Wenn 15 sieglose Spiele in Folge nicht das größte Problem eines Vereins sind, läuft es abseits des Platzes wohl eher nicht so gut. Auf Schalke proben die ohnehin leidgeprüften Fans in diesen Tagen den Aufstand gegen Schweinebaron Clemens Tönnies. Sie wollen ihn nicht mehr sehen. Aus gutem Grund.
Wenn in den Schlachtbetrieben der Tönnies-Gruppe die Schweine ihrer endgültigen Bestimmung zugeführt werden, begleitet sie auf ihrem letzten Weg durchs grüne Licht Panflötenmusik. Bereits bei ihrer Ankunft durften sie sich 120 Minuten ausruhen und ihr letztes Mahl zu sich nehmen. Futtermais und Frischwasser verkürzen das Warten auf den Tod.
Endlich in der Betäubungsanlage eingetroffen, treten sie durch die CO2-Tiefenbetäubung in einen Zustand tiefster Bewusstlosigkeit. Dann müssen sie bluten. Ein Hohlmesser eröffnet die Hauptschlagadern der herznahen Blutgefäße. Jetzt kann das Blut laufen. Die anschließende, doppelte Entblutkontrolle stellt sicher, „dass kein Tier mehr Reflexe zeigt“, beschreibt die Tönnies-Gruppe den Schlachtvorgang mit kühler Präzision. Rinder werden in einer Betäubungsfalle fixiert und mit einem Bolzenschuss ins Gehirn fachgerecht betäubt. Danach werden sie entblutet und dem Schlachtprozess zugeführt.
Die Verfehlungen des 64-jährigen Tönnies in der laufenden Spielzeit greifen wie eben jene Fixierung um die Schalker Fanseele. Es sind Verfehlungen, die mit dem eigentlichen Verein wenig zu tun haben, die jedoch gegen die Werte des Vereins und des Fußballs stehen.
Noch vor Beginn der Saison führten Tönnies rassistische Anmerkungen auf dem „Tag des Handwerks“ in Paderborn zu einer dreimonatigen, selbstauferlegten Sperre als Aufsichtsratsvorsitzender der Schalker. Später nannte er auf der Schalker Homepage seine Worte, die hier nicht wiederzugeben sind, „falsch, unüberlegt und gedankenlos“ und überhaupt stehe er „1000-prozentig“ hinter den Schalker Vereinswerten. Die Fans demonstrierten in der ersten Pokalrunde auf einem Amateursportplatz und beim ersten Heimspiel gegen Bayern war die Sache bereits vergessen.
Tönnies kehrte dann zurück, mit Bart und einer Erinnerung, dass man Urteile respektieren müsse. „Alles andere wäre Anarchie“, erklärte der nun scheidende Finanzvorstand Peter Peters. Schalke stolperte bis in den März durch die Rückrunde, ohne Spieler, ohne Plan und mit Ausnahme der Nübel-Diskussion ohne größere Unruhe. Aber auch ohne Anarchie auf den Rängen. Das Scheitern war eben auch Schalke.
Dann kam die Pandemie und in Gelsenkirchen verloren sie engültig die Kontrolle. Die Liste der Verfehlungen abseits des Platzes wurde lang und länger. Immer größere Finanzlöcher taten sich auf. Doch anstatt die Fans mitzunehmen, verloren die Entscheidungsträger „jeglichen Kontakt zur Gelsenkirchener Realität“, wie es die Ultras Gelsenkirchen in einem Statement ausdrückten.
„Die gesamte Saison ist eine moralische Bankrotterklärung“, konstatierten sie nach einer langen Auflistung der Entwicklungen der letzten Monate. Dem Ehrenrat fehle es an Transparenz; die finanzielle Situation sei verheerend; der Aufsichtstrat auf Tauchstation, der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Tönnies, mit der Ausgliederung beschäftigt und die Schalker Werte habe man mit Füßen getreten. Härtefallantrag, der Rauswurf von Geringverdienern. Wut. Blanke. Aber auch auf Aufbruch. Noch ohne Kopf. Aber mit Richtung. Auf Schalke will man nicht länger ein willenloser Delfin sein.
Es ist folgerichtig, dass eine Gruppe von Fans an diesem Dienstag mit zahlreichen Bannern rund um das Schalker Stadion und die Schalker Meile den Fokus auf Schweinebaron Tönnies legt. Der hat mit einem COVID19-Ausbruch in seinem Schlachtbetrieb erneut negative Schlagzeilen gemacht und er will jetzt aber die Welt des Schlachtens revolutionieren. Sogar an den Menschen soll gedacht werden. Den Schweinen kauft man vielleicht eine neue „Magic Sound of the Panpipes“-CD.
Im Gespräch mit 11freunde.de kennt die Gruppe nur eine Lösung: „Tönnies Raus!“ Wie bereits den Bannern zu entnehmen. Sportliches ist erstmal egal, die Seele des Vereins muss wiederbelebt werden. Sie war viel zu lange schon fixiert.
“Wir fordern Clemens Tönnies dazu auf, sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender von Schalke 04 unverzüglich niederzulegen und sich fortan um seinen defekten moralischen Kompass zu kümmern und diesen auf soziales und emphatisches Niveau auszurichten. Schalke hat Werte, die mit Tönnies‘ Werten so viel zu tun haben wie Donald Trump mit Liebe. Zwanzig Jahre rumgepfuscht und Schalke ist Roncalli. Danke für Nichts und jetzt flieg davon, du Schaschlikamsel!“
Wenn David Wagners Elf am kommenden Samstag in Freiburg um das 16. sieglose Spiel in Folge bettelt, wollen die Schalke Fan um die Arena eine Menschenkette bilden. „Schalke ist kein Schlachthof! Gegen die Zerlegung des Vereins“, sagen sie. Sie wollen den Schlachter aus Gelsenkirchen bekommen. Im Jahr 2020 ist alles möglich. Jetzt wird es eng für Tönnies! Wirklich.