Eigentlich wollte der 1. FC Köln Fritz Esser als neuen Medienchef einstellen. Dann fanden Effzeh-Fans alte Tweets und Texte vom früheren „Bild“-Mann. Über eine peinliche Woche in Köln.
In anderen Tweets äußerte sich der 39-Jährige durchaus wohlwollend über die AfD, beispielsweise als der AfD-Abgeordnete Bernd Baumann im Bundestag in einer Rede gesagt hatte, dass „der alte Bundestag“ abgewählt sei und „das Volk entschieden“ habe und nun eine „neue Epoche“ beginnen würde. Essers Kommentar auf Twitter dazu: „Diese Schelle von #AfD-Mann Baumann hat sich der #Bundestag redlich verdient.“ Am Dienstagabend stellte Esser klar, dass dieser Tweet „Kritik am Bundestag ausdrücken“ sollte, aber wie „Zustimmung für die AfD“ klinge.
Mindestens ebenso schlimm waren für einige FC-Fans mehrere Texte, die Esser als Redakteur bei der „Bild“-Zeitung geschrieben hatte. Darin hatte er sich mehrfach kritisch über die deutsche Asylpolitik geäußert. In einem YouTube-Video fragte er beispielsweise, warum „wir die Falschen“ abschieben würden. Anlass war ein Kameruner, der sich in Deutschland aufhielt, obwohl, so Esser, „seine Einreise und sein Aufenthalt in Deutschland eine Straftat sind“. Obwohl das nicht zutraf. Dennoch war der Kameruner das perfekte Aufreger-Thema aus Sicht der „Bild“-Redaktion.
Danach legte Esser ganz auf Blattlinie nach und schrieb in der Zeitung: „Wer sich wundert, warum so viele Menschen den Glauben an die Politik und die etablierten Parteien verlieren: Dieser Fall erklärt es. Wer Rechtstreue nur von seinen Bürgern, aber nicht von Asylbewerbern verlangt, verspielt das Wichtigste für den Zusammenhalt in der Gesellschaft: Vertrauen.“ In einem anderen Text schrieb er über „sozialistische Parolen“ des damaligen Juso-Chefs Kevin Kühnert, die er für „gefährlich“ halte.
„Ein wichtiger Sieg im Abstiegskampf…“
Den FC-Fans blieb das Ganze nicht verborgen, sie sammelten Screenshots aus den Texten und Tweets in Collagen, die sich schnell verbreiteten. Menschen mit größerer Reichweite forderten eine Stellungnahme des 1. FC Köln, darunter Carolin Kebekus, der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans und die Kölner Band Kasalla. Vereinslegende Lukas Podolski meldete sich mit wütenden Emojis aus der Türkei. Zwischenzeitlich war auch eine Petition aufgesetzt worden, bei der mehr als 6.000 Unterschriften gesammelt werden konnten.
Der öffentliche Druck auf Vorstand und Geschäftsführung wuchs, auch weil die Entscheidung pro Esser einstimmig ausgefallen war. Unter der Federführung des Vorstands war zuvor ein mehrmonatiger Auswahlprozess samt Begleitung durch eine Headhunting-Agentur durchgeführt worden. Offenbar war aber niemand auf die Idee gekommen, sich die Tweets von Esser genauer anzuschauen. Am Mittwochnachmittag gab der Verein dann bekannt, auf die angekündigte Zusammenarbeit mit Esser zu verzichten.
In einem gemeinsamen Statement betonten Wolf und Wehrle, dass „Toleranz, Fairness, Offenheit und Respekt“ zentrale Werte der FC-Charta seien. „Beim Auswahlprozess sind Fehler gemacht worden. Seit der Veröffentlichung haben uns Vorwürfe erreicht, die wir vorher hätten prüfen müssen. Daraus werden wir Konsequenzen ziehen“, sagten sie. Beide baten Mitglieder und Fans danach um Entschuldigung.
Esser selbst betonte, hinter der FC-Charta zu stehen und „fälschlich als Nazi und AfD-Sympathisant“ bezeichnet worden zu sein. Zu seiner Kritik an den FC-Fans, die er in seiner Position als Abteilungsleiter beim Verein eigentlich auch vertreten sollte, sagte oder schrieb er allerdings nichts mehr. Lukas Podolski meldete sich erneut per Twitter, applaudierte per Emoji und schrieb: „Ein wichtiger Sieg im Abstiegskampf…“
Für den Vorstand des Vereins, der zudem aktuell noch in größeren finanziellen Nöten zu sein scheint, war die Causa Esser eine herbe Niederlage. Der Auswahlprozess erscheint unprofessionell, wenn die Twitter-Vergangenheit eines „Kommunikationsexperten“ (Zitat Wehrle) im Vorfeld nicht genauer unter die Lupe genommen wurde. Bei der nächsten Mitgliederversammlung, die spätestens bis Ende Juni durchgeführt werden muss, dürfte neben den Finanzen auch das Thema Personalsuche hitzig von den Mitgliedern diskutiert werden.
Fans und Mitglieder des 1. FC Köln konnten allerdings zeigen, dass für sie die FC-Charta mehr ist als nur leere Worte. Auch der Mitgliederrat, das höchste Aufsichtsgremium des Klubs, positionierte sich eindeutig gegen Esser. Sie alle zeigten, dass sie trotz momentan für Publikum geschlossener Stadien für ihre Werte eintreten und ihren Verein nicht gänzlich den Entscheidern überlassen.