Die Sommerpause war sehr lang, sehr anstrengend, sehr desillusionierend. Jetzt geht sie zu Ende. Aber wie soll man damit eigentlich umgehen?
Ich habe keinen Bock mehr auf Dich, Fußball. Du lächerliches Arschloch. Du Seifenoper voller überbezahlter Jungspunde. Du widerliche Kommerzmaschine. Du herzloses Geschäft. Du Spiegelbild dieser kaputten Gesellschaft. Nimmst Dich immer so wichtig. Willst uns alle aufsaugen. Noch mehr Nachrichten. Brennpunkte. Quatschturniere. Livespiele. Du willst uns doch verarschen, oder?
Ich will nicht mehr. Über Ablösesummen reden. Über absurde Transfergerüchte lachen. Über zu viele spanische Spieler beim FC Bayern nachdenken. Mir die Gesichter der Bundesliga-Neuzugänge einprägen. Ihre Namen üben. Herumspinnen, wer, warum, wo am Ende der Saison landet. Mir ganz sicher sein. Oder zumindest eine leise Ahnung davon haben, von dem, was kommt. Weil ich irgendwo was gelesen habe. Oder gehört. Oder erkannt haben will. Und am Ende doch als Depp dazustehen.
Ich ertrage es alles nicht mehr. Diese Testspiele, in denen zwei Mannschaften in Zeitlupe und ohne erkennbare Motivation einem Werbepartner eine große Bühne bieten. Die Spiele, in denen ab der 70. Minute zehn neue Spieler eingewechselt werden und nach dem Abpfiff bei der Übergabe des übergroßen Pokals echte Freude simuliert wird. Wegkommentiert von Wolf-Dieter Poschmann.
Kopf. Tisch. Bäm. Feierabend.
Ich will sie nicht mehr sehen. Die Bilder von Profifußballern auf Fährradern. Von Daumen, die bei Neuvorstellungen in die Luft gereckt werden. Von Medizinchecks, die Profisportler offenbar tatsächlich nicht bestehen können.
Ich habe echt genug von Dir, Fußball. Vom Warten. Von leerer Theorie. Schlagzeilen. Worthülsen. Experten. Kopf. Tisch. Bäm. Feierabend.
Aber ich will es einfach wieder spüren. Lange Grätschen auf nassem Rasen. Den schrillen Pfiff des Schiedsrichters in meinen Ohren. Das Johlen eines vollbesetzten Stadions. Das Motzen der Meckeropas. Hin und her schauckelnde Fankurven. Wankende Platzwarte. Das Bier meines Hintermanns im Nacken. Leuchtende Gesichter. Geifernde Althauer. Den Glanz in den Augen des Nebenmanns. Das warme Ziehen in der Magengegend. Immer da. Kurz bevor ein Tor fällt.
Und dann. Das Tornetz. Dieses Geräusch. Swoosh. Die eine Sekunde, in der alles still steht. Nur das Blut in meinen Adern pulsiert. Pocht. Schreit. Endorphine. High Fives. Fremde Menschen in meinen Armen. Schweiß. Gestank. Bier holen. Das breite Grinsen auf dem Gesicht. König für den Moment. Weil plötzlich alles so leicht ist. So schön. So einfach.
Endlich rollt die Kugel aus Weltraumplastik
Weil sie endlich wieder rollt. Diese Kugel aus Weltraumplastik. Weil sie endlich vor der Tür steht. Unsere wahre Liebe. Weil es endlich wieder da ist. Das Spiel, das Finanzpleiten, innenpolitisches Chaos und dumpfes Gebrabbel der Umwelt zumindest für 90 Minuten zur Seite schiebt. Das uns mit so schlichten Mitteln einfach glücklich macht. Egal, ob auf dem ranzigen Rasenplatz vor der Haustür oder in der glitzernden Hochglanzarena.
Es ist alles so lächerlich. Es ist alles so egal. Ich will das alles nicht mehr.
Aber ich kann einfach nicht anders. Ich muss. Einschalten. Hingehen. Fingernägel kauen. Das Trikot rauslegen. Kumpels abholen. Kneipe. Stadion. Nach Siegen träumen. Nach Niederlagen mit niemandem sprechen wollen. Mich benehmen wie ein Idiot.
Warum?
Weil ich Dich liebe.
Schön, dass Du endlich wieder da bist, Fußball.