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Muss man ihn noch vor­stellen? Manni Breuck­mann, 57, Rund­funk­le­gende, die Stimme des Wes­tens“. Mehr als 30 Jahren beglei­tete sein mar­kantes Organ die Fuß­ball­spiele der Bun­des­liga. Am letzten Spieltag der Hin­runde been­dete er seine Kar­riere. Grund genug mit Ihm zu spre­chen. Ein Anruf, Manni wartet auf seine Möbel­pa­cker. Die lassen auf sich warten. Zum Glück. Jetzt hat er Zeit für Fragen.



Manni Breuck­mann, stellen Sie sich vor, Sie hätten die freie Aus­wahl: Wel­ches Spiel der Fuß­ball-Geschichte würden Sie gerne noch einmal kom­men­tieren?


Ich würde ein anderes Ergebnis auf einem anderen Platz kom­men­tieren. Das wäre dann Schalke gegen Unter­ha­ching 2001. Dann müsste gleich­zeitig der HSV gegen Bayern Mün­chen ver­lieren. Das würde ich bren­nend gerne noch einmal kom­men­tieren.

Dieser letzte Spieltag, die Schalker Bei­nahe-Meis­ter­schaft, hat sich dann doch in Ihr emo­tio­nales Gedächtnis ein­ge­brannt…


Das ist ein Spiel gewesen, das mich doch über­durch­schnitt­lich bewegt hat, nor­ma­ler­weise sehe ich solche Dinge eher cool und da muss schon viel pas­sieren, bis mich etwas anfrisst. Glei­ches gilt für 2007, als Schalke in Dort­mund ver­loren hat und damit die Meis­ter­schaft ver­geigt hat. Das war auch nicht so schön.

Sind Sie Schalke-Fan, ohne fana­tisch zu sein?
Auf jeden Fall ist eine Sym­pa­thie da. Wenn man nach mehr als drei Jahr­zehnten Kom­men­tie­rung noch fana­tisch ist, dann muss irgendwie was schief gelaufen sein. Es ist eine Sym­pa­thie, die man aber eigent­lich noch aus­weiten kann: Ich habe eine gene­relle Sym­pa­thie für Ver­eine aus dem Ruhr­ge­biet. Da komm´ ich her, da bin ich ver­wur­zelt.

Sie wohnen in Düs­sel­dorf. Zählt die For­tuna da nicht auch zu Ihrem Favo­ri­ten­kreis?


Nicht wirk­lich. Die haben sport­lich und in der Ver­eins­füh­rung so viel ver­sau­beu­telt. Ich wohne seit 1975 in Düs­sel­dorf, eine enge emo­tio­nale Bin­dung zum Verein habe ich noch nicht fest­stellen können.

Aber zum VfB Mar­burg werden Sie doch noch eine gewisse Ver­bin­dung auf­weisen können. Schließ­lich haben Sie von 1971 – 75 in Mar­burg Rechts­wis­sen­schaften stu­diert.

Auch nicht. Die hießen damals aber auch anders: VfL Mar­burg. Und die Sport­freunde gab es auch noch. Ich wohnte zu meiner Stu­den­ten­zeit nur 300 Meter Luft­linie vom Groß­sport­feld ent­fernt, war quasi in Reich­weite. Wie heißt das eigent­lich jetzt?

Georg-Gas­s­mann-Sta­dion, nach dem ehe­ma­ligen Bür­ger­meister.


Groß­sport­feld war auch ein ziem­lich sper­riger Name.

Ist der Gedanke nicht erschre­ckend, dass die eigene Stimme ein Fuß­ball­spiel in Mil­lionen Wohn­zimmer und Auto­ra­dios trans­por­tiert?


Ne. Das war viel­leicht am Anfang so, ist aber lange lange nicht mehr der Fall. Diese Vor­stel­lung habe ich nicht. Was ich merke: Wenn ich schlech­tere und bes­sere Tage habe. Dann fehlt es an For­mu­lie­rungs­kraft. Aber das ich mich erschrecke, dass meine Stimme aus Mil­lionen Radios kommt? Nein, das nicht mehr.

Ver­raten Sie es uns: Was benö­tigt ein erfolg­rei­cher Radio­kom­men­tator?


