Wie aus dem Nichts steht Werder Bremen plötzlich auf Rang sechs. Fünf Gründe, warum sie nächstes Jahr in der Europa League spielen werden.
Hochmut kommt vor dem Fall. So dachte man noch vor vier Wochen in Bremen. Vollmundig hatten Werders Bosse die Europa League als Saisonziel ausgegeben. Doch Unentschieden gegen Nürnberg, Hertha oder Stuttgart waren zu wenig, um ernsthafte Ansprüche auf Rang sechs zu erheben.
Vier Wochen später steht Werder tatsächlich auf Rang sechs. Mit Siegen gegen Schalke (4:2), Leverkusen (3:1) und Mainz (3:1) haben sie sich still und heimlich oben herangepirscht. Können sie an die Leistungen anknüpfen? Oh, ja! Fünf Gründe, warum Werder ein heißer Kandidat auf die Europa League ist.
1. Sie können jetzt auch kontern
Bremens Coach Florian Kohfeldt legt Wert auf einen gepflegten Ball. In der Hinrunde fokussierte er sich in erster Linie auf das Ballbesitzspiel. Seine Spieler sollten das Feld gleichmäßig besetzen und die Kugel laufen lassen. Bremen hatte den vierthöchsten Ballbesitz der Liga.
In der Winterpause nahm er eine leichte Kurskorrektur vor. Im Trainingslager übte Bremen vor allem das Pressing. Zuletzt nahm Kohfeldt noch das Konterspiel verstärkt in den Fokus. Bremen sichert die Bälle nicht mehr automatisch nach einer Eroberung, sondern versucht, schnell hinter die gegnerische Abwehr zu gelangen. Das gelingt ihnen immer besser, wie die jüngsten Ergebnisse beweisen.
2. Die Raute passt zu Bremen
Kohfeldt nahm in den vergangenen Wochen eine weitere taktische Umstellung vor: Seine Mannschaft spielt mittlerweile nicht mehr in einem 4 – 3‑3-System, sondern in einer Raute. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten hat sich der Wechsel als richtig erwiesen.
Bremen überzeugt im neuen System vor allem durch Flexibilität. Kohfeldt setzt im Sturm nicht auf klassische Stürmer, die Spielanteile von Altmeister Claudio Pizarro sanken zuletzt. Dafür kommen mit Milot Rashica, Martin Harnik oder Johannes Eggestein dynamische, schnelle Stürmer zum Einsatz. Sie passen zum neuen Konterstil.
Zugleich sind sie flexibel einsetzbar, was Kohfeldt erlaubt, innerhalb eines Spiels umzustellen. Gegen Leverkusen beispielsweise beorderte er Eggestein immer wieder auf den rechten Flügel, um Bayers Überzahl zu kontern. Bremens neues System fruchtet.
3. Max Kruse
Wer dieser Tage über Bremen spricht, kommt an Max Kruse nicht vorbei. Bremens Kapitän befindet sich in der Form seines Lebens. In den vergangenen fünf Partien schoss er sechs Tore und bereitete vier vor.
Man kann fast behaupten: Das gesamte taktische System ist um den Star gebaut. Auch Kruse profitiert von der Umstellung auf die Raute. Als Zehner kann er schalten und walten und seine Stärken als Vorlagengeber besser zur Geltung bringen. Vor ihm starten die Stürmer in die Spitze, um Kruses geniale Pässe aufzunehmen. Vor allem Rashica sticht hier mit seiner Geschwindigkeit hervor. Aber auch Kruse selbst hat im Vergleich zur Hinrunde an Dynamik gewonnen und geht mehr Wege in die Tiefe.
Die Abhängigkeit der Bremer von Kruse ist frappierend. An 151 Torschüssen war Kruse diese Saison direkt beteiligt, sprich: Er gab sie selbst ab oder bereitete sie vor. Nur Robert Lewandowski kommt auf ebenso viele Torschussbeteiligungen; mit dem Unterschied, dass Bremens Team wesentlich seltener auf das Tor schießt als die Bayern. Kruses Anteil an allen Bremer Schüssen liegt bei knapp 39%, das ist der höchste Wert aller Bundesliga-Spieler.
4. Die unbesungenen Helden in Mittelfeld und Abwehr
Beim Hype um Kruse geht etwas unter, dass Bremen in dieser Saison auf fast allen Positionen überdurchschnittlich gut besetzt ist. Auf den Achter-Positionen sind Davy Klaassen und Maximilian Eggestein gesetzt. Sie halten mit ihrer Laufstärke das Zentrum zusammen und sichern defensiv die Räume, die Kruse beizeiten vernachlässigt. Eggestein überzeugte gegen Mainz gar als klassischer Sechser, nachdem sowohl Philipp Bargfrede als auch Nuri Sahin ausfielen.
Eine Schwachstelle scheint beim flüchtigen Blick die Abwehr zu sein. Doch damit täte man Bremen Unrecht. Vor allem die Außenverteidiger spielen eine grundsolide Saison. Gebre Selassie bringt als Rechtsverteidiger etwas mehr offensive Dynamik ins Spiel als Ludwig Augustinsson auf der Gegenseite. Der wiederum überzeugt in der Defensive. Bremen hat in dieser Saison einen ausgeglichenen Kader zusammen.
5. Jiri Pavlenka
Dass Bremen überhaupt noch von Europa träumen darf, haben sie indes einem anderen Spieler zuzuschreiben. Jiri Pavlenka spielt erneut eine starke Saison, hält vieles, was auf seinen Kasten kommt. Der 3:1‑Sieg über Mainz schien auch deshalb so ungefährdet, weil Pavlenka alle halbwegs guten Chancen der Mainzer scheinbar mühelos entschärfen konnte.
Mit dieser Mischung aus solider Defensive und konterstarker Offensive hat es Bremen auf Rang sechs geschafft. Der Traum von Europa lebt. Manchmal folgt auf den Hochmut eben doch nicht der Fall.