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Marcus Fein­bier, können Sie mit der Spiel­weise von Dani Schahin etwas anfangen?
Da die For­tuna sehr defensiv spielt, ist es für die Stürmer unheim­lich schwer, gut aus­zu­sehen. Schahin ist zwar bemüht, ihm fehlt aller­dings – wie allen Offen­siv­spie­lern – die Durch­schlags­kraft. Keiner der Jungs ruft kon­stant seine Leis­tung ab – mal über­ra­gend, dann wieder grot­ten­schlecht.

Mit anderen Worten: Der For­tuna fehlt ein Knipser?
Das muss ich leider mit einem klaren Ja“ beant­worten. Du brauchst im Abstiegs­kampf einen Stürmer, der aus dem Nichts Tore macht, ein Junge, der jedes Jahr für 15 Tore gut ist.

Ein Typ wie der junge Marcus Fein­bier?
(lacht) Mir ist wahr­lich nicht alles gelungen, aber diese spe­zi­elle Qua­lität würde mir sicher­lich keiner abspre­chen. Tore aus dem Nichts, das war meine Welt! Zur­zeit fehlen For­tuna Männer, die in schwie­rigen Phasen Akzente setzen, Männer, die den Ball auch mal rein­sto­chern, wenn andere die Situa­tion schon abge­hakt haben. Mein Appell: Mehr Mut, mehr Ent­schlos­sen­heit und, ganz wichtig, eine gewisse Geil­heit auf Tore. Denn all das fehlt der­zeit.

Die Klub­füh­rung hat zu Sai­son­be­ginn offenbar geglaubt, Andrey Voronin könne eine solche Füh­rungs­rolle ein­nehmen – ein Trug­schluss?
Dieses Thema zieht sich irgendwie durch die ganze Saison. Jene Spieler, von denen man viel erwartet, haben meist ent­täuscht. Die­je­nigen aller­dings, denen man in der Bun­des­liga eine gewisse Ein­ge­wöh­nungs­zeit zuge­standen hätte, über­ra­schen positiv, zum Bei­spiel Robbie Kruse. Der Junge mar­schiert und traut sich was! Die Voronin-Geschichte ist ein­fach nur dumm gelaufen.

Viele sagen, er sei an seiner Über­heb­lich­keit geschei­tert – Ihre Mei­nung?
Ich hielt die Ver­pflich­tung für einen klugen Schachzug; Voronin steht schließ­lich für Erfah­rung, er ist – auf Deutsch gesagt – abge­wichst. Ich bin fest davon aus­ge­gangen, dass er ein­schlägt. Dann plötz­lich: Streit und ständig üble Schlag­zeilen. Dass die Geschichte derart eska­liert, hätte ich nicht gedacht. So was ist Gift im Abstiegs­kampf.

Hat die Klub­füh­rung in diesem Fall naiv gehan­delt
Sie hat zumin­dest nicht clever reagiert.

Wie meinen Sie das?
Die Ver­ant­wort­li­chen haben das Thema zunächst ver­nach­läs­sigt, es lief ja alles gut, man hatte zwi­schen­zeit­lich zehn Punkte Vor­sprung. Es ent­stand der Ein­druck, die Füh­rung reagierte nach dem Motto Dann bleibt Voronin halt zu Hause, wir brau­chen ihn eh nicht“. Das Pro­blem daran: Seit ein paar Monaten läuft es nicht mehr rund, die Lage ist dra­ma­tisch, die Kon­kur­renten punkten – und was pas­siert? Voronin taucht plötz­lich wieder im Kader auf, man erhofft sich offenbar neue Impulse.

Wo ist das Pro­blem?
Dass im Umfeld wild spe­ku­liert wird, so was bringt Unruhe, es kommen Fragen auf wie Rettet Voronin die For­tuna?“. Ich bin der Mei­nung, die Ver­ant­wort­li­chen haben nicht kon­se­quent gehan­delt, sonst würden solche Themen gar nicht wieder hoch­kommen.

Was wäre die Alter­na­tive gewesen?
Die For­tuna hätte sich schon damals – als es gut lief – ent­weder mit ihm ver­söhnen oder ihn sofort wieder weg­schi­cken sollen. So ist es nichts Halbes und nichts Ganzes. Die Folge: Unruhe – auch team­in­tern. Die Herr­schaften haben sich somit selbst ein Ei ins Nest gelegt.

Wie wären Sie mit Voronin umge­gangen?
Ich hätte mich mit ihm zusam­men­ge­setzt und gesagt Pass auf, Junge, egal, was pas­siert ist, hänge dich bis zum Sai­son­ende rein und hilf uns mit deiner Erfah­rung. Danach sehen wir weiter.“ Nun steht die For­tuna ziem­lich blöd da. Und das in einer Phase, in der sie einen Spie­lertyp wie Voronin drin­gend gebrau­chen könnte.