Er muss zunächst mal eine gute Auf­fas­sungs­gabe haben, er muss relativ schnell reagieren können und in der Lage sein das, was er sieht, in Sprache umsetzen zu können. Ein gewisser Ori­gi­na­li­täts­grad ist not­wendig, er sollte nicht diese Stan­dard-Flos­keln abson­dern. Und er sollte sich trauen, auch dras­ti­sche Urteile abzu­geben, ohne dabei belei­di­gend zu sein. Aber er muss seine Mei­nung sagen zu dem Spiel, bloß nicht so ange­passt reden und denken. Natür­lich sollte ein erfolg­rei­cher Kom­men­tator, oder einer, der es werden will, eine gewisse Dynamik in der Stimme mit­bringen.

Das müssen Sie uns mit Ihrer dyna­mi­schen Stimme noch näher erklären.

Sagen wir es so: Es ist för­der­lich für die Wahr­neh­mung, wenn man eine mar­kante Stimme hat. Damit die Leute schon nach zehn Sekunden Zuhören wissen: Ah, das ist der Breuck­mann, oder das ist der Hansch. Das ist schon sehr wichtig.

Hat man Ihnen denn schon vor der großen Radio-Kar­riere gesteckt, dass Sie eine tolle Stimme besitzen?


Nein, und eigent­lich fand ich meine Stimme auch nicht so berau­schend. Ehr­lich gesagt, tue ich das heute noch nicht. Mir haben aber schon so viele Men­schen gesagt, ich würde eine tolle Stimme besitzen, dass das wohl wahr sein muss. Jeden­falls ist meine Stimme nicht scheiße, um es mal so zu sagen. Ich kann mit Ihr ganz gut arbeiten.

Die eins­tige Radioikone Werner Hansch, seit mehr als zehn Jahren beim Fern­sehen, hat das Medium Radio als seine große Liebe bezeichnet. Sie sind dem Funk­haus immer treu geblieben. Eine gute Ent­schei­dung?

Ehr­lich gesagt: Ich habe das keine ein­zige Sekunde bereut. Es gab mal die vage Mög­lich­keit, für die Sport­schau zu arbeiten – dann hätte ich aber Kon­serven her­stellen müssen, und ich bin kein Kon­ser­ven­fa­bri­kant. Ich bin Live-Bericht­erstatter. Die Sport­schau macht Berichte, da ist das Spiel schön längst vorbei. Dann hatte ich noch ein Angebot von Pre­miere. Das hätte aller­dings bedeutet, irgendwo in Unter­föh­ring in so einer Box zu sitzen und über zwei drei Bild­schirme ein Fuß­ball­spiel zu kom­men­tieren. Das ist nicht meine Art zu arbeiten. Das ist für mich eine Hor­ror­vor­stel­lung! Wat weiß ich, wenn da Dort­mund gegen Schalke spielt, setze ich mich nicht etwa in mein Auto und fahre zum Sta­dion – ich steige mor­gens in ein Flug­zeug, das mich nach Mün­chen bringt und kom­men­tiere da das Spiel. Da scheiß´ ich drauf.

Sie brau­chen das Sta­dion.


Ja, na klar! Das ist für mich eine absolut ent­frem­dete Tätig­keit, aus einer Box heraus den Ein­druck zu ver­mit­teln, man sei live bei einem Fuß­ball­spiel im Sta­dion.

Wonach muss ein Sta­dion rie­chen, wonach muss es schme­cken?

Natür­lich muss jedes Sta­dion nach einer vor­züg­li­chen Brat­wurst rie­chen, glück­li­cher­weise riecht es dort noch nicht nach Pop­corn! (lacht) So wie im Kino, die rie­chen immer nach kleb­rigen Pop­corn. Der Geruch von Brat­wurst und Bier: So muss ein Sta­dion rie­chen. Es müssen viele Men­schen da sein, und die Archi­tektur muss so gestaltet sein, das die Stim­mung da ist. Ich ent­puppe mich in zuneh­menden Alter doch als recht kon­ser­vativ: Schon so ein Sta­dion auf Schalke emp­finde ich als zu moder­nis­tisch. Das ist wie eine Halle. Man kann es nicht ver­glei­chen mit… jetzt hätte ich es doch fast mit dem Dort­munder Sta­dion ver­gli­chen (lacht). Nehmen wir lieber das Ham­burger Sta­dion, das ist noch ein rich­tiges Fuß­ball­sta­dion.
Die sind schwer zu finden heut­zu­tage… Absolut. Und außerdem gibt es noch wei­teres Pro­blem: Die Sta­dien sind sich alle viel zu ähn­lich. Alte werden abge­rissen und durch neue ersetzt, die sich alle sehr ähneln. 2002 war ich beim Cham­pions-League-Finale im Glas­gower Hampden Park…

