Der FC Viktoria 1889 Berlin hat den Einstieg der Advantage Sports Union aus Hongkong verkündet. Das Geld aus Fernost soll den Regionalligisten nach oben führen. „Anders geht es nicht“, sagt Geschäftsführer Felix Sommer.
So viel Aufmerksamkeit sind sie bei Viktoria Berlin nicht gewohnt. Kaum hatte der Regionalligist die Zusammenarbeit mit dem Sportvermarkter aus Hongkong öffentlich gemacht, klingelte bei Felix Sommer pausenlos das Telefon. Auch in seinem Anwaltsbüro. „Der RBB wollte schon den Übertragungswagen losschicken“, erzählt der Geschäftsführer am Mittwochvormittag bei einer Tasse Kaffee.
Die Sonnenbrille hat er ins Haar geschoben, der oberste Knopf seines Polo-Hemds ist geöffnet: Felix Sommer kommt ins Schwitzen. Und das liegt nicht nur an den Temperaturen. „Seit die Meldung raus ist, mache ich im Prinzip 18-Stunden-Tage“, so der Rechtsanwalt.
Gastgeschenk aus Nizza
Nicht wenige wollen wissen, wie ein Berliner Regionalligist zu einem Investor aus China kommt. „Per E‑Mail“, erklärt der Geschäftsführer. „Im März hat die ASU das erste Mal Kontakt mit uns aufgenommen. Wir waren uns zunächst nicht sicher, ob sich da jemand einen Scherz erlaubt.“
Doch China machte ernst. Zum Heimspiel gegen Cottbus erschien tatsächlich eine Delegation aus Fernost. Darunter auch Alex Zheng, Vorsitzender der ASU. Sommer beschreibt ihn als „höflichen, zurückhaltenden Menschen“. Der 50-Jährige hat als Gründer der Plateno Group, Chinas größter Hotelgruppe, Milliarden verdient und brachte gleich ein Gastgeschenk mit: Einen Schal des OGC Nizza.
Kein monogamer Investor
Schließlich hält Zheng mit der ASU 80 Prozent der Anteile am französischen Erstligisten. Seit seinem Einstieg im Jahr 2016 haben sich die Ausgaben des Klubs von der Côte d’Azur vervielfacht. Die Transferbilanzen für die Saisons 2016/17 und 2017/18 sind dennoch positiv. Auf hohe Investitionen folgten gewinnbringende Verkäufe.
Viktoria Berlin ist bereits das dritte Projekt des Chinesen. Auch in den amerikanischen Klub Phoenix Rising hat Zheng investiert. Sein Geld soll dem Team aus Arizona Zugang zur MLS verschaffen. Da drängt sich die Frage auf, wozu die ASU einen deutschen Regionalligisten braucht.
Hotelgruppe auf Expansionskurs
„Wir haben uns natürlich auch gefragt: ›Warum ausgerechnet wir?‹“, räumt Felix Sommer ein. Die Marktanalyse der ASU hätte ergeben, dass Viktoria in Deutschland der ideale Verein für die Pläne des Unternehmens sei. Über weitere Motive wolle er nicht spekulieren.
Fakt ist: Im August eröffnet mit dem „7 Days Premium“ ein Hotel der Plateno Group in der Nähe des Flughafens Berlin-Schönefeld. Das „7 Days Inn“, ebenfalls eine Untermarke von Zhengs Hotelgruppe, ist seit vergangenem Jahr strategischer Partner des OGC Nizza und möchte die Popularität des Vereins nutzen, um auf europäischer Ebene zu expandieren.
Für Viktoria kommt die Finanzspritze jedenfalls zur rechten Zeit. Erst im Winter hatte der Verein beschlossen, kürzerzutreten. Gut bezahlte Spieler sollten sich einen neuen Verein suchen. Stattdessen wollte Viktoria vermehrt auf den Nachwuchs setzen. Zu groß war der finanzielle Aufwand. Zu gering der sportliche Ertrag. „Keine Aufmerksamkeit, keine TV-Gelder. Regionalliga zu spielen, um Regionalliga zu spielen, macht ökonomisch keinen Sinn“, so Sommer.
Die abgelaufene Spielzeit beendete Viktoria Berlin in der Regionalliga Nordost auf Rang 13. Solche Platzierungen sollen dank chinesischer Unterstützung der Vergangenheit angehören. Es soll nach oben gehen. Weit nach oben. Darauf hat man sich bei Spargel und Schnitzel in einem Restaurant nahe der Geschäftsstelle in Lichterfelde geeinigt. „Die ASU zielt mit ihrem Engagement nicht darauf ab, dauerhaft 3. Liga zu spielen“, erklärt der Geschäftsführer.
