Im November 2011 präsentierte Borussia Dortmund einen viel beachteten Imagefilm. Er war mehr als vier Minuten lang, was für dieses Format ebenso ungewöhnlich ist wie die Tatsache, dass bekannte Schauspieler wie Dietmar Bär und Claus Dieter Clausnitzer auftraten. Doch für Aufsehen sorgte der Film vor allem wegen seiner Botschaft. Die Fans des BVB, so erklärte Clausnitzer in seiner Rolle als Leiter einer medizinischen Einrichtung den Zuschauern, produzierten an jedem Wochenende so viel Adrenalin, dass sie es montags in großen Mengen spenden müssten. Das überschüssige Hormon würde dann abgefüllt und transportiert. Und zwar, so die Pointe des Films, nach Hoffenheim, Hannover oder Wolfsburg.
Knapp acht Jahre später hocken diese BVB-Fans vor dem Fernseher und bekommen nicht mal erhöhten Puls, als der Schiedsrichter in einem wichtigen Champions-League-Spiel einen Elfmeter gegen Dortmund pfeift. Sie wissen, dass es völlig egal ist, ob Lautaro Martinez acht Minuten vor dem Ende auf 2:0 für Inter Mailand stellt oder ob Roman Bürki diesen Strafstoß hält. Denn das Spiel ist so oder so verloren. Der BVB wird an diesem Abend niemals ein Tor erzielen, weil er nie die Absicht hatte, das zu tun. „Es war ein typisches 0:0‑Spiel“, sagt Mats Hummels nach dem Abpfiff. Es hätte auch sagen können: „Wir wollten hier 0:0 spielen.“
Bedrohtes Spendenzentrum
Klar kann man das machen. Schließlich wäre ein Auswärtspunkt bei einem nicht ungefährlichen Gegner ein gutes Resultat gewesen. Aber dann darf man sich nicht daüber wundern, dass Clausnitzers einst florierendes Spendenzentrum von der Schließung bedroht ist. Er hat sicher noch die eine oder andere Konserve auf Lager, nachdem es im Herbst 2018 einige Wochen lang am Borsigplatz zu vermehrter Ausschüttung kam, aber seither gab es Nachschub nur noch in homöopathischen Dosen.
Und das ist eine gefährliche Entwicklung. In Dortmund wirft man gerade gerne allen möglichen Akteuren vor, sie wären für diesen Klub zu „emotionslos“, vor allem dem Trainer und den Spielern. Aber im Imagefilm von 2011 wurde nicht Klopp und Kagawa Adrenalin abgezapft, sondern den Fans.