Constantin Frommann ist Profi-Torwart beim SV Meppen. Stets an seiner Seite auf dem Weg dorthin war sein Vater Achim. Hier erklärt er, welche Rolle die Eltern in der Nachwuchsausbildung spielen.
Constantin Frommann hat es geschafft. Der heute 23-Jährige wechselte mit 12 Jahren in die Nachwuchsabteilung des SC Freiburg und durchlief als Torhüter alle Jugendmannschaften bis zur U23. Er wurde Junioren-Nationalspieler und gewann 2015 die Fritz-Walter-Medaille in Bronze. Schon mit 17 Jahren unterschrieb er seinen ersten Profivertrag. Heute steht Frommann beim Drittligisten SV Meppen unter Vertrag.
Von Anfang an mit dabei war sein Vater Achim Frommann. Der freiberufliche Fachjournalist und Medienexperte hat nun ein Buch mit dem Titel „Die allermeisten sind zahm: Ein Talent wird Fußballprofi – oder was Eltern auf diesem Weg leisten“ veröffentlicht. Es thematisiert die Entwicklung seines Sohnes vom kindlichen Talent bis hin zum Profifußballer und die Rolle der Eltern bei diesem Entwicklungsprozess.
Herr Frommann, Ihr Sohn Constantin ist 2010 mit 12 Jahren in das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des SC Freiburg gewechselt. Wie hat sich sein und Ihr Leben an diesem Tag verändert?
Am Anfang ging es noch schleichend, aber dann hat sich unser Leben relativ schnell auf den Kopf gestellt. Wir wohnen etwa 90 Kilometer weit weg von Freiburg. Das erste Jahr mussten wir Constantin noch selbst zum Training fahren, anschließend konnte er den Fahrdienst des SC Freiburg in Anspruch nehmen. Mit der Schule, den langen Fahrten zum Training und den Spielen am Wochenende wurde Zeitmanagement immer wichtiger. Ein weiterer Punkt, der sich geändert hat: Plötzlich wurde Constantin von außen als wichtigstes Kind der Familie wahrgenommen.
War er der Star der Familie?
Auf einmal wirst du von Menschen angesprochen, die sich mit dir freuen und dich fragen, wie es denn dem Fußballer in Freiburg so geht. Die Menschen vergessen aber, dass es da noch eine Familie mit weiteren Geschwistern gibt. Wir haben dann entsprechend reagiert und immer erstmal erzählt, wie es denn unseren anderen Kindern geht, wenn sie nach unserem „Fußballer“ gefragt haben.
Wie sind Constantins Geschwister damit umgegangen?
Unsere Tochter Emma war damals sechs Jahre alt, die ist einfach mitgeschwommen und konnte sich auch nicht wehren (lacht). Außerdem hat Constantin noch einen zwei Jahre älteren Bruder Maximilian, der ebenfalls Fußball spielt. Bei den beiden gab es zum Glück niemals eine Situation, in der es zu Streit, Neid oder Missgunst gekommen ist. Sein Bruder hat sich, aus Rücksicht auf die Gesamtbelastung unserer Familie, sogar mal gegen den Schritt zu einem größeren Verein entschieden, weil er bei Constantin gesehen hat, wie viel Zeit das in Anspruch nimmt.
Mit 15 Jahren ist Constantin ins Internat des SC Freiburg gegangen.
Dadurch wurde der organisatorische Aufwand weniger. Für ihn fielen die langen Fahrten weg, das waren jeden Tag rund drei Stunden. Constantin ist dann auch auf eine Kooperationsschule des SC Freiburg gewechselt, die Eliteschule des Fußballs ist. Für die Familie war sein Auszug natürlich extrem einschneidend. Das war einerseits für seine sportliche Entwicklung schön, aber er war mit seinen 14, 15 Jahren auch einfach weg. Das war für die ganze Familie hart, sehr emotional.
Wie hat der Einzug ins Internat Ihren Sohn verändert?
Er musste schneller erwachsen und selbständig werden. In Freiburg müssen die Spieler relativ viel selber machen, Wäsche waschen zum Beispiel. Das war sehr gut. Es sind auch Betreuungspersonal und Pädagogen da. Inzwischen gibt es sogar einen Psychologen. Er war in Freiburg aber auch in einem Internat, das eigentlich überhaupt gar keine Privatsphäre zuließ. Er lebte in einem sehr kleinen Zimmer, er musste sich mit einem anderen Jungen ein Waschbecken teilen. Duschen über den Flur. Es ist dort alles sehr offen.
