Gründung einer Terrorvereinigung! Putschversuch! In der Türkei ist ein aberwitziger Prozess gegen die Besiktas-Fangruppe Carsi zu Ende gegangen. Anwalt Inan Kaya zieht ein Fazit.
Inan heißt auf Deutsch übersetzt: Glaube! Aber den Glauben an die Justiz seines Landes hat der Istanbuler Rechtsanwalt Inan Kaya verloren. Zwar wurden die 35 angeklagten Fußballfans, die nach den Protesten im Gezi-Park im Jahr 2013 vom türkischen Staat angeklagt wurden, vom Vorwurf der Bildung einer terroristischen Vereinigung und eines geplanten Staatsumsturzes freigesprochen. Damit sind auch die geforderten Haftstrafen von bis zu 49 Jahren unter anderem gegen Carsi-Anführer Cem Yakiskan vom Tisch.
Zu den Hintergründen des Prozesses: Unsere Reportage über Carsis Rolle bei den Gezi-Protesten »
Zwei Mitglieder der Fanorganisation von Besiktas, der die meisten der angeklagten Anhänger angehören, müssen dennoch für zweieinhalb Jahre hinter Gittern. Das hat ein Gericht in Istanbul Ende Dezember entschieden.
Wenn schon kein Putsch, dann wenigstens Pyro. Damit setzte die türkische Judikative einen finalen Knalleffekt unter einen Prozess, der von Beginn an derart zum Himmel gestunken hat, dass man meinen könnte, im nahe gelegenen Fischmarkt von Besiktas sei der gesamte Fang verdorben gewesen. Wir sprachen mit dem Carsi-Verteidiger nach der Urteilsverkündung in Istanbul.
Inan Kaya, die Carsi-Mitglieder wurden vom Vorwurf des geplanten Staatsumsturzes freigesprochen. Sind Sie erleichtert?
Ich hatte damit gerechnet, dass sie wegen dieser Dinge nicht verurteilt werden. Zumal die Staatsanwaltschaft den Vorwurf des Putschversuches und der Bildung einer terroristischen Vereinigung bereits fallengelassen und die Anklage relativiert hatte. Wer die Anklage gelesen hatte, konnte gar nicht glauben, dass diejenigen die sich damit befasst hatten, überhaupt einen juristischen Abschluss haben. Dennoch hatte das Gericht bis zuletzt in diese Richtung ermittelt. Was ja schon ein Witz an sich ist. Deswegen hätte es theoretisch auch immer noch sein können, dass unsere Anhänger deswegen verurteilt werden. Ausgeschlossen hatte ich das nicht. Zumal die Gezi-Proteste an sich inzwischen als illegal eingestuft wurden. Außerdem leben wir in der Türkei, da weißt du nie, was passiert.
Zum ersten Mal in der Geschichte des Fußballs waren Fans eines Vereins angeklagt, eine Regierung zu stürzen. Wenigstens hat Carsi damit nun traurige Berühmtheit erlangt!
Carsi war tatsächlich die erste Fanorganisation, die weltweit wegen eines Staatsputsches angeklagt wurde. Ich habe mal aus Spaß gesagt, wenn jeweils zwei Anhänger ein Ministerium übernehmen und dann noch das Parlament entern, hätte es klappen können. Aber da der türkische Regierungssitz in Ankara ist, hätten sie vorher noch mit dem Bus von Istanbul aus dorthin fahren müssen. Das Blöde wäre nur, dass sie dann auf dem Weg dahin ordentlich trinken würden. Die Revolution müsste vielleicht so lange warten, bis sie wieder nüchtern sind. Aber dann hätte es funktionieren können.
Wo nehmen Sie nur Ihren Humor her?
Jetzt mal im Ernst. Für einen Umsturz müssten sie Ministerien und Schaltzentralen der Macht unter ihre Gewalt bringen, wie soll so etwas mit 35 Mann gehen? Haben Sie schon mal einen Putsch mit 35 Personen erlebt?