stuttgarter und Nürnberger Fans keine außergewöhnliche Rivalität gibt, die das Label „Hochrisikospiel“ verdient. Auch andernorts, bis hinunter in die Oberliga wurde genauer auf den Einzelfall geschaut. Beim Spiel zwischen Hoffenheim und Leverkusen in der vergangenen Saison wurde mit nur 65 eingesetzten Beamten sogar eine Art Minusrekord aufgestellt.
„Es geht uns nicht ums Geld.“
Die Diskussion über Polizeieinsätze wird oft von Scharfmachern bestimmt. So brauchte Stahlmann als Beamter im Innenministerium für ein neues Konzept wie die Stadionallianzen ein stabiles politisches Mandat. Das hat er vom baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU) bekommen, und es geht dabei nicht um einen Kuschelkurs.
Die Polizei versucht sich auch nicht als Fanversteher zu profilieren, was das Konzept sogar noch interessanter macht. Letztlich geht es nämlich um schlichtweg pragmatische Überlegungen. Dem Bundesland fehlen Polizeibeamte, wie übrigens auch anderen Bundesländern. „Es geht uns nicht ums Geld. Das bringt uns keinen einzigen Beamten mehr, wir benötigen die Beamten an anderer Stelle als beim Fußball“, sagte Stahlmann.
Die Vision: Fußball ohne Polizei
Auch weil die Zahl der Einsatzstunden bei der baden-württembergischen Polizei beim Fußball reduziert werden konnte, verbesserte sich die Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen. Oder zugespitzt gesagt: Statt beim Fußball mit aufgeblasenen Einsätzen ihre Zeit zu verplempern, konnten die Beamten dort arbeiten, wo es wirklich nötig war.
„Fußball ohne Polizei, das ist die Vision. Und sei es allein, um darüber nachzudenken, denn das schafft ganz neue Perspektiven“, sagte Stahlmann noch. Mitte Juni bei der Konferenz der Innenminister der Bundesländer wird sich zeigen, wie offen für neue Perspektiven Strobls Kollegen jenseits von Baden-Württemberg sind.
Das komplette Interview mit Uwe Stahlmann über „unsichtbare Polizisten“, Überlegungen zur Pyrotechnik und wie man es schafft, über Stadionallianzen Vertrauen aufzubauen, gibt es in der aktuellen Ausgabe von 11FREUNDE.