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Eigent­lich wäre der Ort der Schwarz­gelben Night“ in London auch die pas­sende Sze­nerie für die Bayern gewesen. Denn in den ehr­wür­digen Hallen des National History Museum kün­dete ein rie­siges Dino­sau­rier-Ske­lett von der End­lich­keit aller Dinge, und die Schla­ger­sän­gerin Helene Fischer wies Von hier bis unend­lich“. Borussia Dort­munds Mann­schafts­ka­pitän Sebas­tian Kehl, dessen Kar­riere sich langsam zu Ende neigt, schaute am Rand ein wenig ratlos drein und sagte: Die meisten meiner Mann­schafts­ka­me­raden sind jung und glauben, dass so ein Spiel schon noch mal kommen wird, aber das weiß man eben nicht.“

Doch selbst wenn seine Kol­legen Marco Reus und Mats Hum­mels oder gar er selbst in abseh­barer Zeit wieder einmal in einem großen Finale stehen sollten, die Erin­ne­rung an London wird für sie keine Bürde sein. So ent­täuscht die Dort­munder kurz nach dem Spiel auch sein mochten, ihr 1:2 gegen die Bayern fühlte sich nicht annä­hernd so depri­mie­rend an, wie es bei den Bayern im Fall einer Nie­der­lage gewesen wäre. Man hatte das drei Stunden zuvor daran sehen können, wie die Bayern jubelten. Denn es war gar kein Jubel. Was von weitem wie der übliche Trubel von End­spiel­sie­gern aussah, erwies sich vor allem als eines: Erleich­te­rung. Viel­leicht war es sogar einer der größten Momente kol­lek­tiver Erleich­te­rung, die man im Fuß­ball je erlebt hat. Der FC Bayern hatte im Wem­bley-Sta­dion weniger den wich­tigsten Titel des euro­päi­schen Ver­eins­fuß­balls gewonnen, die Spieler waren vor allem dem Abstieg in einen Hades der ewigen Ver­lierer auf höchstem Niveau ent­gangen.

Das galt natür­lich vor allem für Bas­tian Schwein­steiger oder Kapitän Philipp Lahm, der nach Abpfiff mit den Tränen in den Augen zugab: Man hat den enormen Druck gemerkt.“ Drei ver­lo­rene End­spiel in der Cham­pions League, die ver­passten Titel mit der deut­schen Natio­nal­mann­schaft, auf immer wäre es ihnen vor­ge­halten worden. Welche Wucht das ent­wi­ckelte, dar­über staunte sogar Bay­erns Ehren­prä­si­dent Franz Becken­bauer: Ich hätte nie gedacht, dass sie so emo­tional ins Spiel gehen würden.“

Fast hätte sich seine Mann­schaft an dieser Gefühls­auf­wal­lung auch ver­schluckt. Denn in der ersten halben Stunde ging der Match­plan von Jürgen Klopp auf, und wie immer jener von Jupp Heyn­ckes aus­ge­sehen haben mag, es war nichts davon zu sehen. Die Dort­munder ver­tei­digten ris­kant weit vorne als wollten sie den Gegner erst gar nicht in die eigene Hälfte kommen lassen. So gelang es auch, und hätten die Dort­munder in dieser Phase einen Füh­rungs­treffer geschossen, wer weiß, ob die brutal mit ihren Zwei­feln rin­genden Bayern sich davon erholt hätten. Denn sogar nach dem 1:1‑Ausgleich, so gab Tor­wart Manuel Neuer zu, ist mir der Arsch auf Grundeis gegangen“. Bei einem frühen Rück­stand wäre es wohl ein Grundeis-Glet­scher gewesen. 

Es war für sie heute an der Zeit, einen großen Titel zu gewinnen, das hat man in den ersten 20 Minuten gesehen“, sagte Jupp Heyn­ckes. Was sich seit dem ver­lo­renen Finale dahoam“ in den Köpfen abge­spielt haben musste, davon ließ Arjen Robben ahnen. Ich war vor­be­reitet. Ich habe vieles vor­ge­habt. Ich habe es viele Male im Kopf gespielt“, sagte er. Es war ein Film mit dem best­mög­li­chen Happy End für ihn. Den­noch ent­ging Robben nur knapp dem Splatter-Movie, als dieser komi­sche glatz­köp­fige Kasper in Erin­ne­rung zu bleiben, der in End­spielen immer die Chancen ver­geigt.

Nie wieder Loser-Stempel

Man will nicht den Loser-Stempel“, meinte der Hol­länder. Und weil ihnen dieser ja ein­ge­brannt worden wäre, konnte man fast Mit­leid bekommen mit den Sie­gern. Es offen­barte sich da die Welt des FC Bayern in ihrer Kälte und Freud­lo­sig­keit. Wenn man dieses ganze Mia-san-mia-forever-number-one-Mäßige so weit treibt, dass in der Stunde des größten Tri­um­phes nur die Erleich­te­rung dar­über zu spüren ist, nicht ver­loren zu haben, ist da wenig Benei­dens- und Anstre­bens­wertes mehr.

Viel­leicht hat das lau­ernde Grauen vor dem Schei­tern aber auch zu etwas sehr Alt­mo­di­schem geführt. In dieser Mann­schaft herrscht ein Team­geist, wie ihn noch nie erlebt habe“, sagte Jupp Heyn­ckes, und das ist nach fünf Jahr­zehnten Pro­fi­fuß­ball ein großer Satz. Seine Spieler hatten in diesem Finale gelitten, und sie hatten zwei Mal viel Glück gebraucht als Schieds­richter Nicola Riz­zoli weder Franck Ribery nach einem Schlag vom Platz stellte noch Dante beim Elf­meter die ange­brachte zweite Gelbe Karte gezeigt hatte. Aber letzt­lich hatten sich die Bayern am Ende der besten Saison ihrer Ver­eins­ge­schichte ver­dient zum Sieg und einer Jubel­feier durch­ge­kämpft, die nur Aus­druck der großen Befreiung war. Wie weit sie es mit ihrer völ­ligen Fixie­rung auf Erfolge aller­dings noch treiben wollen, dar­über sollten die Bayern irgend­wann viel­leicht auch mal sin­nieren. Unter dem Ske­lett eines Dino­sau­riers wäre ein guter Ort dafür.