Acht Rote Karten, drei Monate Knast, ungezählte Skandale, ein Leben lang Leidenschaft: Duncan Ferguson, geliebter Bad Boy der Premier League.
Fußballer wie Duncan Ferguson werden heute nicht mehr gebaut. Weil sich die Klubs solche Typen nicht mehr erlauben wollen. Oder weil die Klubs glauben, dass sie sich solche Spieler nicht mehr erlauben dürfen.
Eigentlich ist das schade. Für uns Fans, für den Fußball – vor allem aber für den Unterhaltungswert dieses Sports. Die Stars der Gegenwart mögen großartige Kicker sein. Als Charakterköpfe sind sie zumeist unbrauchbar.
Bis zum Hals Weltklasse
Duncan Ferguson war anders, weil er anders sein durfte. Weil die Zeit, in der er als Fußballer seine ersten Gehversuche machte, ebenfalls eine andere war. Ohne soziale Netzwerke und mediale Überfrachtung, dafür versehen mit einem zum Teil schmuddeligen Image, in dem Figuren wie ein 1,93 Meter großer Schotte mit Hang zu Streit und Sauferei nicht bereits im Teenager-Alter aussortiert wurden. Es gibt sie ja heute noch, die Fergusons der Gegenwart. Unglaublich talentiert, Fußballer durch und durch – aber mit einer Persönlichkeit versehen, die einst der große Soziologe Otto Rehhagel treffend analysierte, als er über Mario Basler urteilte: „Bis zum Hals Weltklasse, darüber Kreisklasse.“ Basler war übrigens Lieblingsspieler des ansonsten sehr gestrengen Rehhagel. Otto briet Mario eine ganze LKW-Ladung voller Extrawürste und der dankte es ihm mit Dribblings und Toren, von denen noch heute gesprochen wird. Unnötig zu erwähnen, dass es Trainer wie Otto Rehhagel heute ebenfalls nicht mehr gibt.
Auch von Duncan Ferguson sprechen sie auf der Insel noch heute. Im Pub, auf dem Weg zum Stadion, in der Mittagspause. Sie erinnern sich an seine Tore und sein wildes Spiel, mit dem er ganze Abwehrreihen beschäftigte. Vor allem aber an Geschichten, die dem 1971 geborenen Ferguson den Spitznamen „Duncan Disorderly“ einbrachten, Duncan ordnungswidrig. Eine dieser Geschichten charakterisiert den Wahnsinn und die Leidenschaft seines Wesens vielleicht am ehesten. War er einer diesre Charakterköpfe, nach denen wir uns heute so sehnen? Wagen wir dafür eine Zeitreise. Zurück in den Abend des 20. November 1994. Ein Sonntag in Liverpool.
Olaf Thon war ganz begeistert: „Wie heißt der denn?“
Seit Beginn der Saison 1994/95 spielt Duncan Ferguson beim FC Everton. Trainer Mike Walker hat den 22-jährigen Angreifer von Glasgow Rangers ausgeliehen. Dort hatte man 1993 noch die Rekordsumme von vier Millionen Pfund an Dundee United überwiesen, um Ferguson stürmen zu sehen. Selbst die Bayern hatten sich interessiert gezeigt, nachdem der Youngster im März 1993 den amtierenden Weltmeister aus Deutschland beim Freundschaftsspiel im Hampden Park (1:0 für die DFB-Elf) ordentlich durchgeschüttelt hatte. „Ich war immer skeptisch bei britischen Spielern“, so Bayern-Vize Karl-Heinz Rummenigge, „aber was er heute gemacht hat, hat mich überzeugt. Acht von zehn Kopfbällen gewinnt er gegen Buchwald – und der gilt als der beste Spezialist der Bundesliga.“ Nachfrage von Libero Olaf Thon nach dem Schlusspfiff: „Hervorragend, die Nummer neun. Wie heißt der denn?“