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So viel Auf­merk­sam­keit sind sie bei Vik­toria Berlin nicht gewohnt. Kaum hatte der Regio­nal­li­gist die Zusam­men­ar­beit mit dem Sport­ver­markter aus Hong­kong öffent­lich gemacht, klin­gelte bei Felix Sommer pau­senlos das Telefon. Auch in seinem Anwalts­büro. Der RBB wollte schon den Über­tra­gungs­wagen los­schi­cken“, erzählt der Geschäfts­führer am Mitt­woch­vor­mittag bei einer Tasse Kaffee.

Die Son­nen­brille hat er ins Haar geschoben, der oberste Knopf seines Polo-Hemds ist geöffnet: Felix Sommer kommt ins Schwitzen. Und das liegt nicht nur an den Tem­pe­ra­turen. Seit die Mel­dung raus ist, mache ich im Prinzip 18-Stunden-Tage“, so der Rechts­an­walt.

Gast­ge­schenk aus Nizza

Nicht wenige wollen wissen, wie ein Ber­liner Regio­nal­li­gist zu einem Investor aus China kommt. Per E‑Mail“, erklärt der Geschäfts­führer. Im März hat die ASU das erste Mal Kon­takt mit uns auf­ge­nommen. Wir waren uns zunächst nicht sicher, ob sich da jemand einen Scherz erlaubt.“

Doch China machte ernst. Zum Heim­spiel gegen Cottbus erschien tat­säch­lich eine Dele­ga­tion aus Fernost. Dar­unter auch Alex Zheng, Vor­sit­zender der ASU. Sommer beschreibt ihn als höf­li­chen, zurück­hal­tenden Men­schen“. Der 50-Jäh­rige hat als Gründer der Pla­teno Group, Chinas größter Hotel­gruppe, Mil­li­arden ver­dient und brachte gleich ein Gast­ge­schenk mit: Einen Schal des OGC Nizza.

Kein mono­gamer Investor

Schließ­lich hält Zheng mit der ASU 80 Pro­zent der Anteile am fran­zö­si­schen Erst­li­gisten. Seit seinem Ein­stieg im Jahr 2016 haben sich die Aus­gaben des Klubs von der Côte d’Azur ver­viel­facht. Die Trans­fer­bi­lanzen für die Sai­sons 2016/17 und 2017/18 sind den­noch positiv. Auf hohe Inves­ti­tionen folgten gewinn­brin­gende Ver­käufe.

Vik­toria Berlin ist bereits das dritte Pro­jekt des Chi­nesen. Auch in den ame­ri­ka­ni­schen Klub Phoenix Rising hat Zheng inves­tiert. Sein Geld soll dem Team aus Ari­zona Zugang zur MLS ver­schaffen. Da drängt sich die Frage auf, wozu die ASU einen deut­schen Regio­nal­li­gisten braucht.

Hotel­gruppe auf Expan­si­ons­kurs

Wir haben uns natür­lich auch gefragt: ›Warum aus­ge­rechnet wir?‹“, räumt Felix Sommer ein. Die Markt­ana­lyse der ASU hätte ergeben, dass Vik­toria in Deutsch­land der ideale Verein für die Pläne des Unter­neh­mens sei. Über wei­tere Motive wolle er nicht spe­ku­lieren.

Fakt ist: Im August eröffnet mit dem 7 Days Pre­mium“ ein Hotel der Pla­teno Group in der Nähe des Flug­ha­fens Berlin-Schö­ne­feld. Das 7 Days Inn“, eben­falls eine Unter­marke von Zhengs Hotel­gruppe, ist seit ver­gan­genem Jahr stra­te­gi­scher Partner des OGC Nizza und möchte die Popu­la­rität des Ver­eins nutzen, um auf euro­päi­scher Ebene zu expan­dieren.

Für Vik­toria kommt die Finanz­spritze jeden­falls zur rechten Zeit. Erst im Winter hatte der Verein beschlossen, kürz­er­zu­treten. Gut bezahlte Spieler sollten sich einen neuen Verein suchen. Statt­dessen wollte Vik­toria ver­mehrt auf den Nach­wuchs setzen. Zu groß war der finan­zi­elle Auf­wand. Zu gering der sport­liche Ertrag. Keine Auf­merk­sam­keit, keine TV-Gelder. Regio­nal­liga zu spielen, um Regio­nal­liga zu spielen, macht öko­no­misch keinen Sinn“, so Sommer.

Die abge­lau­fene Spiel­zeit been­dete Vik­toria Berlin in der Regio­nal­liga Nordost auf Rang 13. Solche Plat­zie­rungen sollen dank chi­ne­si­scher Unter­stüt­zung der Ver­gan­gen­heit ange­hören. Es soll nach oben gehen. Weit nach oben. Darauf hat man sich bei Spargel und Schnitzel in einem Restau­rant nahe der Geschäfts­stelle in Lich­ter­felde geei­nigt. Die ASU zielt mit ihrem Enga­ge­ment nicht darauf ab, dau­er­haft 3. Liga zu spielen“, erklärt der Geschäfts­führer.

Nächster Halt: Aus­glie­de­rung

Druck gäbe es von chi­ne­si­scher Seite aller­dings keinen. Ein Auf­stieg aus der Regio­nal­liga sei ohnehin nicht planbar. 94 Mann­schaften spielen um vier Auf­stiegs­plätze. Die Regio­nal­liga ist das Nadelöhr des deut­schen Fuß­balls“, dämpft Sommer die Erwar­tungen. Ohnehin seien noch keine kon­kreten Summen ver­ein­bart worden.