Welche Regeln gab es noch?
Das Internet wurde ab 22 Uhr abgeschaltet. Wenn seine Kumpels abends im Kino sind oder noch ein Bierchen trinken, musste er um 22 Uhr zurück in das Internat. Constantin hatte zu der Zeit eine Freundin, die nicht bei ihm übernachten durfte. Freunde auch nicht. Selbst seine Schwester nicht. Es gibt auch Internate, bei denen die Eltern gar keinen Zutritt ins Internat haben. Die dürfen ihre Kinder nur in einem Begegnungszimmer sehen. Das ist ein Punkt, wo ich sage: Da würde ich mein Kind nicht hingeben.
Was bezwecken die Vereine mit den strengen Regeln?
Das System ist komplett auf den Sport ausgerichtet. Sicherlich wollen die Vereine kein Wanderzirkus sein, in dem Leute ein und aus gehen. Dann wäre der Kopf nicht mehr frei für den Sport. Allerdings geht an den Jungs dadurch oftmals das normale, echte Leben vorbei. Es ist nicht so einfach, morgens mit dem Fußball aufzustehen und abends mit dem Fußball ins Bett zu gehen. Sieben Tage die Woche. Du brauchst auch mal Auszeiten.
„Das sind Momente, in denen ihm manchmal die Decke auf den Kopf gefallen ist“
Talente sind ja auch nur ganz normale Jugendliche.
Natürlich. Und es gab auch Grenzüberschreitungen. Im Buch gibt es eine kleine Episode dazu. Constantin und seine Freunde waren 16 Jahre alt und wollten abends einen Freund feiern. Sie haben sich Getränke organisiert und wurden dabei beobachtet. Daran wurden dann mit Strafen ein Exempel statuiert. Wie andere Jugendliche einen Geburtstag feiern und mal ein Bierchen trinken, geht in dem Fall eben nicht. Natürlich versteht ein junger Mensch, dass Alkohol und Sport nicht unbedingt zueinander passen. Auf der anderen Seite sieht er die Normalität seiner Freunde um sich herum. Das sind Momente, in denen ihm manchmal die Decke auf den Kopf gefallen ist. Manchmal rief er an und man merkte, dass er gerade die Schnauze voll hat. Man darf eines nicht vergessen: Das ist genau die Zeit der Pubertät. Im Leistungsfußball gibt es sehr viele Einschränkungen, sodass die Jungs ihre Entwicklungen nicht ausleben können. Das ist eigentlich kontraproduktiv.
Wünscht man seinem Kind unter solchen Bedingungen überhaupt eine Profikarriere?
Wir haben natürlich mitgefiebert und haben ihn begleitet. Wir haben ihm aber immer signalisiert, dass es eine Hintertür gibt, die offen bleibt. Es ist kein Desaster, wenn er irgendwann das Gefühl hat, dass der Leistungsdruck zu groß ist oder andere entscheiden, dass sein Weg zu Ende ist. Im Gegenteil, er hat ja Tolles geleistet und die ganze Leistungsförderung angenommen. Wir haben ihm niemals gesagt, er muss Profifußballer werden. Es ist extrem wichtig, dass gerade die Eltern an dem Punkt die Beine auf dem Boden behalten. Über die Jahre wird es immer herausfordernder, weil irgendwann das Thema Geld dazukommt.
Ein kontrovers diskutiertes Thema im Jugendfußball.
Spätestens ab der Junioren-Bundesliga werden teils horrende Beträge gezahlt. Freiburg war damals sehr bodenständig. Ich gehe davon aus, dass das heute noch so ist. Die orientieren sich an den Beträgen, die der DFB vorschlägt. Die liegen ca. im dreistelligen Bereich. Durch Constantins Zeit beim DFB hat er aber auch mitbekommen, was in anderen Vereinen bezahlt wird. In machen Familien sind das Beträge, bei denen das Kind mehr verdient als der Vater oder die Mutter. Da fällt es schwer zu sagen, dass es in zwei Jahren vorbei sein kann und man immer nur Schritt für Schritt gehen sollte.