Dortmund startet furios, geht früh mit 2:0 in Führung – und verliert am Ende doch wieder deutlich in München. Wirklich schlecht sieht der BVB aber vor allem nach dem Abpfiff aus. Weil die Spieler die Schuld für die Niederlage auch beim Schiedsrichter sehen.
Und er war nicht der einzige Dortmunder, der nach dem Spiel wütender auf den Schiedsrichter zu sein schien als auf die eigene Leistung. Trainer Edin Terzic zum Beispiel stimmte seinem Kapitän zu: „Für mich ist es ein klares Foul.“ Auch Can, der den vermeintlich entscheidenden Zweikampf gegen Sané zwar deutlich treffender bewertete („Kann er pfeifen, muss er aber nicht“) beschwerte sich über zu viele Pfiffe „für Rot“ und über zu viele Pfiffe „auf Zuruf“. „Das war heute ein bisschen zu oft“, sagte Can. Er habe das, so der Nationalspieler weiter, dem Schiedsrichter auch persönlich gesagt. Weshalb wir an dieser Stelle gerne für Marco Fritz antworten wollen: 27:4 Schüsse insgesamt und 9:3 Schüsse aufs Tor und 6:0 Ecken für die Bayern waren insgesamt auch ein bisschen zu viele, um sich danach über die Leistung des Schiedsrichters zu beschweren.
Nicht falsch verstehen: Dass ein Mann wie Marco Reus vor laufenden Kameras das sagt, was ihm durch den Kopf geht, und nicht das, was von ihm schon in den vergangenen 623 Interviews mit immer den gleichen Worten in immer nur leicht variierter Reihenfolge gesagt worden ist, das finden wir unbedingt gut und erfreulich. Gerne wieder. Und: Wir sind normalerweise auch rundum begeistert, wenn sich mal jemand mit den Bayern anlegt, wenn nicht nur ehrfürchtig geklatscht, sondern auch mal wütend die Faust geballt wird.
„Das war heute ein bisschen zu oft“
Zudem haben wir natürlich auch Verständnis dafür, wie frustrierend es für Marco Reus mit den verdammten Bayern sein muss, die ihm nicht nur den Champions-League-Titel und diverse Meisterschalen vor der Nase weggeschnappt haben, sondern die ihm und seinen Kollegen auch Jahr für Jahr mit einer saftigen Klatsche in München sehr eindrücklich die Grenzen aufzeigen. Das ist ätzend. Das ist nervig. Das ist frustrierend. Und wir selbst würden diesen Frust vermutlich eher in der Paulo-Otavio-Blutgrätsche-von-hinten-Art-und-Weise rauslassen als in der Marco-Reus-Interview-Version. Das Problem dabei: Das Interview klang nicht nach geballter Faust, nach Wut und Rachegelüsten und Jetzt-erst-Recht-Schwur, es klang nach Nölerei und Fingerzeigen, nach petzendem kleinen Bruder, der sich nicht aus eigener Kraft gegen den größeren Bruder zur Wehr setzen kann oder will.
Ein Sound, den Marco Reus (der in insgesamt 30 Spielen gegen die Bayern immerhin elf Tore geschossen und acht weitere vorbereitet hat) eigentlich nicht nötig hat. Ein Sound vor allem, der nicht so richtig zu null Punkten und 5:30-Toren in den vergangenen sieben Dortmunder Bundesliga-Auswärtsspielen in München passen will. Zur eigenen Verantwortung dafür. Ein Sound auch, den sich die BVB-Repräsentanten gar nicht erst angewöhnen sollten, wollen sie und ihr Verein jemals wieder als Konkurrent der Bayern und nicht als beleidigte erste Verlierer angesehen werden. Außerdem ist es ja so: Wäre Dortmund nach der 2:0‑Führung voller Überzeugung aufs dritte Tor gegangen, dann hätten sie das gegen defensiv aktuell enorm anfällige Bayern wahrscheinlich auch erzielt und dementsprechend auf keinen Fall mit 2:4 verloren. Fertig, aus, ist so.
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