Der deutsche Mittelfeldspieler Sidney Friede schlug beim DAC Dunajska Streda ein wie eine Bombe – und lässt die Social-Media-Kanäle des slowakischen Erstligisten förmlich überschwappen.
Wer wissen will, wie Dominanz in Zahlen aussieht, sollte sich die bisherige Saisonbilanz des DAC Dunajska Streda anschauen: Fünf Spiele, fünf Siege und 18:3 Tore stehen für die Mannschaft des deutschen Trainers Bernd Storck zu Buche. Bedeutet: Platz eins in der ersten slowakischen Liga. Maßgeblich beteiligt am Erfolg des Vorjahres-Dritten ist ein Mittelfeldspieler aus Berlin: Sidney Friede, ausgebildet in der Jugend von Hertha BSC, vergangene Saison mit dem SV Wehen Wiesbaden aus der 2. Liga abgestiegen. In den ersten fünf Partien für Dunajska Streda traf der 22-Jährige zweimal selbst und bereitete einen weiteren Treffer mustergültig vor. Läuft.
Doch es sind nicht nur die sportlichen Eckdaten, die den ablösefreien Neuzugang in Dunajska Streda zum Volltreffer werden ließen. Seit Friedes Ankunft in der vorwiegend von ethnischen Ungarn bewohnten 22.000-Seelenstadt ereignet sich auch neben dem Rasen Bemerkenswertes: Die Social-Media-Gefolgschaft des DAC schießt förmlich durch die Decke. Der offizielle Instagram-Account @fcdac1904 weist laut Branchendienst socialblade.com bis zu 3.500 neue Follower aus – pro Woche! Und das bei einem Verein, der zuvor gerade mal 25.000 Follower vorweisen konnte. Inzwischen liegt der DAC Dunajska Streda bei weit über 37.000, eine Steigerung um rund 50 Prozent. In nur eineinhalb Monaten. Der Suchmaschinen-Gigant Google vermeldete zuletzt sogar mehr Suchanfragen für den DAC als für den Hauptstadtklub Slovan Bratislava, der vom Selbstverständnis her so eine Art FC Bayern der Slowakei ist.
Bernd Storck dürften Social-Media-Zahlen herzlich egal gewesen sein, als er sich im Sommer mit der Personalie Sidney Friede befasste. Der Trainer-Routinier, nicht erst seit seiner Zeit als Assistenzcoach bei der Hertha (1996 bis 2002) in Berlin bestens vernetzt, hatte das einstige Supertalent bereits Anfang 2019 leihweise zu seinem damaligen Klub Royal Excel Mouscron nach Belgien geholt. Dort halfen Storck und Friede maßgeblich mit, den Abstieg zu verhindern. Nach der sechsmonatigen Feuerwehr-Mission war jedoch Schluss – für Storck und für Friede, den die Hertha-Bosse Anfang 2020 ablösefrei nach Wiesbaden ziehen ließen.
Sidney Friede, so argwöhnte mancher in der Branche, sei zwar außerordentlich begabt, habe jedoch zu viele andere Dinge neben dem Fußball im Kopf. Der Sohn einer deutschen Mutter aus Berlin und eines nigerianischen Vaters ist begeisterter Gamer, Youtuber, Twitcher und Instagramer. Schon in Berliner Zeiten zockte er gern FIFA mit seinem Kumpel Elias Nerlich, dem professionellen eSportler von Hertha BSC. Irgendwann begann Friede, seine eigenen „Sessions“ an der Playstation auf der Streaming-Plattform Twitch zu übertragen. Während des Corona-Lockdowns nahm er zudem für den SV Wehen Wiesbaden an der „Bundesliga Home Challenge“ der DFL teil und besiegte HSV-Profi Tim Leibold souverän mit 3:0. Viele Fußball- und Gaming-Fans verfolgten derlei Spiele live im Netz. Manche aus Langeweile, andere aus Interesse.
Sidney Friede war zu diesem Zeitpunkt längst ein Internet-Pro und ein echter Experte in Sachen Selbstvermarktung. „Ich bin auf Social Media sehr aktiv, seit ich ungefähr 15 bin“, verrät der Schlaks mit dem Undercut im Youtube-Talk des DAC Dunajska Streda. „Das kam eigentlich durch den Elias Nerlich, der ein guter Freund von mir ist und dann irgendwann als eSportler zur Hertha kam. Wir haben zusammen Youtube-Videos gemacht, beziehungsweise: Ich habe ihm ein bisschen geholfen, und so hat sich das entwickelt. Elias ist gerade auch ziemlich erfolgreich mit Youtube, und da wir immer connected sind, viele Videos gemeinsam machen und zusammen chillen, haben wir uns gegenseitig hoch gepusht. Sagen wir’s mal so.“
Friede weiß genau, welche Action die Community im Netz sehen will: An einem Tag reißt er nach einem Gegentor beim FIFA spielen die Playstation aus der Wand und schmeißt sie (fast) aus dem Fenster. Ein anderes Mal schneidet er einem Kumpel die Haare, warum nicht? Youtube-Kids lieben diesen es. Und Sidney Friede (Instagram-Follower: ca. 136.000; Twitch: rund 100.000; Youtube: gut 43.000) hat längst einen riesige Anhängerschaft, die ihm überallhin folgt. Sogar bis ins süd-slowakische Dunajska Streda.
„Ich war überrascht von dem Gelände“
Ob er es nun will oder nicht: Sidney Friede ist ein Influencer. Wobei man diesen Begriff differenziert sehen muss. Mit seiner gegenwärtigen Reichweite ist der Youngster keiner, der mal eben die ganze Welt beeinflusst wie Cristiano Ronaldo oder Neymar. Laut Branchen-Definition ist der Slowakei-Legionär eher so eine Art Micro-Influencer: Friede hat eine kleine, aber treue Fangemeinde mit klar umrissenem Interessengebiet: Games, Fußball, Blödsinn. Davon profitiert nun auch der DAC Dunajska Streda, dessen Partien Friede neuerdings fachkundig-lustig bei Youtube analysiert. Auch das steigert die Reichweiten des Klubs.
Das österreichische Sportmarketingportal sportbusiness.at wittert hinter dem Friede-Effekt beim DAC sogar eine Blaupause für kleine Klubs, die ihre Social-Media-Reichweiten ausbauen wollen: „In diese Nische könnten daher auch österreichische Vereine mit Spielern mit ausbaufähiger Reichweite stürmen“, schreiben die Experten aus der Alpenrepublik. „Micro-Influencer“, so sportbusiness.at, fänden sich schließlich „in allen Klubs“, es seien „nicht nur die Topstars, die mit ihren Media-Werten interessant sind als Werbeträger, Botschafter sowie Content-Quellen“.
Wobei Sidney Friede sein Aufgabengebiet beim DAC Dunajska Streda dann doch vorrangig auf dem Rasen sieht: „Ich bin hierher gekommen ohne große Erwartungen und war überrascht von dem Gelände, das wir hier haben. Das würde ich mit den Top-Fünf der Bundesliga vergleichen. Meine Ambitionen lauten, mit Toren und Assists dabei zu helfen, dass wir hoffentlich die Europa-League-Qualifikation schaffen und vielleicht auch Slovan Bratislava im Kampf um die Meisterschaft hinter uns lassen.“ Gerade Letzteres könnte gewaltige Social-Media-Effekte nach sich ziehen – für Friede und für seinen neuen Klub.