So lautet die entscheidende Frage, ob deren rapide schwindende emotionale Anteilnahme wirklich damit zu tun hat, dass der aktuelle Trainer kein Veitstänzer ist und noch nie Husarenfußball spielen ließ, oder ob sich da eher ein strukturelles Problem offenbart. Das einflussreiche Fanzine Schwatzgelb jedenfalls meinte vor zwei Wochen, der Klub hätte seine „innere Mitte“ verloren. Das war so richtig wie vieldeutig. Treffender wäre es vielleicht, von einem Mangel an Herzlichkeit auf mehreren Ebenen zu sprechen.
Von heute auf morgen lässt sich dieser Zustand jedenfalls nicht beheben, und so bleibt die drängendste Frage tatsächlich die nach der Zukunft jener Person, die sehr vielen Fans zwar nicht als Auslöser, aber als Symbol der Misere gilt: Lucien Favre. Im Grunde könnte der Schweizer der Zukunft relativ gelassen entgegensehen, denn alle möglichen Nachfolger, deren Namen gerade diskutiert werden, sind schwer bis unmöglich vermittelbar.
Zyniker des Weltfußballs
Massimiliano Allegri wäre Wasser auf die Mühlen all jener Anhänger, die den Klub eh schon auf einer Reise zurück in die Zeiten von Nevio Scala sehen. Ralf Rangnick wiederum ist ein solches Feindbild, dass sein Name nur deswegen lanciert worden sein kann, um den dritten Kandidaten etwas weniger dämonisch wirken zu lassen: José Mourinho. Der mag ein guter Kumpel von Hans-Joachim Watzke sein, hat aber als letzter großer Zyniker des Weltfußballs am Borsigplatz nun wirklich nichts verloren. Zwar könnte man es dem berüchtigten Miesepeter selbst sogar noch zutrauen, dass er die für ihn so typische perverse Lust verspürt, ein sich nach kühnem Fußball sehnendes Publikum mit seinem Huub-Stevens-Gedächtnisstil zu quälen. Den hat er ja selbst in Madrid und Manchester gegen alle Widerstände gnadenlos durchgezogen. Doch Mourinho auf Favre folgen zu lassen, wäre so, als würde man Shaun das Schaf durch Kylo Ren ersetzen.
So könnte Favre eigentlich einigermaßen beruhigt nach vorne schauen. Würde er dort nicht das Ortsschild von Gelsenkirchen sehen. Am Samstag steht ausgerechnet das Revierderby an. Ein sehr schmerzvolles Spiel hat Favre in diesem Kalenderjahr schon gegen Schalke verloren. Sollte ihm das noch mal passieren, dann würde sich in Dortmund vielleicht doch jemand finden lassen, der zumindest einen kurzen Blick zur dunklen Seite der Macht riskiert.