Nach sechs Jahren Abstinenz spielt Karim Benzema nun wieder für die französische Nationalmannschaft. Das hat viel Aufruhr verursacht, vor allem am rechten Rand. Doch es tut sich etwas.
Karim Benzema hat viel falsch gemacht. Da ist zum Beispiel eine Nacht mit einer minderjährigen Prostituierten und seinem Kumpel Frank Ribéry in einem Münchner Luxushotel. Als Frankreich öffentlich die Mohammed-Karikaturen von Charlie Hebdo verteidigte, ließ Benzema einen Like beim Post eines ehemaligen russischen MMA-Champions, in dem dieser den französischen Präsidenten als “Abfall” bezeichnet und “schwere Konsequenzen” für diejenigen ankündigt, die “eine Milliarden Moslems beschimpfen”. Das kam in Frankreich nach den Attentaten und obendrein kurz nach der Enthauptung eines Lehrers durch einen Dschihadisten nicht gut an. Außerdem soll er seinen ehemaligen Nationalmannschaftskollegen Mathieu Valbuena mit einem Sexvideo erpresst haben, was ihm letztlich seine Suspendierung von der Nationalmannschaft bescherte.
Naja, und dann hat er auch noch mit 18 (!), also vor 15 Jahren, ein pikantes Radiointerview gegeben. Der Journalist des Sportsenders RMC stellte dem jungen Kerl aus dem Lyoner Banlieue die Frage, ob er das Land seiner Eltern bevorzuge oder das, in dem er aufgewachsen sei. Benzema, der vorher keinen geraden Satz herausgebracht hat, antwortete darauf, dass sein Land eigentlich Algerien sei und er nur aus sportlichen Gründen für die Équipe de France auflaufen würde. Das ist mindestens äußerst ungeschickt, wenn man weiß, wie flink der rechte Rassemblement National solche Geschichten öffentlichkeitswirksam ausschlachtet. Doch wer weiß das schon mit 18? In einem Alter, in dem andere den letzten Tropfen Hoffnung auf eine Fußballkarriere an der Theke lassen, hatte Karim Benzema gerade seinen ersten Profivertrag bei Olympique Lyon unterschrieben. Und somit seine Eltern und seine neun Geschwister mit einem Schlag aus der Misere geholt.
Dennoch schäumte das konservativ-rechte Lager, als ihn Didier Deschamps nun wieder zurück in die Équipe Tricolore holte. Auf allen Kanälen echauffierten sich die meist älteren weißen Herren. Der hat gesagt, dass sein Land Algerien ist! Der singt die Marseillaise nicht! Der hat noch einen Prozess an den Hacken! Der Zeigefinger hätte größer nicht sein können. Egal wen man fragte, jeder hatte eine Meinung zu ihm. Sogar der rechte Bürgermeister von Béziers, einer Kleinstadt in Südfrankreich. Als ihn der Sender CNews, eine Art gaullistisches Fox News, kurz nach Bekanntgabe des Kaders einlud, erinnerte Ménard sichtlich erhitzt daran, dass Benzema – “Pardon, aber das muss ich jetzt nochmal sagen” – nun wieder für Frankreich spiele und sich demzufolge nun auch so zu benehmen habe. “Wir werden sehen, ob er sich an die Regeln hält”. (Benzema wurde übrigens nicht zur Renovierung der alten Brücke in Béziers gefragt). Kurzum: Karim Benzema ist der Bad Boy seiner Generation.
Dabei wird oft vergessen, dass er in über 800 Spielen keine einzige Rote Karte gesehen hat. Dass auch Helden wie Platini die Hymne nie mitsangen. Und vor allem: dass er einfach ein unglaublich guter Fußballer ist. Der Umgang mit ihm – unabhängig von seinen Sünden – sagt viel über die französische Gesellschaft aus.