Beschlos­sene Sache ist dahin­gegen die schnellst­mög­liche Aus­glie­de­rung der Lizenz­spie­ler­ab­tei­lung in eine Kapi­tal­ge­sell­schaft. Spä­tes­tens bis zum 30. Juni. Die Aus­glie­de­rung würde es der ASU erst erlauben, die ent­spre­chenden Anteile zu erwerben.

Unsere halbe U13 hat Ange­bote“

Felix Sommer sieht darin auch eine Schutz­maß­nahme für den ein­ge­tra­genen Verein: Sollte etwas schief gehen, kann dafür nicht der gesamte Verein in Haf­tung genommen werden.“ So wolle er aller­dings nicht denken. Bei der Ehe­schlie­ßung wird nicht über die Schei­dung geredet.“

Zumal der erhoffte sport­liche Erfolg positiv auf den Gesamt­verein abstrahlen würde. Wir brau­chen eine hoch­klas­sige Her­ren­mann­schaft, sonst laufen uns im Jugend­be­reich die Talente weg. Unsere halbe U13 hat Ange­bote von Bun­des­li­gisten vor­liegen“, wirbt der Geschäfts­führer um Ver­ständnis.

Das Rest­ri­siko bleibt

Die Jugend­ab­tei­lung ist so etwas wie das Prunk­stück der Him­mel­blauen, die mit 70 am Spiel­be­trieb teil­neh­menden Mann­schaften der größte Fuß­ball­verein Deutsch­lands sind. Allein 48 Junio­ren­teams schickt Vik­toria ins Feld. Die U19 spielt in der Regio­nal­liga Nordost.

Ist der sport­liche Erfolg aller­dings mit fremdem Geld erkauft, begibt der Verein sich zwangs­läufig in ein Abhän­gig­keits­ver­hältnis. Auch wenn er finan­ziell nicht in Haf­tung genommen werden kann. Bleibt irgend­wann das Geld und dann der Erfolg aus, bleiben auch die Talente nicht mehr lange. Bei einem aus­län­di­schen Investor gäbe es immer das Risiko, dass er plötz­lich keine Lust mehr hat und den Verein fallen lässt“, mahnt Gerd Lie­se­gang, Vize­prä­si­dent des Ber­liner Fuß­ball-Ver­bandes (BFV).

Ohnehin braucht Vik­toria mehr als Geld, um eine Per­spek­tive im Pro­fi­fuß­ball zu haben. Zum Bei­spiel eine Spiel­stätte. Das Sta­dion Lich­ter­felde ist mit einer Gesamt­ka­pa­zität von 4.300 Plätzen nicht nur zu klein, son­dern ebenso atmo­sphä­risch unge­eignet. Eine blaue Lauf­bahn sowie ein ähn­lich breiter Trep­pen­auf­gang trennen die ein­zige über­dachte Sitz­platz­tri­büne vom Rasen.

Geschäfts­führer Felix Sommer bringt den Jahn-Sport­park ins Spiel. Der wird jedoch erst einmal saniert und ist danach als behin­der­ten­ge­rechtes Leicht­ath­le­tik­ge­lände ein­ge­plant. Das weiß auch der Geschäfts­führer und spricht von einer Not­lö­sung. Viel­leicht machen wir auch erst mal unser eigenes Sta­dion fit für die 3. Liga“, über­legt Sommer.

Vik­toria ist kein Retor­ten­verein“

Den Vor­wurf, der FC 1889 würde sich durch das Enga­ge­ment von Alex Zheng in die Liste deut­scher Mäzen­ver­eine ein­reihen, will er nicht gelten lassen. Vik­toria ist kein Retor­ten­verein mit Klatsch­pap­pen­pu­blikum. Wir feiern nächstes Jahr 130-Jäh­riges.“ Der Klub, der 2013 aus einer Fusion von Lich­ter­felder FC und BFC Vik­toria her­vor­ge­gangen ist, hat zwei Deut­sche Meis­ter­titel, 1908 und 1911, in seiner Vita stehen.

Zehn Jahre seien die Ver­ant­wort­li­chen durch Berlin gezogen auf der Suche nach einem starken Partner. Nie­mand hätte sich für das Pro­jekt inter­es­siert. Es ist doch bezeich­nend, dass nach einem Jahr­zehnt der Suche aus­ge­rechnet ein Mann vom anderen Ende der Welt in Vik­toria etwas sieht, das keiner in Deutsch­land gesehen hat“, gibt der Anwalt zu Bedenken. Ob das nun Tra­di­tion ist oder eine güns­tige Geschäfts­ge­le­gen­heit.

Außerdem: Wie sollen wir denn sonst nach oben kommen?“, fragt Sommer. Es sei ein Mär­chen, dass der sport­liche Auf­stieg ohne externe Geld­geber mög­lich wäre. So zu tun als wären wir der erste Sün­den­fall, ist heuch­le­risch. Wir spielen nur nach den Regeln, die andere vor uns gemacht haben.“ Anders gesagt: Vik­toria Berlin hat sich dazu ent­schieden, Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Die Ver­ant­wort­li­chen müssen auf­passen, dass sie sich dabei nicht die Finger ver­brennen.