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Ver­mut­lich wollte Jupp Heyn­ckes den letzten Ehren­preis, der am Ende einer denk­wür­digen Nacht zu ver­geben war, gar nicht gewinnen. Aber es gelang ihm den­noch, auch eine ima­gi­näre Tro­phäe für Rit­ter­lich­keit mit nach Hause zu nehmen, als er aus­drück­lich José Mour­inho lobte. Der Coach von Real Madrid ist für viele Bewohner des Pla­neten Fuß­ball ein aus­ge­machter Dun­kel­mann, Beherr­scher aller halb­sei­denen Tricks.

Doch Heyn­ckes könnte sein Bewäh­rungs­helfer werden, nicht nur weil er ihn bei beiden Spielen durch Höf­lich­keit in die Knie zwang. Der Trainer der Bayern lobte den Por­tu­giesen weit nach Mit­ter­nacht noch einmal aus­drück­lich für sein Erscheinen in der Kabine der Bayern, wo er jeden per Hand­schlag zum Errei­chen des Finales beglück­wünscht hatte.

Das war nobel, das hatte Stil und Klasse“, sagte er. Und damit blieb auch die letzte Wen­dung einer magi­schen Nacht“, wie Heyn­ckes sie nannte, nicht in den Kata­komben von Ber­nabeu ver­borgen. Ver­mut­lich werden wir uns in Jahren noch an dieses Spiel erin­nern, bei dem nur Men­schen mit einem Herz aus Stein oder fun­da­men­ta­lis­ti­sche Bayern-Hasser den Affekt unter­drü­cken konnten, den Münch­nern die Daumen zu drü­cken. Alles an diesen 120 Minuten und dem anschlie­ßenden Elf­me­ter­schießen war zudem so maßlos und über­di­men­sio­niert, als hätte der Fuß­ball­gott in einem Anfall von Raserei ver­sucht, all das in ein Spiel zu packen, wovon man sonst Wochen und Monate zehren muss.

Das Zer­stö­rungs­werk der Real-Offen­sive

Die erste Vier­tel­stunde mit den beiden Tref­fern von Cris­tiano Ronaldo zeigte in aller Opu­lenz, zu wel­chem Zer­stö­rungs­werk die Real-Offen­sive in der Lage ist. Die anschlie­ßenden 30 Minuten waren ein Akt absurder Ver­nach­läs­si­gung von allem, was zur Fuß­ball­grund­schule von heute gehört und am liebsten mit dem Begriff kom­pakt“ beschrieben wird. Es war das genaue Gegen­teil davon, näm­lich wirr, unge­ordnet, zer­flusst und ein herr­li­ches Gewoge durch Abwehr­reihen, die wie von Ama­teuren betrieben wirkten. Trotzdem stand es zur Pause nur 2:1 und nicht 4:4, wie es pro­blemlos hätte sein können.

Danach zog die blei­erne Zeit auf. Eine, in der die Angst vor dem Fehler wuchs und die Beine immer schwerer wurde. Kein Wunder, dass Mour­inho hin­terher zeterte, was für ein Unding es sei, dass sein Team am Samstag das wich­tigste Liga­spiel der Saison in Bar­ce­lona hatte absol­vieren müssen. Bayern hätte in der regu­lären Spiel­zeit den Aus­gleich ver­dient gehabt, als alle Spieler mehr auf der Suche nach Ener­gie­quellen für den nächsten Lauf beschäf­tigt waren und mit einer Span­nung rangen, die unglaub­lich war.

Beide Mann­schaften wankten, nie­mand fiel, und doch mussten die Bayern Ver­luste beklagen, als sich neben David Alaba in der Ver­län­ge­rung auch noch Luis Gustavo und Holger Bad­s­tuber jene Gelben Karten abholten, die eine Sperre fürs Finale bedeuten. Das ist eine Rege­lung, die man drin­gend über­denken muss“, meinte Heyn­ckes hin­terher, im Finale müssen die Besten dabei sein.“ Doch da war für solche Über­le­gungen noch keine Zeit, denn längst hatte sich dieses Spiel in ein Epos ver­wan­delt. Man schaute in die Gesichter von Fuß­ball­helden, die in einen unbe­kannten Grenz­be­reich vor­stießen. Fuß­ball jen­seits der Baum­grenze und wie ein Ver­such, den Nanga Parbat ohne Sau­er­stoff­fla­sche zu besteigen. Ob das noch schön war oder gut, war in den 30 Minuten der Ver­län­ge­rung keine Frage mehr, eher schaute man gebannt einem fuß­bal­le­ri­schen Exis­tenz­kampf zu.

Hoeneß: Ich habe gedacht, ich sterbe“

Doch damit war es immer noch nicht genug. Denn die absurde Hoch­span­nung eines Elf­me­ter­schie­ßens wurde noch auf die Spitze getrieben, als Manuel Neuer zwei Elf­meter hielt und Bayern 2:0 führte. Das wäre es unter nor­malen Bedin­gungen sonst eigent­lich immer gewesen, aber dann ver­schoss erst Toni Kroos, dann Philipp Lahm und Uli Hoeneß war in Lebens­ge­fahr. Ich habe gedacht, ich sterbe“, sagte der Bayern-Prä­si­dent, und ver­mut­lich war es genau so gemeint. Doch dann drosch Sergio Ramos den Ball übers Tor; Schwein­steiger traf, der Rest war Exstase.

Manuel Neuer, der spä­tes­tens da beim FC Bayern end­gültig ange­kommen sein dürfte, musste ver­blüf­fende Zunei­gungs­be­kennt­nisse („Ich lieben ihn“, Karl-Heinz Rum­me­nigge) über sich ergehen lassen. Der Keeper reagiert darauf wie unter Schock, und so fiel ihm im Moment des Tau­mels nur eine schlimme Fuß­ball­floskel ein: Wir sind nicht ganz unver­dient ins Finale gekommen.“ Das jedoch kann in seiner ganzen Farb­lo­sig­keit so nicht stehen lassen, denn der FC Bayern ist in zwei nicht anders als hero­isch zu bezeich­nenden Spielen völlig ver­dient ins End­spiel ein­ge­zogen. Sie haben großen Fuß­ball gespielt, dessen Kern ein unglaub­li­cher Wille war und die halb­re­li­göse Fixie­rung auf das Ende einer Wall­fahrt.

Das Herz den Bayern öffnen

Der Klub war ver­rückt nach diesem Finale der Cham­pions League im eigenen Sta­dion, was noch kein andere Verein erreicht hat. Dafür setzte er unge­heure Ener­gien frei, und so konnte man sich an diesem Abend ganz ohne Schuld­ge­fühle an den Bayern erwärmen. Denn wer so mit dem Herzen spielt, dem darf man sein Herz auch öffnen.