Bayern-Fans sind nirgendwo gerne gesehen. Die 11FREUNDE-Redaktion ist da keine Ausnahme, wie unser Autor am eigenen Leib erfahren musste. Das Protokoll eines Leidenden.
Ich saß auf dem Sofa im Flur des Redaktionsbüros und wartete, bis ich gerufen wurde. Ich war mit viel Hoffnung und großer Aufregung im Gepäck von München in die Hauptstadt gefahren, um mich bei 11FREUNDE zu bewerben, auf die Stelle des unbeholfenenen Praktikanten. Die Sekunden vergingen wie Minuten. Anspannung. Dann war es so weit. Kaum hatte ich mich gesetzt, stellte jemand die eine Frage, vor der ich die größte Angst hatte: „Das Wichtigste zuerst: Was bist du für ein Fan?“
Mit dem Selbstbewusstsein eines 13-Jährigen, der seinen Eltern beichten muss, dass er seinen ersten Verweis bekommen hat, antwortete ich: „Ich bin Bayernfan.“ – „Gut, dann war’s das. Hier ist die Tür.“
Natürlich nur ein Scherz, aber trotzdem musste ich mich minutenlang rechtfertigen. „Ja, ich komme aus München, bin direkt neben dem Olympiastadion aufgewachsen. Nein, die 60er sind nichts für mich. Ja, auch ich finde, dass die Bundesliga in den letzten Jahren nicht gerade geil war.“ Anscheinend gut genug. Mit einem „Wenigstens bist du kein Leipzig-Fan“, verabschiedete mich mein zukünftiger Vorgesetzter.
Meine Tränen, das Lebenselexir meiner Freunde
Bayern-Fans sind nirgendwo sonderlich beliebt. Ich bin es gewohnt, dass von mir eine Rechtfertigung verlangt wird, sobald ich sage, dass ich Bayern-Fan bin. Dass ich verständnislos angeschaut oder schlicht beleidigt werde. Alles kein Ding. Mit dem Abstand von ein paar Jahren habe ich auch einem meiner besten Freunde (ein 1860-Fan) verziehen, dass er, vor mir auf dem Boden kniend, die Jubelfaust in mein Gesicht gereckt hatte, als Didier Drogba den entscheidenden Elfmeter im Finale Dahoam verwandelte.
Naja, verziehen ist vielleicht übertrieben, aber das Triple 2013 und der Zwangsabstieg der 60er in Liga vier waren auf jeden Fall Balsam für die Wunde, die sich in diesem Moment in mein Herz gebrannt hatte. Aber so ist es eben. Selbst gute Freunde freuen sich über deine Trauer, ja, schreien dir ihre Freude laut ins Gesicht, wenn es um die Bayern geht. Passt schon. Einfach das Thema wechseln. Aber genau hier ist das Problem: In einer Sportredaktion, besonders bei 11FREUNDE, gibt es kein anderes Thema. Egal, wie gut man sich versteht, der Fußball ist allgegenwärtig. Und somit auch meine Andersartigkeit.
Der erste Tag
Drei Monate später, mein erster Tag. Kurzes Hallo sagen, auch hier die erste Frage: „Was für ein Fan?“ „Bayern.“ Enttäuschtes Kopfschütteln. Die erste große Konferenz, das ganze Büro hatte sich versammelt. Zum Schluss sollten sich die Neuen vorstellen. Mit mir fing noch ein Praktikant an, ein Berliner. Nach seiner kurzen Vorstellung fragte 11FREUNDE-Chefredakteur Philipp Köster: „Und? Bist du Hertha-Fan?“ – „Na sicher.“ „Sehr schön.“
Dann war ich dran, kurzer Lebenslauf, natürlich freute ich mich, da zu sein und… „Ja, ich bin Bayernfan“, sagte ich mit brüchiger Stimme. Kurze Stille. Dann Köster: „Gut, jetzt wo der Tiefpunkt des Tages erreicht ist, können wir die Konferenz auch beenden.“ Kein guter Anfang. Nach meinem ersten Arbeitstag lag ich lange wach. Noch nie hatte ich mich so einsam gefühlt, so weit weg von den der Heimat, den Bergen, den Meisterschalen, Traumtoren und Champions-League-Pokalen, von Mehmet und Basti, von Olli und Thomas. Damit ich einschlafen konnte, hörte ich mir den Audiomitschnitt vom Champions-League-Finale 2001 an. Als Marcel Reif mir sanft „Kaaaaaahn! Die Bayern!“ ins Ohr säuselte, schlief ich endlich ein.