(aner­ken­nendes Raunen)


…aber auch das ist eine hoch­mo­derne Arena, wo du nicht den Unter­schied zu anderen Sta­dien fest­stellen kannst! Unglaub­lich.

Warum ver­missen wir diese alten Fuß­ball-Kampf­bahnen so sehr? Helfen Sie uns.


So ne´ moder­nis­ti­sche Archi­tektur ist manchmal auch sehr kalt. Ich habe das auch im neuen Wem­bley-Sta­dion gemerkt, beim ersten Län­der­spiel zwi­schen Eng­land und Deutsch­land. Die haben ja noch nicht einmal diese Twin-Towers stehen gelassen! Die haben es noch nicht einmal übers Herz gebracht, die alten Türme in ihre Archi­tektur mit ein­zu­planen. Das muss ich dem Archi­tekten Norman Foster zum Vor­wurf machen. Das ist ein Verrat an der Fuß­ball-Geschichte! Zum Wem­bley-Sta­dion gehören die Twin-Towers, selbst wenn dir die Ratten aus jeder Ecke ent­gegen springen. Die ganze Atmo­sphäre war sehr kühl und inter­es­san­ter­weise machten die paar tau­send deut­schen Fans erheb­lich mehr Zirkus als die Eng­länder. Das fand ich auch schon sehr erstaun­lich.

Wie kann man sich Ihre Arbeit auf der Pres­se­tri­büne vor­stellen? Sie spra­chen in einem Inter­view mal von 35 Seiten mit Sta­tis­tiken, die Ihnen vor jedem Spiel auf den Platz gelegt werden…


(unter­bricht) Ach, das sind jetzt sogar viel mehr! Inzwi­schen sind es 70 Seiten. (lacht) Vor jedem Spiel bekomme ich diese 70 Seiten in die Hände gedrückt, voll mit Sta­tis­tiken, auch zu jedem ein­zelnen Spieler gibt es Infor­ma­tionen. Man guckt sich das mal an. Eigent­lich könnte man zu jedem Spieler ein ein­ein­halb-minü­tiges Por­trait machen, aber dabei ins Detail zu gehen wäre ja der helle Wahn­sinn. Vor allem, da mit jeder Seite Sta­tistik, die ich mehr bekomme, die Ein­blen­dungs­zeiten immer kürzer werden. Die meisten Ein­blen­dungen, die ich da mache, sind ja nur 45 Sekunden lang. Da kannst du ja über­haupt nichts unter­bringen, ein Gaga-Zustand ist das eigent­lich. Diese Vor­be­rei­tung vor dem Anpfiff dient ja auch in erster Linie dafür, sich selbst zu beru­higen. Denn wenn man gut vor­be­reitet ist, geht man auch wesent­lich ent­spannter ins Spiel, viele Infor­ma­tionen kannst du dann trotzdem nicht unter­bringen. Und außerdem: Für mich spielt die Musik auf dem Platz und nicht in den sta­tis­ti­schen Unter­lagen.

Wie war das ganz am Anfang Ihrer Kar­riere – sind Sie da die mög­li­chen Spiel­szenen vorher in Gedanken durch gegangen? Ne. Ich habe mir immer eine Din A4-Seite aus­ge­schrieben, wenn ich die über­haupt voll bekommen habe. Da schreibt man sich auch wäh­rend des Spiels die Tor­chancen auf, auch wenn das ziem­lich nervig sein kann, wenn man alle Tor­raum­szenen noch mal schil­dert, wenn man an der Reihe ist. Dann geht’s rein ins Spiel, wie ist der Ver­lauf bis­lang, wer ist stärker, wer ist schwä­cher. Es gibt ja nichts schlim­meres, als wenn 50.000 Men­schen im Hin­ter­grund auf­schreien und er da am Mikro erzählt mir wat aus der 22. Minute! Ich muss am Ball bleiben, die Spiel­ge­scheh­nisse schil­dern, das hat Vor­rang.

