Willi Landgraf liebt Pommes Schranke und Schornsteine. Kein Wunder, dass er nie aus dem Ruhrpott wegwollte. Aber warum kickte er eigentlich nie in der Bundesliga?
Willi Landgraf, verraten Sie uns zu Beginn: Was müssen gute Pommes frites haben?
Wichtig sind drei Portionen Mayonnaise. Dann noch etwas Ketchup drüber, die gute alte Schranke. Wenn die Pommes richtig schwimmen, ist’s perfekt. Natürlich fühlst du dich danach echt schlecht – gleichzeitig aber auch total gut.
So haben Sie sich als Profi ernährt?
Am liebsten hätte ich jeden Tag Pommes gegessen, aber ich musste natürlich auch etwas auf die Fitness achten. Schlimm war es übrigens auf dem alten Tivoli. Da war es so zugig, dass der Pommes- und Wurstgeruch von den Buden direkt aufs Spielfeld wehte. Oft bekam ich vor dem Anpfiff einen wahnsinnigen Kohldampf. In der Halbzeit habe ich den Hunger dann mit Bananen und Powerriegeln gestillt.
Was haben Ihre Mitspieler gesagt?
Die haben eh gedacht, ich sei wahnsinnig. Zu meinem 500. Zweitligaspiel schenkten mir meine Homburger Jungs Pommes-Gutscheine im Wert von 500 Euro.
Sie sind mit insgesamt 508 Partien Rekordspieler der zweiten Bundesliga. In der ersten Liga haben Sie allerdings nie gespielt. Warum nicht?
Ich hatte nie ein Angebot.
Kaum vorstellbar.
War aber so. Es gab nicht mal vage Anfragen. Vielleicht lag es daran, dass ich nie einen Berater hatte. Ich wollte immer alles selbst regeln.
Oder wollten Sie gar nicht in der Bundesliga spielen? Als Sie im Sommer 2006 mit Aachen den Aufstieg schafften, beendeten Sie Ihre Profikarriere.
Ich hatte am Ende der Saison ein gutes Gespräch mit Jörg Schmadtke (damals Sportdirektor bei Alemannia Aachen, d. Red.). Er sagte: „Willi, wenn du jetzt aufhörst, wirst du den Leuten als Zweitligalegende im Gedächtnis bleiben.“ Anfangs habe ich ihn nicht verstanden. Heute denke ich, dass es der richtige Schritt war.
Ein Jahr später wären Sie trotzdem beinahe zu einem Bundesliga-Einsatz gekommen.
Ich wechselte nach meiner Aachener Zeit zur zweiten Mannschaft von Schalke 04 und machte nebenbei meinen Trainerschein. Irgendwann hatte die erste Mannschaft so viele Verletzte, dass Mirko Slomka mich zu den Profis hochholte. Zu einem Einsatz hat es leider nicht gereicht.
Was bedeutet Ihnen der Zweitligarekord?
Das erste Mal habe ich darüber vor meinem 400. Spiel nachgedacht. Plötzlich trudelten etliche Interviewanfragen ein. Als ich 2004 den Rekord von Jo Montanes (ebenfalls Alemannia Aachen, d. Red.) knackte, brach eine richtige Lawine über mich herein. Ich hatte nicht geahnt, dass bei so einer Sache ganz Deutschland durchdreht. Jürgen Klinsmann und Franz Beckenbauer schickten Glückwünsche, Reporter aus aller Welt riefen an. Ich fand das natürlich total nett. Und mitten in diesem Trubel fand ich auch Zeit, um über meine Karriere nachzudenken. Hätte jemand gedacht, dass ich mal im Pokalendspiel stehe? Oder dass ich im Uefa-Cup spiele? Dass ein Bild von mir im DFB-Museum in Dortmund hängt? Das war alles nicht abzusehen. Ich war zwar ein Kämpfer, aber nicht unbedingt das größte Talent.
Wie sind Sie zum Fußball gekommen?
Mein Vater war Malocher, meine Mutter ging putzen. Fußball hat für meine Familie damals keine große Rolle gespielt. Auch deshalb fing ich recht spät an, mit acht oder neun Jahren. Eines Tages nahmen mich Freunde mit auf Schalke, und bald war ich glühender Fan. Ich besaß alles: Trikot, Hose, Schal, Socken, Bettwäsche.
Wer war Ihr Idol?
Olaf Thon. Ich war im Stadion, als er beim 6:6 gegen die Bayern drei Tore schoss (DFB-Pokalhalbfinale 1984, d. Red.). Er war damals gerade mal 18 Jahre alt. Vielleicht dachte ich da zum ersten Mal: Ich will auch Fußballprofi werden.
Bei Ihrem ersten Profiklub Rot-Weiss Essen dürften Sie als Schalker einen schweren Stand gehabt haben.
Vor den Fans konnte ich das geheim halten. Mein Trainer Horst Hrubesch hat manchmal gescherzt: „Wenn du heute schlecht spielst, dann erzähle ich, dass du Schalke-Fan bist.“