Sind einige Spieler nach dem ful­mi­nanten Sai­son­start nach­lässig geworden?
Da spielen ver­schie­dene Dinge eine Rolle. Wenn man sieht, dass For­tuna in den letzten zehn Par­tien vier Eigen­tore fabri­ziert hat und zudem sieben indi­vi­du­elle Fehler, die zu Toren geführt haben, muss man klar sagen: Das ist nicht erst­li­ga­reif! Wenn dann auch noch der Tor­hüter patzt, macht es die Sache nicht gerade leichter.

Fabian Giefer ist in der Hin­runde über­schwäng­lich gelobt worden, nun steht er heftig in der Kritik – kann ein 22-Jäh­riger diesem Druck im Abstiegs­kampf stand­halten?
Der­zeit strahlt er keine Sicher­heit aus, das ist Fakt, aber wel­cher Spieler bitte schön tut das in diesen Tagen? Die kom­plette Abwehr agiert unsi­cher, es wäre daher unfair, alles auf Giefer zu schieben.

Ein Tor­wart­wechsel käme für Sie nicht infrage?
Auf keinen Fall! Der­ar­tige Spe­ku­la­tionen sind Blöd­sinn. Wenn es danach ginge, müsste der Trainer die halbe Mann­schaft aus­tau­schen. In der Hin­runde war Giefer der Gott, nun soll er der Sün­den­bock sein? Nee, das mache ich nicht mit. Wir sollten uns daran erin­nern, wie viele Punkte er uns in der Hin­runde gerettet hat. Sobald ein Tor­hüter patzt, heißt es, dieser Fehler habe das Spiel ent­schieden. Ver­liert aller­dings ein Stürmer vorne fahr­lässig den Ball und leitet somit einen Konter ein, der zu einem Tor führt, inter­es­siert das – flapsig gesagt – keine Sau. Kurzum: Da müssen sich jetzt alle mal am Riemen reißen, die Arsch­ba­cken zusam­men­kneifen und die Brech­stange raus­holen. Druck hin oder her.

Der FC Augs­burg steht der­zeit für Power­fuß­ball und Lei­den­schaft pur – ein Vor­bild?
Na klar! Die Augs­burg-Profis wissen, worum es geht und spielen immer volle Kanone nach vorne. Das ist beein­dru­ckend. Genau so stelle ich mir den Auf­tritt einer Mann­schaft vor, die im Tabel­len­keller steht. For­tuna dagegen zeigt nicht das Gesicht, das man im Abstiegs­kampf braucht. Leider. Man sieht, ihnen geht so langsam der Arsch auf Grundeis. Ich hoffe, die Jungs hauen in den letzten Par­tien alles raus, was sie haben.

In der ver­gan­genen Zwei­liga-Saison verlor For­tuna in der Hin­runde kein Spiel, in der Rück­runde dagegen kam die Mann­schaft ins Strau­cheln und rette sich gerade so in die Rele­ga­tion gegen Hertha BSC. Sehen Sie Par­al­lelen?
Ein­deutig! Im letztes Jahr haben sie sich mit Hängen und Würgen ins Ziel gerettet, in diesem Jahr sieht es ähn­lich aus. Der Kon­trast zwi­schen Hin- und Rück­runde ist ein­fach viel zu groß. Unab­hängig davon, ob For­tuna die Klasse hält: Der Klub muss drin­gend aus seinen Feh­lern lernen. Wäre Hof­fen­heim nicht derart abge­stürzt, hätte Düs­sel­dorf schon viel früher große Pro­bleme bekommen. Sie haben in der Hin­runde davon pro­fi­tiert, dass Fürth und Augs­burg über­haupt nicht in die Spur gekommen sind.

Hält For­tuna den­noch die Klasse?
Wer seit zehn Spiele sieglos ist, kann nicht leugnen, große Fehler gemacht zu haben. Schön­red­nerei ist fehl am Platz. Ich drücke der For­tuna natür­lich die Daumen, ist doch klar. Ich weiß genau, wie es ist, wenn man unten drin steht, das geht ordent­lich an die Psyche.

Wären Rele­ga­ti­ons­spiele gegen Köln Ihr Alb­traum?
(Pause) Daran will ich nicht denken. Und ich glaube auch nicht, dass irgendein Ver­ant­wort­li­cher der Klubs auf ein sol­ches Duell hofft. Das wäre ein Spieß­ru­ten­lauf.

Marcus Fein­bier, Sie erwähnten eben das Wort Psyche“: Wie haben Sie eigent­lich die Monate nach Ihrem Kar­rie­re­ende erlebt? Sind Sie – wie viele Ihrer Kol­legen – in das soge­nannte Loch gefallen?
Ich habe 23 Jahre Pro­fi­fuß­ball auf dem Buckel, in der End­phase dachte ich nur noch Schön, dass es bald vorbei ist“. Ich bin Vater zweier Kinder und wollte nicht mehr quer durch Deutsch­land tin­geln. Ich habe mich auf meinen neuen Lebens­ab­schnitt gefreut.

