In der fünften Runde des FA Cups trifft der FC Arsenal auf den Fünftligisten Sutton United. In deren Reihen steht ein 45-jähriger Koloss im Tor. Sein Einsatz wäre ein echtes Märchen.
Spätestens jetzt ist klar: Wayne Shaw lebt unseren Traum. Du kennst Wayne Shaw nicht? Pah! Okay, Shaw ist kein wieselflinker Nachwuchsstürmer bei Chelsea. Er ist nicht der nächste Beckham. Er ist nicht mal der nächste Heskey. Wayne Shaw ist 45 Jahre alt, wiegt knapp 150 Kilo, vor dem Gang in die Kabine trinkt er immer einen Liter Wasser – weil ihm beim Umziehen schnell warm wird. Und trotzdem spielt er in wenigen Tagen gegen den FC Arsenal. Wie gesagt, Wayne Shaw lebt unseren Traum.
„Ich bin ein passabler Torwart. Mein Vorteil ist, dass ich fast das komplette Tor ausfülle“, sagte der Koloss in einem Interview mit einem britischen TV-Sender. Und vielleicht ist er auch wegen Sätzen wie diesem einer der letzten Spieler, zu dem wir mit glühenden Wangen aufsehen können. Weil sich in ihm alle Träume vereinen, die wir einst als kleine Jungs auf dem Bolzplatz hatten: Einmal gegen die ganz Großen spielen – auch wenn das eigene Talent beschränkt ist.
„He’s fat, he’s round, he’s worth a million pound“, singen die Fans in der fünften Liga, wenn er den Rasen der Gander Green Lane zum Warmmachen betritt. Dabei wäre Shaw am liebsten schon vor der Saison in Rente gegangen. Nach einer Laufbahn, die sich meist in der fünften Liga Englands abspielte, war der alte Mann müde geworden. Doch dann klopfte sein Ex-Klub Sutton United an. Man suche einen Ersatzkeeper, hieß es, und es juckte noch in Shaws Fingern. Fünfte Liga, wenig spielen, regelmäßig trainieren, abends auch mal ein Pint mehr. Das klang nach einem Angebot.
Als wäre Shaws Laufbahn einfach ein weiteres Jahr länger gemächlich ausgetrudelt. Doch dann setzte Sutton – in der Liga bestenfalls mittelklassig – im FA Cup zum Husarenritt an und steht nach Siegen gegen Dartford, Cheltenham, den AFC Wimbledon und Leeds United das erste Mal in der Vereinshistorie in der fünften Runde. Heute Abend. Gegen den FC Arsenal. Bei der Auslosung stand der Verein Kopf. Man konnte erahnen, was für eine Sensation die momentane Situation darstellt.
Sollte Shaw in diesem Spiel auflaufen, wäre es die süße Pointe eines Fußballmärchens, das in Zeiten von Fußballinternaten, Pokalsetzlisten und einer topgedrillten Eliteprofis immer unmöglicher wird. Das Märchen vom Niemand der plötzlich zwischen globalen Megastar wie Özil, Giroud und Sanchez auf dem Rasen steht. Das Märchen von 90 Minuten Chancengleichheit. Von der Grundidee dieses wunderbaren Spiels: Das jeder mitspielen kann. Mit 12 Millionen Jahresgehalt auf dem Konto, mit 150 Kilo auf den Rippen, mit einer Kugel im Kopf.
Dumm nur: Damit Shaw tatsächlich im Tor steht, müsste sich Suttons Stammkeeper Ross Worner verletzten oder vom Platz fliegen. Was man dem 27-Jährigen natürlich nicht wünschen will.
Aber man wird in diesen kalten Zeiten ja wenigstens noch träumen dürfen.