Andere Zeiten, weniger Infor­ma­tionen.


Zur Welt­meis­ter­schaft 1982 bin mit dem Kicker-Son­der­heft gefahren, meine ein­zige Infor­ma­ti­ons­quelle für das Tur­nier! Ich saß dann irgendwo in Gali­zien, Vigo und La Coruna. Es gab noch keine Mails oder so Scherze, noch nicht einmal Faxe konnte ich dort emp­fangen. Da musste ich aber dann plötz­lich mal Peru gegen Ita­lien kom­men­tieren, 30 Minuten am Stück! Da drehste dann aber schnell am Rad und lernst die schöne Fähig­keit, aus Scheiße Gold zu machen, wenn es denn mal Gold war (lacht). Es hat sich also schon viel geän­dert, im Gegen­satz zu früher.

Noch einmal zurück zu Ihrer Zeit in Mar­burg: Haben Sie an der Lahn auch selber aktiv Fuß­ball gespielt? Heute gibt es hier die famose Bunte Liga mit mehr als 500 Bolzern…


Ich habe mal mit­ge­spielt bei…, wie heißt das noch…, so ein latei­ni­scher Name…

Sport-Dies?


Genau! Da habe ich mal mit­ge­spielt in einer Mann­schaft, die nannten sich Die blut­jungen Ver­führer“. Wir sind aller­dings ziem­lich früh aus­ge­schieden. Ansonsten war ich als begeis­terter, wenn auch nicht begna­deter Spieler beim Hobby-Fuß­ball zu Gange. Fünf gegen fünf auf kleine Tore auf den Lahn­wiesen.

Ihr Wohnort soll auch eng mit der Anek­dote um zwei Kühe ver­bunden gewesen sein…

Ach, ich habe in Ockers­hausen gewohnt, bei der Witwe Muth, ein ehe­ma­liger Bau­ernhof, und aus dem Fenster konnte ich auf den wei­terhin exis­tie­renden Mist­haufen gucken. Einer Bekannten habe ich immer erzählt, ich müsste jeden Morgen die Kühe melken und dürfte des­wegen für 50 Mark Miete wohnen. Das hat die auch voll geglaubt. Es gibt leicht­gläu­bige Men­schen. Aller­dings: es kos­tete auch wirk­lich nur 50 D‑Mark. Dafür stand weder eine Dusche, noch flie­ßend warmes Wasser zur Ver­fü­gung. Warm­wasser musste mit einem Tauch­sieder erschaffen werden (lacht), letzt­lich war es grausam, aber damals war ich offenbar noch bescheiden.

In einem Gespräch mit dem WDR ver­riet ein alter Mar­burger Bekannter von Ihnen jüngst die Geschichte, wie Sie mit dem Mützen-Klau eines Ver­bin­dungs­stu­denten eine schöne Knei­pen­schlä­gerei pro­vo­ziert hätten…

Das habe ich in meinem Buch geschrieben. Ist so aber nie pas­siert.

Schade.


Hätte ich aber gerne, is ja klar (lacht).

Obwohl Sie Jura stu­dierten und sich ein Groß­teil der Rechts­wis­sen­schaften schon damals dem klas­si­schen Kli­schee des Jura-Stu­denten unter­worfen hatte?

Das Klima war damals sowieso anders. Der durch­schnitt­liche Stu­dent war min­des­tens sozi­al­li­beral, schon eher links ange­haucht. Nur bei den Juristen, den Medi­zi­nern und Volks­wirten herrschte auch schon damals ein mehr kon­ser­va­tives Milieu vor. Ein paar Jungs sind gerne mal mit der Kra­watte zur Vor­le­sung erschienen. Ich hatte nichts mit denen zu tun und war ganz klar auf der linken Seite. Bin ich immer noch.

