Carsten Linke gilt als 96-Ikone. Jetzt kandidiert er für den Aufsichtsrat in Hannover. Und sagt, warum er 50+1 für sinnvoll hält – und in Opposition zu Klubboss Martin Kind steht.
Herr Linke, die Fans von Hannover 96 nannten sie einst Fußballgott. Warum setzen Sie bei der anstehenden Mitgliederversammlung Ihre Popularität aufs Spiel?
Ich äußere meinen Unmut über das, was im Verein Hannover 96 läuft, schon seit längerer Zeit. Ich bin dann sowohl von der Martin-Kind-Seite als auch von der Oppositionsseite – Pro Verein – gefragt worden, ob ich mich engagieren wolle.
Das tun Sie nun und kandidieren als Aufsichtsrat. Was wollen Sie erreichen?
Es geht darum, das Zwei-Säulen-Modell in Hannover zu erhalten. Der Verein soll, wie die Investoren, ein Teil des Gesamtkonstrukts Hannover 96 bleiben. Ich bin dagegen, dass die Verbindung zwischen Verein und der Profifußballgesellschaft komplett gekappt wird.
Genau dafür steht Martin Kind, der die 50+1‑Regel bei 96 aufheben will. Wie wollte er Sie für sich gewinnen?
Er hat mich nicht direkt gefragt, sondern hat jemanden beauftragt, ein Team für den Aufsichtsrat zusammenzustellen. Derjenige hat mich dann gefragt.
Offenbar erfolglos.
Es geht eben auch darum, die Vergangenheit aufzuklären und die Mitgliederbeschlüsse von 2017 umzusetzen.
Damals war beschlossen worden, dass ein Ausnahmeantrag von der 50+1‑Regel erst den Mitgliedern vorgelegt werden müsse.
Genau. Die Demokratie soll bei Hannover 96 wieder so gelebt werden, wie ich mir das in jedem Verein wünsche.
Herr Kind hat den Ausnahmeantrag dann ohne Rücksicht auf das Mitgliedervotum bei der DFL gestellt. Falls diesem Ausnahmeantrag doch noch stattgegeben werden sollte: Glauben Sie, dass die Mitglieder dann noch Chancen hätten, in die Entscheidung um 50+1 einzugreifen?
Den Antrag hat Martin Kind ja zusammen mit dem Verein Hannover 96 gestellt. Deshalb bedarf es erst mal einer Einsicht in die Vorgänge, wie dieser Antrag überhaupt zustande kam. In die Höhe der Kaufpreise, in die Gutachten, die erstellt wurden. Martin Kind hat den Antrag damals auf ruhend gestellt und dann wieder aktiviert. Dies wäre eine Möglichkeit, um vielleicht intern ein paar Dinge noch mal nachzuarbeiten oder auch zu überprüfen.
Konkret wollen Sie den Ausnahmeantrag an die DFL, der derzeit vor dem Schiedsgericht verhandelt wird, also zurückrufen, um dem Verein in der 50+1‑Frage noch mal Zeit zum Nachdenken zu geben?
Ja, das ist letztendlich das Ziel. Wenn ich und meine Mitstreiter mehrheitlich in den Aufsichtsrat gewählt werden, wollen wir die Sache noch mal für die Mitglieder transparent machen. Welche Zahlen stehen überhaupt in diesem Antrag? Von welchen Summen sprechen wir? Für welchen Preis soll der Verein denn seine Anteile verkaufen, damit Martin Kind die Profifußballabteilung vollumfänglich übernehmen kann? Das sind Fragen, die geklärt werden müssen.
Martin Kind tritt als Vereinsvorsitzender zurück und wird künftig nur noch die Interessen der Investorenseite vertreten. Wie kann eine Zusammenarbeit mit ihm auf dieser Basis funktionieren?
Auf der Basis funktioniert die Zusammenarbeit seit 20 Jahren. Er hat das Zwei-Säulen-Modell ja auf die Beine gestellt.
Nur war Martin Kind bislang in der einen wie in der anderen Säule die beherrschende Figur. Das wird nun nicht mehr so sein. Herrn Kind bricht eine Säule weg.
Da bin ich trotzdem sehr zuversichtlich. Alle Beteiligten sind daran interessiert, dass es bei 96 vorangeht. Wir wollen die Zukunft gemeinsam gestalten. Ich denke, das ist wie in den letzten 20 Jahren möglich, unabhängig davon, wer Präsident im e.V. ist. Die Kapitalseite soll ja weiter bestimmen können. Das ist keine Frage. Nur sollte die Stimme des e.V. zumindest auf Augenhöhe sein und bei gewissen Entscheidungen ein Vetorecht einlegen können. Dazu muss eben auch die Transparenz gegeben sein.
Wie geht es bei 96 weiter?
Ich hoffe, dass die Mitglieder selbst dafür sorgen, dass in der 50+1‑Frage noch ein Mitgliederbeschluss erfolgen muss, unabhängig davon, was DFL oder das DFL- Schiedsgericht entscheiden. Bislang sind die Mitglieder in diese richtungsweisende Entscheidung leider nicht eingebunden worden. Wenn sie sich dann entschieden haben, muss das auch respektiert werden, egal in welche Richtung. Wenn also entschieden wird, dass Martin Kind die Profifußballgesellschaft ohne den Verein weiterführen soll, würden wir das akzeptieren. Dann ist das eben so.
Wie viel Vertrauen hat Martin Kind mit seinem Führungsstil schon verspielt?
Martin Kind hat kein Vertrauen verspielt, sondern er tut sich schwer damit, anderen Leuten so zu vertrauen, dass sie ihre Arbeit vollumfänglich machen können. Letztendlich können Kapitalseite und e.V. – so meine Auffassung – gut zusammenarbeiten. Wir wollen in den nächsten Jahren auch zeigen, dass das geht.