Heute wartet mit Norwegen die erste echte Prüfung auf die deutsche Frauennationalelf. Allerdings muss man Sorge haben, dass die Spielerinnen sich bald einer Hauttransplantation unterziehen müssen.
Eigentlich ist Kanada ein ziemlich idealer Ort, um dort eine Fußball-WM der Frauen auszutragen. Ein Land, in dem Frauenfußball eine respektierte Selbstverständlichkeit ist und sich nicht mit blöden Chauvinismen auseinandersetzen muss, ja: in dem die Nationalelf der Frauen fast populärer ist als die der Männer, der bescheidenen Qualität der Herren sei Dank.
In der FIFA-Weltrangliste steht das kanadische Männerteam auf Platz 109, das Frauenteam auf Rang 8. Kein Wunder also, dass die Frauen gerade ziemlich exklusiv die Hoffnungen der Nation tragen, jemals bei einer Fußball-Weltmeisterschaft etwas zu reißen, zumal sie mit Christine Sinclair eine der unbestritten besten Spielerinnen der Gegenwart aufbieten können.
Ausnahmezustand bei Finaleinzug?
Dementsprechend ambitioniert gehen die Gastgeber das Turnier an, auf und neben dem Platz. Atmosphäre und Organisation sollen an die WM vor vier Jahren in Deutschland anknüpfen, die Stadien sind schön (wenngleich von der Architektur ein bisschen arg amerikanisch), das Land sowieso, und sollten die Kanadierinnen tatsächlich das Finale erreichen, würde vermutlich der Ausnahmezustand ausgerufen.
Die Voraussetzungen sind also gut, und dennoch hat die Weltmeisterschaft nach dem ersten Vorrundenspieltag noch nicht wirklich Fahrt aufgenommen. Das hat vor allem zwei Gründe: die Aufblähung des Teilnehmerfeldes auf 24 Mannschaften und der vermaledeite Kunstrasen.
„Die Spitze ist breiter geworden“
„Die Spitze ist breiter geworden“, philosophierte einst Berti Vogts, und wäre das auch beim Frauenfußball so, ließen sich 24 Teilnehmerländer problemlos rechtfertigen. So eine WM soll schließlich ein Ringelpiez für die ganze Welt sein. Leider aber gibt es maximal ein Dutzend konkurrenzfähige Nationen, was schon in der Vergangenheit für den einen oder anderen bizarren Spielverlauf gesorgt hat. Nun aber verströmt gleich die Mehrzahl der Vorrundenspiele eine wabernde Langeweile, es sei denn, man delektiert sich an Schrullen wie der bizarren Abseitsfalle, die den Spielerinnen der Elfenbeinküste im Spiel gegen Deutschland (0:10) ein ums andere Mal misslang.
Das ist ungefähr so, als würde bei einer Skisprung-WM die Hälfte der Teilnehmer auf dem Niveau von Eddie „The Eagle“ Edwards springen und damit eigentlich einer Weltmeisterschaft unwürdig – und es taugt als böse Karikatur dessen, was uns im nächsten Jahr bei der ebenfalls auf 24 Teams gepimpten Europameisterschaft der Männer blüht. Das Problem werden gar nicht so sehr die seltenen Kantersiege sein, sondern Legionen von schnöden Zweizunulls, bei denen sich die Favoriten mit halber Kraft und unter frühzeitiger Schonung ihrer Führungskräfte ins Ziel retten.
Wenigstens wird dann auf sattem Naturrasen gespielt werden, was für die Frauen-WM vermutlich noch wichtiger wäre als ein ausgeglichenes Teilnehmerfeld. Stattdessen wird das gesamte Turnier auf Kunstrasen ausgetragen, was ein Vermächtnis des gerade aus dem Amt scheidenden Altmeisters Sepp Blatter ist. „Kunstrasen ist die Zukunft des Fußballs“, schwadronierte der einst und verordnete den Frauen eine Plastik-WM.