Wie kommt man eigent­lich als Jura-Stu­dent zum Fuß­ball und zum Radio?

An irgend­einem Sonntag-Nach­mittag 1970 gab es im WDR2 einen Aufruf, die suchten Nach­wuchs­re­porter. Also habe ich mich beworben und bin ein­ge­laden worden zu Pro­be­re­por­tagen. Ich musste auf Band spre­chen und der große Kurt Brumme hat sich das Ganze ange­hört. Und das musste so drei‑, viermal machen, dann hatte ich mich zusammen mit zwei anderen gegen unge­fähr hun­dert Mit­be­werber durch­ge­setzt. Drei Reporter wurden letzt­lich ins Rennen geschickt und ich habe am Ende über­lebt.

Mit der ersten Live-Repor­tage vom Regio­nal­li­ga­spiel Wat­ten­scheid gegen Neuss als Höhe­punkt…

Ganz genau. Vorher musste ich über zwei Jahre ver­teilt noch zwei Pro­be­re­por­tagen machen, ehe ich auf den Sender gelassen wurde.

60 Ziga­retten sollen Sie bei diesem ersten Auf­tritt gebraucht haben. 

Ja, da war ich noch voll drauf mit dem Rau­chen.

Nicht die beste Pflege für Ihr Werk­zeug, die Stimme. 


Ne, ich hatte Glück, es hat mir nicht geschadet. Manchmal ist sie mir aber auch weg geblieben. Das war ein Spiel von For­tuna Köln und plötz­lich sackte mir die Stimme weg und war hin­terher in den etwas lau­teren Lagen nur noch piepsig. Bitter. Bei einem Tor kannst du nur still dasitzen und leise sagen: Tor. Mehr nicht. (lacht)

Was ist denn das schönste Gefühl bei einer Live-Repor­tage? Schon der Tooooor-Schrei, oder? 

Das Beste ist, wenn´s dra­ma­tisch wird und man live bei einem wich­tigen oder sogar ent­schei­denden Tor dabei ist. Das ist das Beste. Wenn mir ein guter Satz zu einer bestimmten Situa­tion ein­fällt, ist das schön, aber das Größte ist es tat­säch­lich, wenn man gerade drauf ist und das Tor fällt, man den Kol­legen nicht unter­bre­chen muss. Außerdem sollte man die Szene, die zum Tor führt, auch klar sehen können und nicht irgendein Ding aus dem Gewühl heraus erahnen müssen.

Die Repor­tage vom Vier­tel­fi­nale der Welt­meis­ter­schaft 2006 soll Ihnen ein archi­tek­to­ni­sches Miss­ge­schick erschwert haben…

Stimmt. Mitten in der Pres­se­tri­büne stand einer der Pfeiler, die das Dach trugen. Der hing mir quer vor dem Blick auf den Straf­raum. Ich musste immer wie ein Autist von links nach rechts pen­deln… Unglaub­lich, und das beim Spiel Deutsch­land gegen Argen­ti­nien im Vier­tel­fi­nale bei der Welt­meis­ter­schaft im eigenen Land. Das fand ich ein­fach nur falsch. Und das als Reporter des gast­ge­benden Landes! Da hätten sie doch mal – mit Ver­laub – den Kol­legen aus der Schweiz oder Ecuador hin­setzen können, aber nicht wenn Deutsch­land gegen Argen­ti­nien spielt den deut­schen Radio­re­porter! Aber die Plätze werden sche­ma­tisch von der Uefa oder der durch­füh­renden Fern­seh­ge­sell­schaft ver­geben. Das küm­mert die einen Dreck.

Welche Positiv- und Nega­tiv­hö­he­punkte aus Ihrer Kar­riere fallen Ihnen spontan ein?

