Im Januar 2020 erklärte Friedhelm Funkel seine lange Trainerkarriere für beendet. Nun übernimmt der Inbegriff des Feuerwehrmanns bis Saisonende den abstiegsbedrohten 1. FC Köln. Sollte er den FC tatsächlich retten, würde der Veteran gleich zwei geniale Pointen landen.
Was werden sie auf der anderen Rheinseite sagen, wenn das gut geht? Am 29. Januar 2020 war Friedhelm Funkel nach internen Querelen bei Fortuna Düsseldorf entlassen worden. Die Nachricht ereilte ihn nur 15 Stunden nachdem ihm die – andere – Stadt Düsseldorf den Preis als „Trainer des Jahres“ verliehen hatte.
Der Veteran hatte 2018 Fortuna zurück in die Bundesliga und die anschließende Saison sensationell auf Tabellenplatz zehn abgeschlossen. Doch nicht zum ersten Mal wurde Funkel sein auf solider Arbeit beruhender Erfolg mit einem Traditionsverein zum Verhängnis, weil plötzlich Verantwortliche in den Glauben verfielen, zu Höherem geboren zu sein und dafür keinen Coach in Ballonseide und mit Panzerknackerbart, sondern einen vermeintlichen „Mann von Welt“ auf der Bank zu benötigen.
Folge dieses Irrglaubens: Fortuna stieg mit Nachfolger Uwe Rösler ab. Funkel hielt sich an sein Gelübde, nach seiner Düsseldorfer Zeit seine Laufbahn zu beenden und kein weiteres Trainerengagement mehr anzunehmen. Zwar erwähnte er in Interviews danach, er sei durchaus zuversichtlich gewesen, mit Fortuna den Klassenerhalt zu schaffen. Ansonsten aber wusch er auch wie an allen seinen Stationen zuvor keine schmutzige Wäsche und verabschiedete sich freundlich in Rente. Getreu seines Lebensmottos: „Wenn du die Faust in der Tasche ballst, denk immer dran: Der Schmerz lässt auch wieder nach”.
Er blieb dennoch ein gefragter Mann. Beim KFC Uerdingen warben sie um seine Unterstützung. Auch bei Fortuna soll er kurzzeitig mal als sportlicher Berater in Leitungsfunktion im Gespräch gewesen sein. Überzeugen indes konnten sie ihn nicht. So wie Funkel stets realistisch einzuschätzen wusste, was er kann und welche Zielstellungen zu bewältigen sind, erkennt er auch, wenn er auf verlorenem Posten steht. Natürlich hätte er gern bei seinem Herzensklub aus der aktiven Zeit in Krefeld ausgeholfen. Aber ihm war schon im Februar 2020 klar, dass das alles kein gutes Ende nehmen würde. In 11FREUNDE sagte er: „Nicht, solange der Russe da ist.“
Als wir ihm damals eine Titelgeschichte (Ausgabe 220, März 2020) zum Abschied widmeten, schien er mit sich und der Welt im Reinen. Er plante, sich fortan mehr um seine Enkel zu kümmern und öfter bei seiner Mutter auf Kaffee und Kuchen vorbeizuschauen. Er tingelte durch Fernsehshows und freute sich, nach knapp 50 Jahren im durchgetakteten Fußballgeschäft der Fremdbestimmtheit zu entkommen. Und: Nein, er plante keine Autobiographie zu schreiben, um aller Welt zu erklären, wie es bei den zahlreichen Jobwechseln in Wahrheit in seiner Seele ausgesehen habe. Der 67-Jährige präsentierte sich rundum zufrieden und mit einer positiven Lebensbilanz.
Doch nur wenige Wochen nach unserem Termin in Krefeld kam: Corona!
Schwer zusagen, wie sich seine Erwartungen an das Leben als Rentner durch das Virus verschoben haben. Seit heute Vormittag aber ist unstrittig, dass er sich über etwas Abwechslung freut. Funkel kehrt siebzehneinhalb Jahre nach seiner Entlassung als Trainer zum 1. FC Köln zurück. Horst Heldt sparte – laut „Kicker“ – nicht an Vorschusslorbeer für den Oldie: „Friedhelm hat nicht nur große Erfahrung, sondern ist auch mit solchen Situationen absolut vertraut“, erklärte der Geschäftsführer Sport, „er hat die Souveränität, die es jetzt braucht, um in dieser Phase einen neuen Impuls zu geben, die notwendige Ruhe zu bewahren und unser Team auf die wichtigen verbleibenden sechs Spiele einzustellen.“ Es klang ein bisschen, als habe der FC-Manager nach dem Absturz des Klubs auf einen direkten Abstiegsplatz eingesehen, dass die Zeit der freien Entfaltung, der Lebenskunst und der Experimente in der sportlichen Leitung des Geißbockklubs vorbei sei – und nun ein erprobter Fachmann ans Werk muss.
Dass Funkel für sein Naturell ungewohnt inkonsequent ist und sich von Heldt zum Rücktritt vom Rücktritt überreden lässt, ist nur nachvollziehbar: Sein Engagement erstreckt sich zunächst nur auf sechs Spieltage bis Saisonende. Ihm bleibt keine Zeit, sich tief in die Materie einzuarbeiten, sondern er muss auf Grundlage seiner langjährigen Erfahrung im Retter-Job darauf vertrauen, dass sein für solche Fälle erprobter Maßnahmenkatalog umgehend greift. Er muss für den Job nicht aus in seinem bevorzugten Planquadrat im Westen der Republik heraus. Bei erfolgreichem Abschluss seiner Mission springt für ihn zudem ein erkleckliches Sümmchen für einen vergleichsweise überschaubaren Aufwand heraus.
Und – last but not least – Funkel kann gleich zwei Kracher-Pointen auf seine Karriere landen, ohne dabei nur eine einzige verbale Spitze absondern zu müssen. Denn sollte es ihm gelingen, den darbenden FC vor dem erneuten Abstieg zu retten, wäre es einerseits der späte Nachweis seiner Eignung als Trainer, die ihm im Oktober 2003 nach dem geschafften Wiederaufstieg mit den Kölnern von der versammelten rheinischen Medienlandschaft, sowie den Verantwortlichen um Präsident Albert Caspers abgesprochen worden war.
Zudem wäre es aber auch eine süße Rache am rheinischen Rivalen Fortuna, die im vergangenen Frühjahr nicht die Geduld aufbrachte, Friedhelm Funkel am Ende seiner einzigartigen Karriere in Eigenverantwortung bestimmen zu lassen, wann er die Trainerbühne verlässt.
Dass ihm nun ausgerechnet der FC dieses Recht gewährt, ist eine Ironie des Schicksals. Und es gibt wohl niemanden, der ihm diese Genugtuung nicht gönnt. Artikel 2, Kölsches Grundgesetz: Et kütt, wie et kütt. Artikel 3: Et hätt noch immer joot jejange.