Acht Rote Karten, drei Monate Knast, ungezählte Skandale, ein Leben lang Leidenschaft: Duncan Ferguson, geliebter Bad Boy der Premier League.
Nach 56 Minuten nickt Ferguson einen Eckball zum 1:0 ins Netz. Es ist sein erstes Tor für den Klub. Kurz vor dem Schlusspfiff ist es ein Kopfballduell mit seiner Beteiligung, das das 2:0 durch Paul Rideout einleitet. Zur Melodie von „Go West“ singen die Fans „Dun-can – Duncan Fer-gu-son!“ Es ist der Beginn einer großen Liebesgeschichte. Am Ende der Saison hat Ferguson Everton vor dem Abstieg gerettet und ins FA-Cup-Finale geführt. Dort kann er, schwer angeschlagen, zunächst nur von der Bank zuschauen. Kurz nach der Halbzeit wird er eingewechselt und hilft mit, das 1:0 gegen Manchester United über die Zeit zu bringen.
Zur Not gibt es eben auf die Schnauze
„Big Dunc“ bleibt bis zur Jahreswende 1998/99. Er schießt 42 Tore in 107 Spielen. Er wirft seine 193 Zentimeter in jeden Zweikampf, er blutet für Everton, er grätscht für Everton, und wenn ihm einer dumm kommt, haut er seinen Gegnern auch für Everton auf die Schnauze. Dann wird er verkauft und will doch gar nicht weg. Aber Everton hat Geldsorgen und Ferguson ist das wertvollste Pferd im Stall. Bevor er zu Newcastle United wechselt, schreibt er seinen Fans einen offenen Brief: „Man hat mich gezwungen, den Klub, den ich liebe, zu verlassen. Für mich und meine Familie ist das ein großer Schock.“ Und er bedankt sich für die zahlreichen Briefe, die er im Knast von den Evertonians bekommen hat – obwohl er er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ein Tor für den Verein erzielt hatte.
Müßig zu erwähnen, dass er in Newcastle nie wirklich glücklich wird. Nach einer Spielzeit kehrt er zu seinem Herzensverein zurück. Er hat nicht mehr ganz die Wucht und die Klasse von einst, doch an guten Tagen ist er eine Naturgewalt. In vielerlei Hinsicht: Immer wieder leistet er sich einen Fehltritt. Er ringt mit Paul Ince, würgt Steffen Freund und verpasst Paul Scharner eine Kelle, für die der Österreicher, selbst kein Kind von Traurigkeit, sogar warme Worte findet: „It was a nice punch!“ Am Ende seiner Karriere hat Ferguson acht rote Karten gesammelt, gemeinsam mit Patrick Vieira und Richard Dunne ist er bis heute Rekordhalter in dieser unrühmlichen Disziplin. Aber Liverpool ist eine harte Stadt, hier lieben sie harte Jungs. Und Ferguson gilt als einer der Härtesten.
Er schießt ein Tor gegen Liverpool und zeigt seine Tattoo – das Wappen seines Klubs
Am 16. April 2001 macht er sich unsterblich. Nach seinem Tor im Merseyside-Derby zieht er sein Trikot aus und präsentiert den Fans sein neues Schulter-Tattoo: es ist das Wappen des FC Everton. Statt des markanten Prince Rupert´s Tower prangt in der Mitte Fergusons Rückennummer, die „9“. Nil Satis Nisi Optimum steht traditionell in den Banderolen: Nur das Beste ist gut genug. Mehr Liebeserklärung geht im Fußball nicht. Zumal Fergusons Oberkörper ansonsten frei von Tattoos ist.
Die Saison 2005/06 ist seine Letzte. Er beendet seine Karriere dort, wo er sie beenden wollte. Zum Abschied gelingt ihm noch ein Tor gegen West Bromwich Albion im geliebten Goodison Park. Einen zunächst gehaltenen Elfmeter stopft er im Nachsetzen rein. Ein dreckiges Tor. Kann sich ein Mann, der „Duncan Disorderly“ gerufen wird, würdevoller verabschieden?