Also ein ganz nega­tiver Tief­punkt war dieses Skan­dal­spiel 1982 zwi­schen Deutsch­land und Öster­reich. Das musste ich zusammen mit dem jetzt schon ver­stor­benen Armin Hauffe kom­men­tieren. Für uns war dieses Spiel natür­lich noch schlimmer, als für den Fern­seh­men­schen, du musst ja immer was erzählen. Es gab aber nichts zu erzählen. Ich hätte ja lie­bend gerne irgendein Koch­re­zept zum Besten gegeben und ein paar Witze erzählt, oder so, aber ich hatte nichts auf Lager! Nach zehn Minuten – der Hru­besch hatte schon ein Tor für Deutsch­land erzielt – dachte ich, heute bekommen die Öster­rei­cher aber richtig ne´ Packung und dann stellten die sofort die Feind­se­lig­keiten ein! Ich glaube, nur der Pro­haska, der hatte das nicht begriffen und wollte unbe­dingt noch ein Tor schießen. Das war aber nicht vor­ge­sehen an dem Tag. Später hatte ich ein Inter­view mit meinem Freund Mayer-Vor­felder, ich weiß gar nicht mehr welche Funk­tion der da schon inne hatte, auf jeden Fall sagt der mir allen Ernstes: Was haben sie denn, es ist doch alles normal gelaufen? Die sollen doch spielen, wie sie wollen!“

Wie konnten Sie sich in so einem Moment beherr­schen?

Nein, da freut man sich, dass der so etwas sagt. Das musst du als Reporter dann ganz kalt genießen. So eine ähn­liche Geschichte hatte ich mal mit Franz Becken­bauer, vor seinem ersten Spiel als Team­chef bei der WM 1986 in Mexiko. Klare Ver­ein­ba­rung: Ich komme vor der Abfahrt des Busses zu ihm, und er verrät mir die Mann­schafts­auf­stel­lung. Ich geh also dahin und sage: Ja, Herr Becken­bauer, noch zwei Stunden bis zum Anpfiff (gegen Uru­guay, Anm. d. Red.), wie wird die deut­sche Mann­schaft denn spielen?“ Er brüllt mich an: Ja, hät­tens im Trai­ning besser auf­ge­passt, dann hät­tens gesehen!“ Der schrie mich an, war total nervös. Ich hab ein­fach immer schön das Mikro­phon dahin gehalten und hab´ ihn da ruhig bölken lassen. Ein­fach auf­nehmen und dann senden, fertig.

Für eine solche Kalt­schnäu­zig­keit bedarf es aber doch schon einer gewissen Rou­tine, ein jün­gerer Kol­lege hätte sich das ver­mut­lich nicht getraut…

Schon. Das ist das Pro­blem, es gab ja Trainer, die immer darauf gesetzt haben, die Leute ein­zu­schüch­tern. Otto Reh­hagel zum Bei­spiel. Die haben dich dann ange­blafft. Ewald Lienen war auch so ein Spe­zia­list dafür. Wenn man lange dabei ist und eine große Rou­tine und Selbst­be­wusst­sein besitzt, kann man dage­gen­halten, aber viele schaffen das ihr ganzes Leben nicht. Die kuschen dann. Ich würde nie kuschen! Auch wenn, wat weiß ich, Chris­toph Daum los­legen würde, der ist ja auch so ein Experte. Wenn der ver­su­chen würde, mich zusammen zu falten, dann würde ich das Inter­view ein­fach abbre­chen. Ich würde sagen: Tja, Herr Daum, ich merke, das macht heute keinen Sinn, viel­leicht beim nächsten Mal.“ Schluss, Aus, Ende. Das ist schwer, das gebe ich zu. Für jün­gere Kol­legen sowieso.

Wie defi­nieren Sie guten Sport­jour­na­lismus?

Dass man von Trainer beschimpft wird, ist eine Extrem­si­tua­tion, das darf man nicht ver­gessen. Man darf sich aller­dings ums Ver­re­cken nicht davon abbringen lassen, ein Jour­na­list zu sein. Das geht im Jour­na­lismus der Gegen­wart auch häufig ver­loren. Wir sind ja nicht dafür da, ein Hohe­lied auf die Natio­nal­mann­schaft zu singen, zu sagen, alles ist toll und klasse. Ich beur­teile die Leis­tung. Und gerade im Fall der Natio­nal­mann­schaft beur­teile ich die Leis­tungen natür­lich mit einer gewissen Grund­sym­pa­thie. Was aber nicht dazu führt, dass ich ein scheiß Spiel nicht ein scheiß Spiel nenne! Wenn die schlecht spielen, dann spielen sie schlecht. Das kann man den Leuten immer nur wieder ein­bläuen. Nach dem WM-Spiel gegen Polen, dem knappen 1:0‑Sieg, saß ich im DSF und habe das Spiel kri­ti­siert, es wäre nicht so doll gewesen, zum Glück fiel das späte Tor dann doch noch. Mit in der Runde saß ein Fernseh-Kol­lege vom Bay­ri­schen Rund­funk, der sagt zu mir: Wir sind doch heute nicht zum kri­ti­sieren hier. Wir sind zum Feiern hier!“ Ich sag´: Was bist du denn für einer? Bist du ein Jour­na­list, oder was bist du? Ich bin nicht zum Feiern hier, ich muss doch Jour­na­list bleiben!“

