Nun also doch: Der 1. FC Köln hat Trainer Stale Solbakken vor die Tür gesetzt. Wir sprachen mit Ex-Stürmer Toni Polster über die Entlassung, mögliche Nachfolge-Kandidaten, das Derby am Sonntag, Lukas Podolski und den Gladbacher Höhenflug.
Toni Polster, der 1. FC Köln hat nun doch die Reißleine gezogen und Trainer Stale Solbakken entlassen. Eine richtige Entscheidung?
Toni Polster: In meinen Augen war es schon ein Riesenfehler, einen Trainer wie Solbakken zu verpflichten, der die Bundesliga und den FC nicht so gut kannte. In Köln ist die Medienlandschaft sehr ausgeprägt, das ist ein Unterschied zu anderen Städten. Es ist immer viel los, damit muss man klarkommen.
Woran ist Solbakken im sportlichen Bereich gescheitert?
Toni Polster: Es lagen zu viele Missverständnisse zwischen Mannschaft und Trainer vor. Es wäre wichtig gewesen, die richtige Balance zwischen Defensive und Offensive zu finden. Das ist Solbakken nicht gelungen.
Was für einen Trainer-Typ braucht der FC?
Toni Polster: Vielleicht würde es dem Klub gut tun, einen Trainer zu holen, den er schon einmal hatte. Einen Mann, der weiß, wie worauf er sich einzustellen hat.
Peter Neururer war zuletzt im Gespräch. Er hat die Kölner von 1996 bis 1997 trainiert. Wäre er vielleicht der richtige Mann?
Toni Polster: Das kann ich nicht sagen. Der neue Trainer muss auf jeden Fall mit dem Umfeld vertraut sein. Für mich wäre Friedhelm Funkel der richtige Mann.
Jetzt übernimmt Frank Schaefer erneut interimsweise. Kann er den FC retten?
Toni Polster: Frank kennt den Verein aus dem Effeff, hat zudem im vergangenen Jahr als Trainer erfolgreich gearbeitet. Er bringt also alles mit.
Präsident Wolfgang Overath weg, Sportdirektor Finke weg, Solbakken weg – rauft man sich als verdienter Ex-Kölner nicht die Haare, wenn man sieht, wie viele Herde beim FC brennen?
Toni Polster: Es ist sehr schade, was dort in dieser Saison passiert ist. Die Leute in Köln geben sich in ihrer Arbeit bestimmt Mühe und versuchen, für das Wohl des Vereins zu arbeiten. Sie lassen aber derzeit kein Fettnäpfchen aus. Ich sehe auch niemanden, der beim FC in der Führungsetage etwas Positives vorlebt, und so etwas färbt natürlich auch negativ auf die Mannschaft ab.
Kann man da einen Spieler wie Slawomir Peszko, der sich nach dem 1:1 gegen Werder Bremen mit einer rauschenden Partynacht ablenkte, fast schon verstehen?
Toni Polster: Nein! Ein Spieler muss sich immer professionell verhalten. In so einer präkeren Situation geht das überhaupt nicht!
Fast schon untergegangen ist, dass das Kölner Stadtheiligtum Lukas Podolski wahrscheinlich zum FC Arsenal London wechseln wird. Packt er es dort?
Toni Polster: Ich kann als großer Fan von Poldi auf diese Frage nur subjektiv antworten: Wenn er Spaß am Fußball entwickelt, wird er in jeder Stadt triumphieren. Dann wird das in England auch funktionieren, denn Poldi ist ein Weltklasse-Spieler.
Am Sonntag gastiert der FC in Gladbach. Von 1993 bis 1998 stürmten sie für die Kölner, danach bis 2000 für die Gladbacher. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Spiele?
Toni Polster: Egal ob im Müngersdorfer Stadion oder auf dem Bökelberg: Ich habe diese Derbys immer genossen und auch das ein oder andere Tor geschossen. Unter anderem mein letztes Tor in Deutschland für Gladbach beim 3:1 in der zweiten Liga gegen Köln! Aus meinen Spielen im Kölner Trikot ist mir besonders Borussias Peter Wynhoff in Erinnerung geblieben. Ein fantastischer Mittelfeldspieler, aber besser als in den Derbys habe ich ihn in keinem anderen Spiel gesehen. Wenn er bei der Borussia gefehlt hat, lief es meistens besser für uns.
Die Gladbacher überzeugen in dieser Saison und stehen vor dem Einzug in den Europacup. Wie bewerten Sie das?
Toni Polster: Es ist sensationell, wie sich der Verein nach der schwierigen letzten Spielzeit entwickelt hat. Die Mannschaft setzt die Vorgaben von Lucien Favre optimal um und spielt gut nach vorne. Die Champions League wäre in er kommenden Saison natürlich ein ganz großes Kaliber für die Borussia. Die jungen Spieler würden dort aber immens viel lernen. Sollten sie sich qualifizieren, wäre das eine unbezahlbare Erfahrung für die Gladbacher.
Marco Reus, Roman Neustädter und wahrscheinlich auch Dante verlassen die Borussia. Ist das zu kompensieren?
Toni Polster: Man konnte sich jetzt Monate lang auf diese Abgänge vorbereiten. Von daher kann die Borussia dementsprechend die Weichen für die Zukunft stellen. Klar ist aber, dass die Messlatte nun hoch liegt. Eine so außergewöhnliche Saison zu wiederholen, wird sehr schwer.
Und wie steht es um die Kölner, wenn Sie in der kommenden Saison ohne Podolski auskommen müssen?
Toni Polster: Sofern der Klassenerhalt gelingt und Poldi geht, muss es nicht heißen, dass es nächste Saison beim FC automatisch noch schlechter wird. Dieser Abgang kann die Sinne der Mannschaft auch so schärfen, dass sie bereit ist, sich zusammenzureißen und eine bessere Stimmung zu erzeugen. Man sollte sich Gladbach zum Vorbild nehmen: Die haben das nach der letzten Zitter-Saison ja auch geschafft.