Jüngst wechselte Julian Gressel innerhalb der MLS von Atlanta United zu DC United. Im Interview spricht er über Partys und Enttäuschungen in Atlanta sowie seine Pläne, für die US-Nationalmannschaft aufzulaufen.
Julian Gressel, das letzte Mal haben wir vor etwas mehr als einem Jahr miteinander gesprochen. Damals standen Sie mit Atlanta United kurz vor dem Gewinn der Meisterschaft. „Wenn wir dann auch noch den Titel holen, wird die ganze Stadt zu einer einzigen, gigantischen Party“, sagten Sie damals. Hat sich die Prophezeiung erfüllt?
Absolut. Die ganze Woche war Party. Erst waren wir nach dem Spiel bis in die frühen Morgenstunden unterwegs, dann hatten wir ein paar Tage später eine riesige Parade mit mehreren hunderttausend Menschen in den Straßen. Meine Familie war auch dabei. Dieses Gefühl mit ihnen teilen zu können und mit der ganzen Stadt zu feiern war einmalig.
Was hat sich seitdem getan?
(Lacht.) Insbesondere in den letzten beiden Monaten natürlich eine Menge. Nach dem MLS-Cup-Gewinn mit Atlanta United hat sich allerdings gar nichts großartig verändert. Wobei, Moment. Das nehme ich zurück. Einen Monat nach dem Finale habe ich meine Frau geheiratet.
Und sportlich?
Die folgende Saison lief unter dem neuen Trainer Frank de Boer etwas langsam an. Wir sind unglücklich in den Playoffs gescheitert, gewannen aber trotzdem den Pokal und eine Art Supercup, den der MLS-Cup-Sieger und der mexikanischer Meister untereinander ausspielen.
Das klingt doch gar nicht so schlecht.
Nein, absolut nicht. Aber am Ende des Jahres war für mich klar, dass ich entweder einen neuen, besseren Vertrag unterschreibe oder woanders hingehe. Ich war wieder Leistungsträger, hatte acht Mal getroffen und 13 Tore aufgelegt. Nach den ersten Gesprächen hat sich mein Abschied ziemlich eindeutig abgezeichnet. Atlanta war nicht bereit, mir einen ernsthaft verbesserten Vertrag anzubieten.
Welche Optionen hatten Sie?
Die Idee war schon, auf dieser Seite des Atlantiks zu bleiben. Klar war das für mich interessant, was da vielleicht aus Europa kommt. Aber im Winter wollen die Klubs Spieler, bei denen sie sicher sein können, dass sie direkt eine Verstärkung sind. Da ist das Label MLS immer noch ein Hindernis. Verschiedene Klubs waren dran, trauten mir die Umstellung zu. Im Endeffekt waren sie sich aber nicht sicher, wie lange meine Eingewöhnungszeit wohl dauern würde und wollten mich lieber im Sommer haben. So lange wollte ich aber nicht warten. Außerdem habe ich mir hier einen wirklich guten Namen gemacht. In der MLS gab es viele Vereine, die mich sehr gerne verpflichten wollten. Ich bin nicht gezwungen, es auf Biegen und Brechen in Europa zu versuchen.
„Ich habe in Atlanta keinen angemessenen Vertrag bekommen“
Im Endeffekt ist es DC United aus der US-Hauptstadt Washington D.C. geworden.
Mit dem Klub konnte sich Atlanta einigen. Meinen eigenen Vertrag habe ich zwar noch nicht unterschrieben, das wird aber in den nächsten Tagen passieren. Keine Sorge, in ein paar Monaten können dann auch alle die Gehaltsdetails einsehen, die werden hier ja transparent veröffentlicht. (Lacht.)
Gegenüber „The Athletic“ haben Sie Ihre Enttäuschung über die mangelnde Verhandlungsbereitschaft von Atlanta ziemlich deutlich gemacht. In Europa gehe es nur noch um fünf oder sieben Millionen, in Ihrer Situation in der MLS um die eigene Zukunft. Ist das Gehaltsgefüge tatsächlich so verschieden oder lag es an Atlanta?
Es liegt vor allem am Salary Cap und wie die Klubs das nutzen. Ich verstehe diese Zwänge auch. Atlanta agiert da ohnehin immer am Maximum. Dennoch habe ich mir im Vergleich zu anderen Spielern in der Liga einen angemessenen Vertrag gewünscht. Den habe ich in Atlanta nicht bekommen. Die Prioritäten lagen woanders.
Hat das den Abschied vielleicht auch einfacher gemacht? Ein bisschen Wehmut ist ja sicher dabei, schließlich war Atlanta ihre erste MLS-Station und Sie haben dort schon im zweiten Jahr die Meisterschaft gewonnen.
Ich habe definitiv mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Situation geblickt. Uns hat es in Atlanta hervorragend gefallen, wir wollten nicht weg. Das wird auch so bleiben: Wenn ich an Atlanta denke, werde ich immer ein Lachen im Gesicht haben. Aber aus der eigenen Comfort Zone auszubrechen, das ist eine riesige Chance. Nicht zuletzt fußballerisch.