In der Slowakei macht ein Spieler der Linienrichterin einen Heiratsantrag. Vor dem Spiel. Und aus den besten Gründen.
Ja, es gibt sie noch. Die Romantik. In Zeiten, in denen sich Dosenmogule in die oberste Liga einkaufen, das Bier im Stadion alkoholfrei ist und die besten Vereine der Länder ihre Monopolisierung fortführen wollen, während Amateurvereine und Traditionsklubs um ihre Existenz bangen.
Irgendwo dazwischen kämpft die Romantik um ihr Dasein und schimmert immer wieder einmal wie ein einsamer Sonnenstrahl durch den Nebel. Sie will gepackt und genossen werden. Und der Modernisierung und ihrem globalen, auf Hochglanz polierten Traara und Tääterä trotzen.
Nizna gegen Chlebice mit viel Liebe
Deswegen schlägt sie diskret zu und kommt zumeist dort zum Vorschein, wo die wenigsten hinsehen. Zum Beispiel in der fünften slowakischen Liga. Eine Liga, bei der selbst die Datenbank von „transfermarkt.de“ an ihre Grenze stößt. Der FK Nizna empfängt die/den TJ Tatran Chlebice. In den Bergen der Slowakei, an der polnischen Grenze.
Das Wetter ist herbstlich grau, als die Mannschaften am Nachmittag des 30. Oktobers das Spielfeld betreten und sich und die rund 400 Zuschauer begrüßen. Hinter der einzigen Tribüne ragt ein kleiner Plattenbau hervor, ein paar Bäume stehen auf dem grünen Hügel. Der Himmel ist bedeckt. An wenigen Stellen kämpft sich die Sonne ihren Weg durch die Wolkendecke.
Das obligatorische Shakehands fällt unauffällig aus. Bis sich der Gastgeber beim dreiköpfigen Schiedsrichtergespann vorstellt. Ahnungslos steht die Linienrichterin Petra Lepackova, 20, neben dem Spielleiter und schüttelt die Hände der Nizna-Spieler. So, wie sie es all die Male zuvor auch getan hat. Dass ihr langjähriger Freund ebenfalls für Nizna aufläuft? Längst wegprofessionalisiert.
Doch diesmal ist alles anders. Es bleibt nicht bei dem Handshake. Anstatt weiterzugehen, bleibt ihr Freund, Lubomir Vajdecka, vor ihr stehen. Er geht auf die Knie und zückt einen Ring hervor. Petra fasst die Hände vors Gesicht, weicht erst erschrocken einen Schritt zurück. Dann fällt sie ihrem Liebsten endlich in die Arme.
Die Romantik hat sich ihren Weg in das 4.000-Seelen-Dorf gebahnt. Vajdeckas Verlobungsring lässt die kahle Spielstätte in einem hellen Licht erscheinen. Die Romantik und der Fußball, für einen kurzen Augenblick sind sie wieder vereint.
Ein Besucher filmt das Schauspiel und lässt die Welt via Youtube daran teilhaben. Dank der gestochen scharfen Kameraqualität seines Motorola Razr Klapphandys ist es ein Antrag für die Ewigkeit.
Romantik erobert die Welt
In Polen, Italien, Japan und Amerika wird über diesen Durchbruch der Romantik geschrieben, auf türkisch, deutsch und französisch können die Sehnsüchte nach der Liebe gestillt werden, selbst ein Bericht in indonesischer Sprache liegt in den Tiefen des Internets.
Petras unschuldiges wie unspektakuläres Instagramprofil wird seitdem von 2.300 Menschen verfolgt, der Schnappschuss des Antrags gefällt sogar 3.000 Leuten. Vergesst Brangelina. Vergesst die Lombardis. Die Welt hat ein neues Traumpaar.
Das perfekte Liebesgedicht
Der slowakische Nachrichtensender „Novy Cas“ widmet dem verliebten Pärchen, das seit sechs Jahren zusammen ist, einen Beitrag. Dem High-Society-Format, irgendwo zwischen Gala und Bravo unterwegs, erzählt der glückliche künftige Bräutigam: „Sie ist meine Traumfrau. Sie liebt Fußball, mich und Bier. So eine finde ich nie wieder.“
Behauptet zumindest der Google-Translator. Gesichert hingegen ist der Endstand der Begegnung. Lubomirs Mannschaft gewann mit 3:1. Wie oft seine zukünftige Ehefrau der Mannschaft ihres Liebsten eine Abseitsstellung hat durchgehen lassen, ist leider nicht überliefert.