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Das Schlechte ist: Das Leben ist voller Flos­keln. Zum Bei­spiel: Früher war alles besser. Stimmt ja nicht. Früher war so ziem­lich alles beschis­sene, oder zumin­dest fast alles, was man damit meint, genauso beschissen. Man kann sich nur eben nicht mehr so recht daran erin­nern. Der Lauf der Dinge: Was schlimm war, mil­dert mit zuneh­mender Zeit, in der Erin­ne­rung, ab. Was nicht so schlimm war, son­dern ein­fach nur ätzend für den Moment, gerät in Ver­ges­sen­heit. Ein mensch­li­cher Schutz­in­stinkt, und nicht der dümmste. Wer will schon ewig leiden?

Das Gute ist: Das Leben ist voller Flos­keln. Zum Bei­spiel: Das ist Fuß­ball. Und wahr­schein­lich ist das auch Schach, Bad­minton und Stie­fel­weit­wurf. Aber darum geht es nicht. Denn Fuß­ball ist nunmal bekann­ter­maßen die schönste Neben­sache der Welt. Also: Das ist Fuß­ball. Und Holger Bad­s­tuber ist Fuß­baller. Und ganz beson­ders: Seine (Leidens-)Geschichte.

Ein Abwehr­boll­werk aus genau einem Mann

Die geht grob gesagt so: Bun­des­liga-Debüt am 8. August 2009. Für Bayern Mün­chen. Den Kaviar des deut­schen Fuß­balls. Mag nicht jeder, ist aber unbe­stritten edel. Machste nix. Län­der­spiel-Debüt am 29. Mai 2010. Mit 21 Jahren. Und spä­tes­tens dann war klar: Holger Bad­s­tuber ist ein Jahr­hun­der­ta­lent.

Ein Abwehr­spieler, der stets wirkt wie ein Buchungs­vor­gang bei einer deut­schen Behörde. Und der genauso Fuß­ball spielt: Gründ­lich, scho­nungs- und feh­lerlos. Dass er auch noch mit dem Bäll­chen umgehen kann, fast so, als wäre er eben kein Innen­ver­tei­diger deut­scher Prä­gung, ist dann nur noch Zusatz. Und wer Holger Bad­s­tuber jemals live in einem Sta­dion gesehen hat, weiß: Ein Abwehr­boll­werk kann auch ein­fach nur aus genau einem Mann bestehen.

Die ulti­ma­tive Lob­hu­delei

An ihm, dem Jungen aus Mem­mingen, schienen sie alle glei­cher­maßen abzu­prallen. Die geg­ne­ri­schen Angreifer ebenso wie die Erwar­tungen, die an ein Eigen­ge­wächs der Bayern gestellt werden. Und irgend­wann adelte ihn selbst der König des Super-Super“, der ulti­ma­tive Grad­messer fuß­bal­le­ri­schen Talents. Irgend­wann adelte ihn selbst Pep Guar­diola: Er ist der beste Spieler den ich je hatte!“ Zuge­geben: Das hat Guar­diola gefühlt auch über den Bus­fahrer der zweiten Mann­schaft des FC Bayern gesagt. Aber bei Bad­s­tuber war man geneigt, ihm die ulti­ma­tive Lob­hu­delei abzu­nehmen.

Und dann? Dann das. Die Ver­let­zungen. Immer wieder. Kreuz­band­riss (124 Tage), Seh­nen­riss (21 Tage), Ober­schen­kel­mus­kel­riss (25 Tage), Sprung­ge­lenks­ver­let­zung (22 Tage). Die Saison 2013/14 ver­passt er kom­plett. Zwi­schen dem 25. August 2012 und dem 26. August 2017, heute, machte Bad­s­tuber ganze 28 Spiele. Mög­lich gewesen wären 171. 

Gefühlt blieb er das ewige Talent. Als würde man ihn, seine Kar­riere und die damit ver­bun­denen Mög­lich­keiten nicht an Geburts­tagen und Jah­res­zahlen fest­ma­chen, son­dern an den Ein­satz­zeiten in der Liga. Auch wenn die Stimme, auch wenn die Gefühle der Fans immer lauter, immer drän­gender zu rufen schienen: Das wird nichts mehr. Gefühlt war Bad­s­tuber immer noch 21 Jahre alt. 

Alles ver­gessen!

Dabei ist er 28 Jahre alt. Und nicht mehr Spieler des FC Bayern, son­dern des VfB Stutt­gart. Einem Auf­steiger. Und halb Deutsch­land, also die Hälfte, die sich für Fuß­ball inter­es­siert, drückt(e) ihm Daumen, dass es passt. In Stutt­gart. Mit der Gesund­heit. Ganz egal, für wen das Fan-Herz ansonsten pocht.

Und dann? Dann das. Das 1:0 gegen den FSV Mainz 05. Sein erstes Bun­des­li­gator seit über acht Jahren. Der Sieg­treffer. Und plötz­lich ist alles ver­gessen. Dass Bad­s­tu­bers Leihe zum FC Schalke einen komi­schen Bei­geschmack hatte (Leihen sind nur mög­lich, wenn die Ver­trags­lauf­zeit beim ver­lei­henden Verein über die Leih­dauer hinaus besteht – dies war bei Bad­s­tuber offenbar nicht der Fall). Dass Bad­s­tuber nicht mehr der Jung­spund ist, als den man ihn in Erin­ne­rung hatte. Dass einer der talen­tier­testen Abwehr­spieler seiner Gene­ra­tion plötz­lich bei einem Auf­steiger anheuern musste.

Alles ver­gessen. Denn: Das Leben ist voller Flos­keln. Zum Bei­spiel: Das ist Fuß­ball. Oder auch: Holger Bad­s­tuber feiert sein Come­back. Und das ist gut so.