Nächster Halt: Ausgliederung
Druck gäbe es von chinesischer Seite allerdings keinen. Ein Aufstieg aus der Regionalliga sei ohnehin nicht planbar. „94 Mannschaften spielen um vier Aufstiegsplätze. Die Regionalliga ist das Nadelöhr des deutschen Fußballs“, dämpft Sommer die Erwartungen. Ohnehin seien noch keine konkreten Summen vereinbart worden.
Beschlossene Sache ist dahingegen die schnellstmögliche Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung in eine Kapitalgesellschaft. Spätestens bis zum 30. Juni. Die Ausgliederung würde es der ASU erst erlauben, die entsprechenden Anteile zu erwerben.
„Unsere halbe U13 hat Angebote“
Felix Sommer sieht darin auch eine Schutzmaßnahme für den eingetragenen Verein: „Sollte etwas schief gehen, kann dafür nicht der gesamte Verein in Haftung genommen werden.“ So wolle er allerdings nicht denken. „Bei der Eheschließung wird nicht über die Scheidung geredet.“
Zumal der erhoffte sportliche Erfolg positiv auf den Gesamtverein abstrahlen würde. „Wir brauchen eine hochklassige Herrenmannschaft, sonst laufen uns im Jugendbereich die Talente weg. Unsere halbe U13 hat Angebote von Bundesligisten vorliegen“, wirbt der Geschäftsführer um Verständnis.
Das Restrisiko bleibt
Die Jugendabteilung ist so etwas wie das Prunkstück der Himmelblauen, die mit 70 am Spielbetrieb teilnehmenden Mannschaften der größte Fußballverein Deutschlands sind. Allein 48 Juniorenteams schickt Viktoria ins Feld. Die U19 spielt in der Regionalliga Nordost.
Ist der sportliche Erfolg allerdings mit fremdem Geld erkauft, begibt der Verein sich zwangsläufig in ein Abhängigkeitsverhältnis. Auch wenn er finanziell nicht in Haftung genommen werden kann. Bleibt irgendwann das Geld und dann der Erfolg aus, bleiben auch die Talente nicht mehr lange. Bei einem ausländischen Investor gäbe es immer das Risiko, „dass er plötzlich keine Lust mehr hat und den Verein fallen lässt“, mahnt Gerd Liesegang, Vizepräsident des Berliner Fußball-Verbandes (BFV).
Ohnehin braucht Viktoria mehr als Geld, um eine Perspektive im Profifußball zu haben. Zum Beispiel eine Spielstätte. Das Stadion Lichterfelde ist mit einer Gesamtkapazität von 4.300 Plätzen nicht nur zu klein, sondern ebenso atmosphärisch ungeeignet. Eine blaue Laufbahn sowie ein ähnlich breiter Treppenaufgang trennen die einzige überdachte Sitzplatztribüne vom Rasen.
Geschäftsführer Felix Sommer bringt den Jahn-Sportpark ins Spiel. Der wird jedoch erst einmal saniert und ist danach als behindertengerechtes Leichtathletikgelände eingeplant. Das weiß auch der Geschäftsführer und spricht von einer Notlösung. „Vielleicht machen wir auch erst mal unser eigenes Stadion fit für die 3. Liga“, überlegt Sommer.
„Viktoria ist kein Retortenverein“
Den Vorwurf, der FC 1889 würde sich durch das Engagement von Alex Zheng in die Liste deutscher Mäzenvereine einreihen, will er nicht gelten lassen. „Viktoria ist kein Retortenverein mit Klatschpappenpublikum. Wir feiern nächstes Jahr 130-Jähriges.“ Der Klub, der 2013 aus einer Fusion von Lichterfelder FC und BFC Viktoria hervorgegangen ist, hat zwei Deutsche Meistertitel, 1908 und 1911, in seiner Vita stehen.
Zehn Jahre seien die Verantwortlichen durch Berlin gezogen auf der Suche nach einem starken Partner. Niemand hätte sich für das Projekt interessiert. „Es ist doch bezeichnend, dass nach einem Jahrzehnt der Suche ausgerechnet ein Mann vom anderen Ende der Welt in Viktoria etwas sieht, das keiner in Deutschland gesehen hat“, gibt der Anwalt zu Bedenken. Ob das nun Tradition ist oder eine günstige Geschäftsgelegenheit.
„Außerdem: Wie sollen wir denn sonst nach oben kommen?“, fragt Sommer. Es sei ein Märchen, dass der sportliche Aufstieg ohne externe Geldgeber möglich wäre. „So zu tun als wären wir der erste Sündenfall, ist heuchlerisch. Wir spielen nur nach den Regeln, die andere vor uns gemacht haben.“ Anders gesagt: Viktoria Berlin hat sich dazu entschieden, Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Die Verantwortlichen müssen aufpassen, dass sie sich dabei nicht die Finger verbrennen.