Immer mehr Medien lassen ihre Fußballartikel von Text-Robotern verfassen. Für Schwedens größte Tageszeitung dürfen die virtuellen Journalisten sogar über Partien der 2. Liga schreiben – und Interviews führen.
Aftonbladet scheint dieser Formel zu folgen: Das Blatt, das zur norwegischen Schibsted-Mediengruppe gehört, publiziert auffallend viele selbst recherchierte Investigativ-Storys und opulente Hintergrundberichte. „Natürlich geht es für uns immer auch darum, eine gewisse Akzeptanz unter den redaktionellen Mitarbeitern zu erlangen“, verrät Campbell, „in Schweden zum Beispiel, wo wir eine ganze Reihe von Medien beliefern, ist uns das gut und schnell gelungen. Die meisten Journalisten wissen die neue Arbeitsteilung sehr zu schätzen.“ Zumal ein Ausflug zu einem Zweitliga-Spiel im zugigen Stadion von Halmstads BK nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig ist – speziell im schwedischen Herbst.
An manche Schauplätze des Fußballs würde sich ohnehin nie ein Reporter verirren. Dennoch liefert die vom DFB betriebene Website fussball.de seit der zurückliegenden Saison frische Berichte von allen Senioren-Spielen aus sämtlichen deutschen Ligen: Damen und Herren, hinzu kommen A- bis C‑Jugend. Die beteiligten Vereine müssen die dafür benötigten statistischen Infos selbst liefern und dürfen die computergenerierten Texte im Gegenzug auch für ihre eigenen Internetauftritte nutzen. Zusätzlich ruft fussball.de die Klubs auf, aktiv zur Verbesserung des mitunter recht faden Lese-Erlebnisses beizutragen: „Zum Beispiel, indem euer Mannschaftsverantwortlicher den Kurznamen oder einen alternativen Namen eurer Mannschaft, die Roten/die 09er/die Löwen, mitsamt dem passenden Artikel (…) hinterlegt.“
Der Eroberungszug der Künstlichen Intelligenz in der Welt des Sport-Journalismus begann bereits im alten Jahrtausend mit dem computerisierten Erstellen von Tabellen, was leidgeprüften Tageszeitungsmitarbeitern wie eine Erlösung vorkam. Der Autor dieses Textes (kein Roboter; d. Red.) erinnert sich lebhaft, dass in den 1990er-Jahren Sonntag für Sonntag zwei rüstige Rentner in einem hoffnungslos verrauchten Redaktionskämmerlein der Recklinghäuser Zeitung hockten und rund 100 Sport-Tabellen zusammenschrieben: Der eine sagte geduldig Namen und Zahlen an, der andere tippte sie klaglos ins System. Heute ist dieses eher mühsame Metier fest in Roboterhand.
Und der „Kollege Algorithmus“ übernimmt zusehends mehr Aufgaben in der Printmedien-Landschaft – auch hierzulande. Cecilia Campbell verrät: „Wir sind derzeit in Gesprächen mit einigen deutschen Medienhäusern, auch in Bezug auf deren Sportberichterstattung.“ Bislang bietet „United Robots“ seine schreiberischen Dienste auf Schwedisch, Norwegisch, Finnisch, Englisch, Deutsch und Niederländisch an. „Wir könnten aber auch Texte in anderen Sprachen liefern, etwa auf Spanisch“, betont Campbell: „Text-Roboter sind länderübergreifend die Zukunft – zumindest in manchen journalistischen Bereichen.“
Laut einer Studie der britischen BBC könnten schon 2026 rund 90 Prozent aller nachrichtlichen Berichte von Computern verfasst werden. Wobei selbst lernende Machine-Learning-Programme eines Tages auch andere Textgattungen übernehmen könnten. Anfang 2019 präsentierten Wissenschaftler der amerikanischen „Open-AI-Stiftung“ eine Sprach-KI mit dem sperrigen Namen GPT‑2, die eigenständig Reportagen, Essays oder Kommentare schreibt. Mit dem kompletten Textarchiv des renommierten US-Magazins The New Yorker seit 1960 gefüttert, war das System in der Lage, einen Absatz aus einem Ernest-Hemingway-Porträt sinnvoll und stilistisch hochwertig zu ergänzen. Zumindest in weiten Teilen: An einer Stelle war von „Pfützen aus roter Bratensauce im Vorgarten“ zu lesen, an einer anderen von „winzigen Kühen“ – was dann doch irgendwie Blödsinn war.
Bevor jetzt jemand lacht: Inzwischen ist eine neue Version des Algorithmus am Start. GPT‑3 soll mindestens zwei Nummern besser sein als sein Vorgänger. Vielleicht schreibt er ja eines Tages einen Leitartikel zum Trainer-Debüt von Joshua Kimmich oder zum achten Meistertitel des FC Schalke 04? Wer weiß das schon.