Bekommen Sie nicht auch näs­senden Aus­schlag bei Über­schriften wie „„Schwarz-rot-geil!!“?

Na, hun­dert­pro­zentig. Da krieg ich Pickel. Ich stand sogar mal auf der Titel­seite der Bild“-Zeitung.

Wieso dieses?

Das war ein Rit­ter­schlag. Ich war der Ver­lierer des Tages“. Geh doch nach Hause, Manni!“, oder so ähn­lich, stand da.

Die Seite haben Sie hof­fent­lich ein­ge­rahmt.

Ja, na klar. Ich hatte in der taz“ gesagt, dass Fuß­ball für mich keine patrio­ti­sche Ver­an­stal­tung ist, dass ich bei Fuß­ball­spielen keine natio­nalen Anwand­lungen kriege. Das fanden die Men­schen von der Bild“ schon mal ganz schlecht. 2006 war ja auch eine Aus­nah­me­si­tua­tion, plötz­lich hauten die ja diese Nummer raus mit schwarz-rot-geil“ und kriegten sich gar nicht wieder ein. Die hatten schon schwarz-rot-gol­denen Schaum vor dem Mund (lacht). Und dann haben sie mich zum Ver­lierer des Tages“ erklärt. Super! Das war eine rich­tige Aus­zeich­nung.

Nun haben Sie das Mikro an den Nagel gehängt. Aus wel­chem Grund?

Das ist die berühmte Alters­teil­zeit, die nie­mand mehr so richtig kennt. Ich musste mich 2003 inner­halb von zwei Wochen ent­scheiden, ob ich das wollte, oder nicht. Also ist es ganz klar eine freie Ent­schei­dung. Und ich habe ja gesagt.

Das bedeutet ganz kon­kret: Ab 2009 die Bun­des­liga-Kon­fe­renz ohne Manni Breuck­mann?

Ja, genau. Fei­er­abend! Und das Schöne ist ja, dass alle Leute zu mir sagen: Mensch, das ist aber schade.“ Ich per­sön­lich weiß noch gar nicht, wie das sein wird, ich hätte ja auch acht Jahre später auf­hören können, aber was wäre dann gewesen? Irgend­wann muss mal Schluss sein, ich mache das schließ­lich schon extrem lange. Und ich werde ganz sicher­lich nicht nur auf dem Sofa hocken und warten bis meine Frau nach Hause kommt.

Kein biss­chen Wehmut?

(ener­gisch) Natür­lich! Aber die wirk­lich inter­es­sante Frage ist ja, zu wie viel Pro­zent man sich selber – und da wird’s ja fast schon phi­lo­so­phisch – als Manni Breuck­mann, den Fuß­ball-Reporter emp­findet. Das kann es ja nicht nur sein. Da ist es wahr­schein­lich sogar the­ra­peu­tisch zweck­mäßig, dass ich mich jetzt zurück­ziehe (lacht). Ich fürchte schon, dass ich mich zu einem Gut­teil dar­über defi­niere. Das ist letzt­lich schon sehr ein­di­men­sional, finde ich. So dra­ma­tisch wird es nicht werden, ich hatte lange Zeit mich auf den Abschied vor­zu­be­reiten.

Wo werden wir Sie im Sommer 2009 ent­de­cken: Beim Auto­wa­schen mit der Schluss­kon­fe­renz am Ohr oder im Sta­dion?

Ah, ich glaube ich gucke Pre­miere und gehe ins Sta­dion. Aber schreibt bitte, ich höre die Schluss­kon­fe­renz mit dem Schwamm in der Hand (lacht).

