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Seite 2: Rechte Dominanz in den Fankurven

Aber Debatten oder Ideen, wie man dem Pro­blem begegnen könnte, gibt es nicht. Es gibt nie­manden, der große ana­ly­ti­sche Artikel über dieses Pro­blem schreibt“, sagt der Sport­jour­na­list Michail Bir­jukow aus Sankt Peters­burg. Und es ist auch nicht leicht mit Klubs, Spie­lern oder Fans dar­über zu spre­chen.“ Die Klubs müssten eben für das Fehl­ver­halten ihrer Fans bezahlen, meint Bir­jukow. Aber Ansätze für eine gezielte, auf lange Sicht ange­legte Arbeit mit den pro­ble­ma­ti­schen Fans gebe es nicht. So wie es in Deutsch­land mit den sozi­al­päd­ago­gi­schen Fan­pro­jekten der Fall ist.“

Rekru­tie­rungsort für den Nach­wuchs
 
Die Fan­kurven und aktiven Fan­szenen in Russ­land werden weit­ge­hend von Rechts­ge­sinnten domi­niert, die enge Ver­bin­dungen zu eta­blierten Neo-Nazi-Gruppen pflegen. Die wie­derum nutzen die Kurve als Rekru­tie­rungsort für ihren Nach­wuchs und das Sta­dion für ihre poli­ti­sche Pro­pa­ganda. Links­ori­en­tierte und alter­na­tive Fans, die im Sta­dion für eine Balance sorgen könnten, haben es schwer und leben gefähr­lich. Aktionen in den sozialen Medien wie die etwa von ZSKA-Moskau-Anhän­gern, die sich mit einer Kam­pagne gegen Ras­sismus in den rus­si­schen Sta­dien aus­spra­chen, sind selten. Und ohnehin sind die rus­si­schen Sta­dien nicht gut besucht. In der Saison 2013/14 waren es durch­schnitt­lich 11.384 Zuschauer – was doch auch damit zu tun haben könnte, dass der gemeine Sta­di­ongänger auch für den Nor­malo-Russen kein son­der­lich ange­nehmer Zeit­ge­nosse ist.

Häufig besteht auch eine enge Ver­qui­ckung zwi­schen rechter Fan­szene auf der einen Seite und Polizei, Klub­füh­rung oder büro­kra­ti­schen Struk­turen auf der anderen Seite. Ein Fan von Dynamo Moskau, der anonym bleiben will, sagt: Bei nor­malen Spielen sind viel­leicht 500 bis 1000 Leute in der Kurve. Unter dem Banner der Dynamo Ultras gibt es vor allem Hoo­ligan-Gruppen, die alle eine rechte Gesin­nung haben. Und es kommt nicht selten vor, dass solche Hoo­li­gans sogar für die Polizei, in der öffent­li­chen Ver­wal­tung oder sogar für Klubs arbeiten. Das ist häufig in Russ­land so.“
 
Dass Ras­sismus und Homo­phobie noch tief in der rus­si­schen Gesell­schaft ver­wur­zelt sind, ist kein Geheimnis. Tole­ranz wird in Russ­land nicht selten als west­liche Pro­pa­ganda“ dis­kre­di­tiert. Neben den Atta­cken gegen dun­kel­häu­tige Spieler in dieser Saison hat es Gesänge gegen Men­schen aus dem Kau­kasus gegeben“, erklärt Pavel Kly­menko, der für die Ini­ti­tia­tive Foot­ball Against Racism Europe (FARE) tätig ist. Und das passt zu der gene­rellen Xeno­phobie der rus­si­schen Gesell­schaft gegen Migranten und Leute aus dem Kau­kasus.“

Hat der Ver­band das Pro­blem doch erkannt?
 
Der Rus­si­sche Fuß­ball-Ver­band (RFS) habe das Ras­sismus-Pro­blem aber tat­säch­lich erkannt, meint Kly­menko. Fans, Spieler oder Klubs werden in vielen Fällen tat­säch­lich sank­tio­niert. Seitdem sie von Ras­sismus und Dis­kri­mi­nie­rung immer häu­figer nicht nur von inter­na­tio­nalen, son­dern auch von rus­si­schen Medien doku­men­tiert werden, wurde es schwer, das Pro­blem tot­zu­schweigen.“ Aber der RFS ver­stehe den Ras­sismus eben noch nicht in all seiner gesell­schaft­li­chen Tiefe. Des­wegen werden die Vor­fälle wie iso­lierte Ein­zel­fälle behan­delt. Es gibt eben noch keine Sys­te­matik, um nicht nur die Aus­wüchse, son­dern die Ursa­chen anzu­gehen. Und dabei ist klar, dass der Fuß­ball nicht alles alleine lösen kann, die die Gesell­schaft ohnehin hat. Aber Fuß­ball kann helfen, die Her­aus­for­de­rung anzu­gehen.“
 
Und wie könnte eine sys­te­ma­ti­sche Lösung aus­sehen? Kly­menko muss nicht lange über­legen. Er hat seine Ideen bereits häufig for­mu­liert. Punkt eins“, sagt er. Man muss die rechten Gruppen angehen und ihnen den Nimbus als ›Stimme der Fans‹ nehmen, um die Sta­dien für andere Fans und eth­ni­sche Min­der­heiten sicher zu machen. Man muss ihnen den Boden als Fans ent­ziehen.“ Zudem schlägt Kly­menko vor, alter­na­tive Fan­kul­turen zu unter­stützen, mar­gi­na­li­sierte Gruppen und Min­der­heiten ins Sta­dion zu holen, päd­ago­gi­sche Pro­gramme ein­zu­führen, um Fans und Klubs zu sen­si­bi­li­sieren. Außerdem sollten sich Ver­eine eigene Leit­li­nien geben, sie sollten sich sozial enga­gieren und gesell­schaft­liche Ver­ant­wor­tung in ihrem regio­nalen Umfeld über­nehmen. Dann stoppt Kly­menko, macht eine Pause und sagt schließ­lich: Ich weiß: alles leichter gesagt als getan.“