Jüngst wechselte Julian Gressel innerhalb der MLS von Atlanta United zu DC United. Im Interview spricht er über Partys und Enttäuschungen in Atlanta sowie seine Pläne, für die US-Nationalmannschaft aufzulaufen.
Dann schauen wir nach vorne. Der Vertrag bei DC United ist zwar noch nicht unterschrieben, im Training sind Sie aber schon. Wie sind die ersten Eindrücke?
Ganz anders als in Atlanta, so viel ist sicher. Alles ist sehr familiär. Und der Klub ist natürlich schon viel länger in der Liga. Quasi ein MLS-Traditionsverein. Ich wurde super aufgenommen. Die neuen Kollegen und Trainer konnten ebenfalls nicht verstehen, wie Atlanta die Situation gehandhabt hat. Aber sie freuen sich umso mehr, dass ich da bin. Die Mannschaft macht einen Neustart nach dem Abgang der Stars, Lucho Acosta und natürlich Wayne Rooney.
Welche Rolle trauen Sie sich in der neu organisierten Mannschaft zu?
Ich gehe davon aus, dass ich weiterhin Stammspieler sein werde. Meine Rolle wird aber eine etwas andere sein. In DC gibt es keine Stars mehr, in deren Schatten man stehen kann. Die Augen werden logischerweise mehr auf mich gerichtet sein.
Das waren sie schon in Atlanta, wo die Menschen Sie auf der Straße erkannt haben, Fotos und Autogramme wollten. Wie ist Ihr Standing landesweit und jetzt in Washington D.C.?
Die Fans hier haben sehr positiv reagiert. Wie es sich im Alltag gestalten wird, kann ich noch nicht einschätzen. Es ist aber in der ganzen Liga bekannt, dass Atlanta die besten Fans hat. Die Community in der Stadt ist überragend. Und sie waren auch ganz schön sauer, dass das Management mich hat ziehen lassen. Das nennt man wohl gegenseitige Wertschätzung.
„Ich freue mich jedes Mal, wenn meine Mutter mir Zeitungsausschnitte aus der Lokalpresse schickt“
Apropos Wertschätzung: Die erfahren Sie auch in Deutschland, zumindest in Ihrer Heimatstadt Neustadt an der Aisch. 2019 wurden sie Sportler des Jahres, kurz vor Weihnachten durften Sie sich ins goldene Buch der Stadt eintragen.
(Lacht.) Ja, der Bürgermeister hatte wohl mitbekommen, dass ich im Lande bin. Das ist großartig, diese kleine Stadt, wo jeder jeden kennt und ich eben auch – das macht mich richtig stolz. Die Urkunde bekommt einen besonderen Platz, weil sie eben aus der Heimat kommt. Daher, wo ich aufgewachsen bin. Wo mich die Leute verfolgen, obwohl ich so weit weg bin. So blöd das klingt, aber ich freue mich jedes Mal, wenn meine Mutter mir Zeitungsausschnitte aus der Lokalpresse schickt.
Umgekehrt haben Sie Neustadt an der Aisch auch in den USA berühmt gemacht.
Da hatte vorher wohl noch nie jemand von der Stadt gehört. Und jetzt sagen sie es vor jedem Spiel durch: „From Neustadt an der Aisch – Julian Gressel!“ Meine Eltern lachen immer noch darüber.
Gibt es bald die erste Städtepartnerschaft?
Ich werde mal schauen, was sich machen lässt.
Die deutsch-amerikanischen Beziehungen werden Sie vielleicht bald auch auf anderen Ebenen vorantreiben: Es gibt Gespräche mit der US-Nationalmannschaft.
Mein Berater hat sich mit dem Nationaltrainer Gregg Berhalter unterhalten, ja. Ich bin ja schließlich schon ewig hier. Ich glaube, sieben Jahre schon… wow. Letztes Jahr habe ich meine Greencard bekommen. Und nach weiteren drei Jahren kann man den amerikanischen Pass beantragen. Es ehrt mich, dass die Leute jetzt schon an die Nationalmannschaft denken. Wenn es soweit ist, können wir uns gerne darüber unterhalten.
Zum DFB gibt es keinen Kontakt?
Nein. Aber würde da ein Anruf kommen, würde ich keine Sekunde zögern und sofort ja sagen.