Für das Champions-League-Spiel beim Liverpool FC haben sich nur 200 Fans von Atletico Madrid Karten besorgt. Das liegt an der pandemischen Lage auf der Insel und unschönen Erinnerungen an ein Spiel im März 2020, das so wohl hätte nie ausgetragen werden dürfen.
Als Jürgen Klopp vor dem Achtelfinalrückspiel gegen Atletico Madrid aus den Katakomben von Anfield hinaus in den Stadioninnenraum lief, wirkte er nachdenklich und angespannt. Wie immer hielten zahlreiche Fans ihre ausgestreckten Hände von der Tribüne nach unten, in der Hoffnung, ein High Five der Protagonisten absahnen zu können. Nur: Es war eben nichts wie immer. Auch wenn das beim Anblick der mit über 52.000 Fans gefüllten Anfield Road einen anderen Eindruck machte.
Denn während RB Leipzig zuhause die Tottenham Hotspur vor ausverkauftem Haus empfing und auch Bergamo gegen Valencia noch vor Fans spielen durfte, wurde zeitgleich Borussia Dortmunds Gastspiel bei PSG in einem leeren Prinzenpark ausgetragen. Die Welt war im Wandel, das Coronavirus griff immer weiter um sich und doch waren die Folgen noch kaum absehbar. Auch deswegen fielen die unmittelbaren Reaktionen dementsprechend unterschiedlich aus. So entschied sich Englands Regierung für eine Austragung des Spiels vor vollem Haus und genehmigte die Anreise von 3000 Fans aus Madrid, obwohl die spanische Hauptstadt zu dieser Zeit bereits zu den europäischen Corona-Hotspots zählte. Es sollte für lange Zeit das letzte Spiel vor Fans auf der Insel sein. Inzwischen glauben Protagonisten und Experten, dass es fatale Folgen für den Verlauf der Pandemie gehabt haben könnte.
Pepijn Lijnders, Co-Trainer beim Liverpool FC, hat sich in einem Artikel des Guardian jüngst an diesen Tag zurückerinnert: „Wir wussten, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmt und hatten das Gefühl, dass es vermutlich nicht richtig ist, den Fans aus Madrid die Anreise ins Stadion zu gewähren“, sagt er. Klopp selbst hätte ihm vor dem Spiel gesagt, dass er erstmals in seiner Karriere ohne Vorfreude auf Fußball ins Stadion fahren würde. Vor dem Anpfiff checkten sich Klopp und Atleticos Trainer Diego Simeone mit dem Ellenbogen ab. Ein Handschlag, wie ihn Simeone Klopp jüngst verweigerte, war da gar nicht mehr erlaubt. Carlo Ancelotti berichtete in der Folge, dass Klopp ihm einige Tage nach dem Spiel sagte, es sei ein „krimineller Akt“ gewesen, das Spiel auszutragen.
Und heute, rund 19 Monate später? Ist die Pandemie noch lange nicht überstanden, auch auf der Insel nimmt sie wieder richtig an Fahrt auf, und doch sind die Stadien wieder voll. In England breitet sich 107 Tage nach dem Freedom Day die Deltavariante weiter aus. Zuletzt lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei 485, täglich werden mehr als 1000 infizierte Personen in das Krankenhaus eingewiesen. Das macht auch die Fans von Atletico stutzig. Im Vorfeld der Partie hat der Klub nur 200 Karten für den Auswärtsblock abgesetzt. Die Lehren des bisherigen Pandemieverlaufs und die Entwicklungen in England machen eine Reise für die allermeisten Fans der Colchoneros unattraktiv.