Sie haben bis vor wenigen Tagen den Bezirks­li­gisten BV Bur­scheid trai­niert und leiten zudem eine Fuß­ball­schule in Lan­gen­feld bei Düs­sel­dorf. Einmal Fuß­ball, immer Fuß­ball?
Klar. Ich genieße es, jungen Men­schen etwas bei­zu­bringen. Die Jungs in meiner Fuß­ball­schule sind heiß aufs Trai­ning, sie lernen unheim­lich schnell. Als Jugend­trainer hat man ständig kleine Erfolgs­er­leb­nisse – das schätze ich sehr.

Haben Sie neue Pläne?
Immer (lächelt). Im August eröffnen wir bei Reck­ling­hausen ein neues Fuß­ball-Internat, wir wollen dort Talente aus ganz Deutsch­land för­dern. Ziel ist es, eng mit den Klubs der Region zusam­men­ar­beiten. Es geht darum, Schule und Sport unter einen Hut zu kriegen, denn genau das wird für viele Kinder und Jugend­liche zuneh­mend schwie­riger.

Sie selbst haben früher nicht immer alles unter einen Hut bekommen. Sie galten als Rie­sen­ta­lent, sagen aber über sich Ich hätte mehr errei­chen können, wenn ich von Anfang an die nötige Pro­fes­sio­na­lität an den Tag gelegt hätte“.
Vor 25 Jahren wurden Jugend­liche ganz anders geför­dert und begleitet als heute. Ich spielte damals mit Hertha 03 Berlin gegen Bayer Lever­kusen um die B‑Jugendmeisterschaft, als plötz­lich Reiner Cal­mund vor­beikam und mir sagte, er wolle mich nach Lever­kusen holen. Ich war stolz und sagte natür­lich zu. Wenig später bin ich in den Kader der Bun­des­li­ga­mann­schaft gerutscht – ein super Gefühl! Als 17-Jäh­riger durfte ich im Uefa-Cup spielen, den wir im selben Jahr auch gewannen. Ich war ganz oben.

Wo ist der Haken?
Ich ließ vieles schleifen, es ging für mich damals ja immer nur bergauf. Ich war jung und dachte, es würde immer so wei­ter­gehen. Doch solche Gedanken sind fahr­lässig. Viel­leicht reagiere ich des­halb so emp­find­lich darauf, wenn heut­zu­tage ein Jugend­li­cher zufrieden damit ist, was er erreicht hat und im Trai­ning zwei Gänge zurück­schaltet.

Sie haben doch 69 Bun­des­liga – und über 270 Zweit­li­ga­par­tien bestritten. Wes­halb so bescheiden?
Darauf bin ich auch stolz. Trotzdem wäre für mich mehr drin gewesen. Heut­zu­tage würden mir in einer ähn­li­chen Situa­tion ver­mut­lich fast täg­lich Leute in den Hin­tern treten und dem Schlen­drian ent­ge­gen­wirken. Die Spieler heute werden ja bei­nahe rund um die Uhr betreut.

Wann haben Sie zum ersten Mal derart reflek­tiert über Ihre Kar­riere nach­ge­dacht?
Nachdem ich Anfang der Neun­ziger von Hertha BSC Berlin zum Wup­per­taler SV wech­selte. Wir stiegen ab, in die Dritte Liga – ein Hor­ror­sze­nario! Ich brach mir das Schlüs­sel­bein. Mein erster Gedanke: Oh, jetzt wird es schwer, Marcus, du musst dich nun hinten anstellen“. Gerd vom Bruch, mein dama­liger Trainer, sagte mir, Junge, du spielst zwar jetzt nur in der Dritten Liga, aber du musst das als Neu­an­fang betrachten.“ Er hatte recht. Ich musste wieder bei Null anfangen. Erst zu jener Zeit begriff ich, wie schön Fuß­ball sein kann. Aber eben auch: Wie schnell alles vorbei sein kann, Stich­wort Ver­let­zung. Plötz­lich ist man weg vom Fenster! In Aachen habe ich mich dann zurück­ge­kämpft.

Sie wech­selten anschlie­ßend zur SG Wat­ten­scheid 09 in die Zweite Liga – und drehten auf.
Ja, ich hatte kon­se­quent auf mein Ziel hin­ge­ar­beitet, es ging wieder bergauf. Ob in Wat­ten­scheid, Ahlen oder Fürth - ich habe in der Zweiten Liga stets meine Tore gemacht. Obwohl ich mein Poten­zial nicht aus­ge­schöpft habe, sage ich: es war es eine groß­ar­tige Zeit, die ich nie­mals ver­gessen werde.