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Heute vor 20 Jahren starb Fritz Walter. Der Text über den Welt­meister von 1954 erschien erst­mals im 11FREUNDE Spe­zial Die 50er Jahre“. Das Heft gibt es bei uns im Shop.

Es sind die Worte der anderen, die aus Men­schen Mythen machen: Es gibt drei Grün­dungs­väter der Bun­des­re­pu­blik: poli­tisch ist es Ade­nauer, wirt­schaft­lich Erhard und mental Fritz Walter.“ Der His­to­riker Joa­chim Fest ver­legte das Grün­dungs­datum der Bonner Repu­blik vom 23. Mai 1949 kur­zer­hand auf den 4. Juli 1954 – den Tag des WM-End­spiels von Bern. Ab diesem Tag war Deutsch­land wieder wer. Laut Fest: vor allem dank Fritz Walter.

Unzwei­fel­haft ist Kai­sers­lau­terns berühm­tester Sohn eine der am meisten ver­ehrten wie ver­klärten Per­sön­lich­keiten der deut­schen Sport­ge­schichte. Sein Leben und Wirken wurde hun­dert­fach erzählt und auf Über­le­bens­größe poten­ziert. Pfälzer Hei­ligtum ist er ohnehin, dazu Jahr­hun­dert­fuß­baller, Vor­zei­ge­cha­rakter und für nicht wenige eben auch natio­naler Sinn­stifter. Aber vor allem natür­lich: Bern. Immer wieder Bern. Her­berger tak­tierte, Turek parierte, Rahn traf – und doch ist das Wunder von Bern für alle das Wunder von Fritz Walter.

Image des edlen Krie­gers

Wer war dieser Mann wirk­lich, wie dachte, wie fühlte er, wie spielte er das Spiel, das die Massen wie kein zweites in seinen Bann zieht?

Es ist nicht leicht, den Mythos zu durch­dringen, mit dem der Mensch Fritz Walter in dem halben Jahr­hun­dert seit Bern umhüllt worden ist. Ganze Gene­ra­tionen erzählten Wun­der­dinge nach, die sie vom Hören­sagen kannten; die wenigen Bewegt­bilder, die es aus Wal­ters aktiver Zeit gibt, sind immer und immer wieder gesendet worden und zeigen aus­schließ­lich tri­um­phale Momente. Sie erzeugen ein Image des edlen Krie­gers. Doch was befindet sich unter dem Hel­den­ge­wand?

Der Vater des Erfolgs

Ein Blick zurück zum Ursprung des Ruhms, nach Bern, zum 4. Juli 1954. Die Zeiger der Sta­di­onuhr gehen auf sieben Uhr zu. Fritz Walter schaut ehr­fürchtig hinauf zum Red­ner­pult. Mit einem tiefen Diener ergreift er die Hand, die ihm der Gra­tu­lant im feinen Anzug reicht, FIFA-Prä­si­dent Jules Rimet. Das Haar, zwei Stunden zuvor noch sorg­fältig aus der Stirn fri­siert, hängt Walter nun in dunklen, nassen Strähnen bis über die Augen­brauen.

Mit hän­genden Schul­tern schleicht der pitsch­nasse Kapitän hin­über zu seiner Mann­schaft. In der rechten Hand hält er den Gold­pokal. Geht so ein Sieger? Am Spa­lier seiner Mit­streiter vorbei erreicht er Sepp Her­berger, den trench­coat­tra­genden Vater dieses Erfolgs. Ihm will er die Tro­phäe in die Hand drü­cken, diese unge­heure Last. Doch der Chef will davon nichts wissen, er dreht seinen besten Spieler ener­gisch, fast barsch am Arm halb um die eigene Achse.

Fritz Walter muss nun Foto­grafen, Offi­zi­ellen, den Massen auf der Tri­büne direkt in die Augen sehen. Die Öffent­lich­keit wird ihren Blick nicht mehr abwenden. Dieser Mann mit den trau­rigen Augen ist – auf ewig – der Welt­meister aller Deut­schen.