Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Jetzt ist es amt­lich: Das WM-Finale 2022 findet am vierten Advent statt, am Natio­nal­fei­ertag des Aus­rich­t­er­landes Katar. Frohe Weih­nachten! Damit sind alle Absur­di­täten durch­de­kli­niert, die im Rahmen der Ver­gabe in ein fuß­ball­fernes Land wie den Zwerg­staat im Nahen Osten hier­zu­lande erwartet wurden. Natür­lich ist das Geschrei im selbst­be­wussten Deutsch­land, das sich in jeder Hin­sicht mit der Ver­än­de­rung seiner Sicht­weisen schwer tut, nun noch einmal beson­ders laut. Über was haben wir uns seit dem Moment, in dem Sepp Blatter das Katar-Kärt­chen aus dem Umschlag nes­telte, nicht schon alles echauf­fieren müssen: Die Bul­len­hitze in den Som­mer­mo­naten im Wüs­ten­staat. Den öko­lo­gi­schen Wahn­sinn, im Zwei­fels­fall die Sta­dien run­ter­zu­kühlen. Die übli­chen FIFA-Mau­sche­leien bei der Ver­gabe. Sünd­haft teure Sta­di­on­neu­bauten, die vor und nach der Welt­meis­ter­schaft kein Mensch mehr braucht. Skla­ven­ar­beit. Und als Cock­tail­kir­sche in diesem explo­siven Mix aus Mei­nungen, Wahr­heiten, Halb­wahr­heiten und Polemik jetzt: Das Tur­nier findet zwi­schen dem 20. November und 18. Dezember 2022 statt.

So viel ist klar: die WM in Katar ist Irr­sinn

Die Wahr­heit ist und bleibt: Eine WM in Katar ist Irr­sinn. Ein welt­um­span­nendes Sport­er­eignis in ein Land so groß wie Hessen zu ver­geben, in dem sich bis­lang kaum jemand für Fuß­ball inter­es­sierte, ist das Ergebnis von Grö­ßen­wahn – beim Bewerber wie beim Ver­ge­benden. Daran hat sich durch die Ver­le­gung in den Winter nichts geän­dert. In Katar erkauft sich ein Herr­scher mit der Aus­rich­tung welt­weite Wahr­neh­mung und Aner­ken­nung bei der rei­chen Bevöl­ke­rung seines Landes. Und die FIFA demons­triert wie gewohnt ohne Rück­sicht auf poli­ti­sche Befind­lich­keiten, öko­lo­gi­sche Mach­bar­keit oder wirt­schaft­liche Belast­bar­keit des Aus­rich­t­er­landes ihre Bedeu­tung als Welt­macht. Sie tut es angeb­lich, um den Fuß­ball als Iden­ti­täts- und Frie­dens­stifter auch in ent­le­genen Berei­chen der Erde populär zu machen. Natür­lich ver­gibt sie ihr Pre­mi­um­pro­dukt WM“ aber in erster Linie – wie es sich für ein flo­rie­rendes Unter­nehmen gehört – unter Aspekten der Gewinn­ma­xi­mie­rung. So weit, so schlecht. Aber nichts Neues!

Jetzt anzu­pran­gern, dass der euro­päi­sche Fuß­ball­ka­lender umge­schrieben werden muss, wäre heuch­le­risch. Die Ver­bände wussten, worauf sie sich ein­lassen. Sport­me­di­zi­nisch ist es ohnehin der einzig gang­bare Weg, das Tur­nier im Winter aus­zu­tragen. Wel­cher Funk­tionär will die Ver­ant­wor­tung über­nehmen, wenn bei 50 Grad und mehr die hoch­be­zahlten Top-Stars rei­hen­weise kol­la­bieren? Lösen wir uns also mal von der euro­zen­tri­schen Sicht, dass WM immer im Sommer statt­finden muss, lassen sich dem neuen Plan durchaus posi­tive Aspekte abge­winnen:

1.
Wir sehen in Katar vor­aus­sicht­lich das sport­lich beste Tur­nier aller Zeiten, da die Spieler der euro­päi­schen Klubs nach der Hin­runde voll im Saft in den Nahen Osten kommen – und nicht wie sonst aus­ge­laugt nach Sai­son­ende.
 
2. 
Nach reichs­par­tei­ta­g­ähn­li­chen Massen-Public-Vie­wings, die die Tur­niere der jün­geren Ver­gan­gen­heit in Deutsch­land beglei­teten, ver­spricht Katar eine Zeit der Ein­kehr zu werden. Die Hal­len­ka­pa­zi­täten werden deut­lich schneller aus­ge­schöpft sein, als ein Gelände wie etwa die Straße des 17. Juni“ in Berlin. Die Folge: Viele Spiele werden wohl im engeren Freun­des­kreis oder in der Familie ange­schaut. Back to basics. Pas­send zur Advents­zeit.
 
3. 
Die end­lose Dis­kus­sion, ob nun Boxing Day oder Win­ter­pause die bes­sere Vari­ante für mit­tel­eu­ro­päi­schen Fuß­ball ist, wird end­lich einem sinn­vollen Belas­tungs­test unter­worfen, aus dem alle Betei­ligten ihre Schlüssen ziehen können.
 
4. 
Die Som­mer­pause 2015 wird deut­lich kürzer aus­fallen. All jene, die im Juni und Juli gene­rell unter Ent­zugs­er­schei­nungen leiden, sind nicht mehr so lang auf Turkey.

5. 
Wenn wir am lodernden Kamin die Spiele ver­folgen, sollten unsere Gedanken bei den Süd­ame­ri­ka­nern und Süd­afri­ka­nern sein, die nun das erste Mal in ihrer TV-Geschichte eine WM im Sommer erleben dürfen. 

6.
Wer das Geld und die Mög­lich­keiten hat, sich das Tur­nier vor Ort anzu­schauen, erlebt einen lauen Spät­sommer mit kurzen Fahr­wegen und einem hohen Kom­fort. Und soeben hat Vize-OK-Chef Nasser Al-Khater ein wei­teres Hor­ror­sze­nario für die deut­schen Fans aus­ge­schlossen: Alkohol ist weder Teil unserer Kultur noch unserer Tra­di­tion, dafür aber unsere Gast­freund­lich­keit. Katar hat die Tür für Men­schen aus aller Welt geöffnet. Wir werden eine Balance finden, die sinn­voll ist. Es wird kein Pro­blem geben.“ Puh!

7. 
Da nun alle Bedenken umfas­send doku­men­tiert und ein Teil der ärgsten Befürch­tungen ein­ge­treten sind, wäre es an der Zeit, sich mit der Rea­lität zu befassen: Wir leben in poli­tisch undurch­sich­tigen Zeiten. Ein grö­ßeres Ver­ständnis zwi­schen der west­li­chen und der isla­mi­schen Welt wäre drin­gend not­wendig, wenn sich die Welt zu einem bes­seren Ort ent­wi­ckeln soll. Inso­fern sehen wir die WM in Katar – nun da sie offenbar unwi­der­ruf­lich statt­finden wird – und die acht Jahre auf dem Weg dorthin, in denen wir viel über die Region erfahren können, als Chance für ein bes­seres Ver­ständnis und eine Annä­he­rung. Ein sei­fige Utopie? Hip­pie­esker Scheiß­dreck? Gut mög­lich. Aber wenn sich der Wahn­sinn eh Bahn bricht, zumin­dest ein frommer Wunsch für eine besinn­liche Advents­zeit. In diesem Sinne: Frohes Fuß­ball­fest!