Wie können wir Sie über­zeugen, 2009 das Finale der Bunten Liga Mar­burg zu kom­men­tieren?

Das wird schon des­halb nicht mög­lich sein, weil ich mich den Groß­teil des nächsten Jahres auf Mal­lorca auf­halten werde. Von Februar/​März bis Oktober/​November.

Aus­rede akzep­tiert. 


Es gibt aller­dings eine Hor­ror­vor­stel­lung. Diese Hor­ror­vor­stel­lung lautet: Schalke wird im Mai 2009 Deut­scher Meister… Hm, da müsste ich dann mal mit unserem Pro­gramm­di­rektor reden, ob es da irgend­eine Aus­nah­me­re­ge­lung gibt.

Manni Breuck­mann auf Mal­lorca, wäh­rend Schalke nach 50 Jahren wieder Deut­scher Meister wird?

Uh, das könnte ich nur schwer ertragen. Das wär´ ganz bitter.

Wagen wir einen Aus­blick auf den Fuß­ball der Zukunft: Heute wird bereits durch die Bank vom Pro­dukt Fuß­ball“ gespro­chen. Da kommt einem echten Fan doch die Galle hoch…

Wobei da die Frage ist, was ist denn über­haupt ein echter Fan? Das ist ein Defi­ni­ti­ons­pro­blem. Werden wir nur noch diese Par­ty­gänger haben, und stirbt der klas­si­sche Fuß­ballfan aus? Diese kom­mer­zi­ellen Ver­än­de­rungen sind nicht auf­zu­halten, aber man muss gleich­zeitig Aus­wüchse bekämpfen. Ob das mög­lich ist auf Dauer, weiß ich nicht so genau. Fuß­ball als Pro­dukt: Bald werden wohl auch bei uns die Spieler mit Wer­bung auf dem Arsch rum­laufen. Ob der Fuß­ball dann als Volks­sport, als Teil der Volks-Kultur nach wie vor begriffen wird, kann ich nicht sagen, da bin ich leider nicht sehr opti­mis­tisch. Er wird dann ein­fach Teil einer großes Unter­hal­tungs­ma­schi­nerie sein und nicht mehr.

Jetzt machen Sie uns traurig…


Die Men­schen, die für den Fuß­ball leben und ihn lieben, sind ja noch da, die gibt es noch. Die bilden auch noch keine Min­der­heit. Aber auch die Sta­dien werden immer häu­figer von Event­fans über­spült. Da hört man schlimme Geschichten, von Per­sonen die mit Spon­so­ren­ti­ckets im Sta­dion sind und vor­sichtig nach­fragen, wie viele Spieler denn nun in einer Mann­schaft sind. Alles schon gehört.

Fast noch schlimmer: Ohren­be­täu­bende Schla­ger­musik aus den Laut­spre­chern.

Schönstes Erlebnis am zweiten Spieltag der Saison: Als beim Spiel Dort­mund gegen Bayern die Laut­spre­cher­an­lage vor dem Spiel zehn Minuten lang aus­fiel! (tri­um­phie­rend) Du konn­test die Fan­ge­sänge hören! Es war der helle Wahn­sinn (lacht).

Das wäre doch eine Auf­gabe für Sie nach dem Urlaub auf Mal­lorca: Die Laut­spre­cher-Kabel mit der Kneif­zange kappen!


Ja! Oder noch besser: den lus­tigen Natio­nal­mann­schafts-Sta­di­on­spre­cher fes­seln und kne­beln.



Man­fred Manni“ Breuck­mann


geb. am 11. Juni 1951 in Dat­teln; 1969 – 75: Stu­dium der Rechts­wis­sen­schaften in Bochum und Mar­burg; 7. Mai 1972: erste Live-Über­tra­gung für den Rund­funk; seit 1972: Mit­glied der ARD-Sams­tags­kon­fe­renz, 1979 – 1982: Fest­an­stel­lung beim WDR, lan­des­po­li­ti­scher Kor­re­spon­dent, Gerichts­re­porter; 1988: Buch Rote Karte für Pommes“, 2006: Buch Mein Leben als jugend­li­cher Drauf­gänger“.