In Ausgabe #144 sprachen wir mit Erwin Stein, Willi Neuberger und Alex Meier über drei Generationen Eintracht Frankfurt im Europapokal. Ein Interview über das richtige Getränk nach großen Siegen, Uhren aus Madrid und das beste Finale aller Zeiten.
Gibt es sonstige Europacuprituale?
Meier: Andere mögen bei solchen Spielen auch eine besondere Euphorie empfinden, für mich ist das ein Fußballspiel, das ich gewinnen will. Also: Umziehen in der Kabine, letzte Ansprache, raus auf den Platz und dann, nach Möglichkeit, gewinnen.
Neuberger: Bei uns gab es nach Spielen oft Bankette mit den Gegnern aus dem Ausland. Förmliche Veranstaltungen, bei denen die Teams meist an verschiedenen Tischen auf zwei Seiten des Saals hockten.
Es gab nie nachträgliche Verbrüderungsszenen?
Neuberger: Wir spielten im K.-o.-System. Das bedeutete, eins der Teams war meist ausgeschieden und entsprechend gelaunt.
Stein: Die Mannschaften machten sich untereinander kleine Gastgeschenke. Vor dem Finale 1960 gegen Real Madrid bekamen wir Spieler goldene Uhren geschenkt. Meine wurde mir leider gestohlen.
Aber Sie tragen eine Uhr mit eingraviertem Real-Wappen.
Stein: Vor Jahren traf ich meinen damaligen Gegenspieler, José Santamaría. Ich erzählte ihm von dem Diebstahl. Zwei Tage später kam diese Uhr per Post.
Wie verändern sich die Trainer, wenn Eintracht im Europacup antritt?
Meier: Armin Veh hat vor den Qualifikationsspielen für die Europa League gesagt, dass wir uns dafür belohnen sollen, was wir uns in der Bundesliga erarbeitet haben. Das gab uns eine gewisse Freiheit. Aber dass sich die Ansprachen großartig verändert haben, kann ich nicht behaupten.
Neuberger: War bei uns ähnlich: Friedel Rausch hat vielleicht ein bisschen lauter als Dietrich Weise gesprochen, aber das Wichtigste für sie war, dass wir das Erreichte nicht durch ein paar unkonzentrierte Auftritte leichtfertig aus der Hand gaben.
Stein: Europacup – das wurde aus meiner Sicht weniger durch die handelnden Personen als durch die besondere Atmosphäre im Stadion bestimmt. Ich denke da immer an die Abendspiele unter der Woche, an Flutlicht und leichten Nieselregen.
Meier: Ehrlich? Für mich geht nichts über ein Match an einem Samstagnachmittag. 15.30 Uhr im Sommer. Da kommt kein Flutlichtspiel der Welt ran.
Neuberger: Weißt du, wie wir euch früher nannten?
Meier: Na?
Neuberger: Schönwetterfußballer!
Erwin Stein, Willi Neuberger, worum beneiden Sie die heutige Eintracht-Generation um Alex Meier?
Stein: Dass deren Stadien immer voll sind.
Neuberger: Im Viertelfinale des UEFA-Cups 1980 gegen Zbrojovka Brünn kamen 25 000. Heute brennt hier die Hütte, selbst wenn Wolfsburg oder Hoffenheim kommen. Die heutigen Fußballer sind wie Filmstars. Selbst schöne Frauen tummeln sich bei jedem Spiel auf der Tribüne!
Das heißt, die schönen Frauen kamen damals nur im Europacup?
Neuberger: Nicht einmal dann!
Stein: Wir haben nicht gut genug verdient.
Und worum beneiden Sie die beiden Veteranen, Alex Meier?
Stein: Bestimmt um unser Geld! (Lacht.)
Meier: Was habt ihr denn verdient?
Neuberger: Für meinen UEFA-Cup-Sieg 1980 bekam ich 16.000 Mark Prämie.
Meier: Dafür konntet ihr im Prinzip machen, was ihr wolltet. Es gab keine Handys, kein Internet. Wenn ihr mal in die Disco gegangen seid, hat es keinen interessiert. Über mich würde aktuell am nächsten Tag in etwa in der Zeitung stehen: „Verletzter Meier: Sauftour statt Reha!“
Stein: So verrückt haben wir nicht gelebt. Ich erzähle dir mal eine Geschichte: Ich teilte mir mit Hansi Eigenbrodt ein Doppelzimmer. Zwei Tage vor dem Finale gegen Madrid war ich in der Stadt unterwegs und musste kurz zurück ins Hotel, weil ich etwas vergessen hatte. Als ich ins Zimmer kam, war der Raum komplett abgedunkelt, aber in der Dunkelheit bewegte sich etwas. Im ersten Moment dachte ich: ein Einbrecher. Dann erkannte ich meinen lieben Mitbewohner. Er stand auf einem Sockel hinter dem Vorhang, rauchte heimlich eine Zigarette und blies den Qualm aus der Fensterluke. Der liebe Hansi – Gott hab ihn selig – hört heute wohl noch im Himmel, wie ich ihn da angeschrien habe.
Meier: Ich würde heute schon Schlagzeilen produzieren, wenn ich eine Flasche Cola zu viel tränke.
Neuberger: Wir durften früher beim Training nichts trinken, kein Wasser, gar nichts, das war verpönt. Abends hatte ich dermaßen Durst, dass ich mir Bier am Tresen bestellte. Und wenn mich der Trainer erwischte, durfte ich deswegen 50 Mark in die Mannschaftskasse zahlen.
Was kostet eine Flasche Bier bei Ihnen, Alex Meier?
Meier: Das kann ich nicht sagen, ich trinke keinen Alkohol.
Als Eintracht 1980 den UEFA-Cup gewann, war das ein Highlight der deutschen Fußballhistorie. Nimmt die Champions League heute der Europa League zu viel von ihrer Strahlkraft?
Meier: Der Wettbewerb hat durch die neue Regelung viel von seiner Attraktivität verloren. Ich fände es gut, wenn das alte Reglement wieder eingeführt würde: Nur der Meister spielt in der Champions League, Platz zwei bis fünf in der Europa League. Auch die K.-o.-Runden waren direkter, unmittelbarer als die heutige Gruppenphase.
Neuberger: Vier Fünftel der TV-Einnahmen fließen in die Champions League. Wenn man in der Vorrunde der Europa League ausscheidet, vorher aber für den Wettbewerb investiert hat, legt man am Ende vielleicht noch drauf.
Willi Neuberger, Sie wissen es als einziger in der Runde: Wie feiert man als Eintracht-Spieler einen Europapokalsieg?
Neuberger: Nicht anders als einen Sieg gegen Bayern München. Mit einem großen Essen im Hotel um die Ecke.
Mehr nicht?
Neuberger: Na gut, ein bis zum Rand mit Äppelwoi oder Champagner gefüllter UEFA-Cup macht so einen Abend schon außergewöhnlich.
Stein: Der Alex kommt ja aus Hamburg, deswegen an dieser Stelle ein wichtiger Hinweis: Äppelwoi entfaltet seinen Geschmack meist erst nach dem dritten Glas!
Meier: Aber ich trinke doch gar nicht!
Stein: Dann solltest du nach dem Titelgewinn lieber die Finger vom Pokal lassen.