Unangefochtener Stammspieler, unersetzbar in der Abwehr und unverschämt jung: Jonathan Tah spielt in Leverkusen eine überragende Saison. Darüber, was ihn auszeichnet und wieso uns das trotzdem ein bisschen traurig macht.
Als wären auslaufende Personalausweise, mehrtägige Kater und die ersten Anti-Haarausfall-Shampoo-Käufe noch nicht genug, führt uns auch der Fußball mit gnadenloser Regelmäßigkeit vor Augen, wie alt wir sind.
Bei den ersten Stadionbesuchen sind die Spieler auf dem Platz alle gestandene Männer, Erwachsene, zu denen wir aufblicken. Wenn wir später mit ungefähr 18 auf den Kreisligaplätzen der Bundesrepublik weiter den Traum vom ganz bestimmt unmittelbar bevorstehenden Durchbruch verfolgen, debütieren in der Bundesliga schon die ersten Talente, die jünger sind als wir.
Schon bald müssen wir den Profi-Traum abschreiben, in unserem Alter schafft es niemand mehr nach oben. Und mit so einer Wampe sowieso nicht. Irgendwann erreichen wir das Alter, in dem Karrieren beendet oder je nach Lage der eigenen Selbstachtung alternativ zwei Jahre in der MLS, in Indien oder China drangehängt werden.
Der Autor dieses Textes ist vor Kurzem 25 Jahre alt geworden und damit im Durchschnitt aller Bundesligaspieler angekommen. Das geht gerade noch. Mit der Profikarriere wird es bestimmt nichts mehr und die neusten Debütanten sind acht Jahre jünger. Aber es gibt auch noch genug Profis, die alt sind. Gestandene Spieler, die Robbens, Meiers und Schmelzers der Liga. „Routiniers“ nennt man sie und beschreibt sie mit Adjektiven wie „zuverlässig“, „abgeklärt“, „souverän“ und „erfahren“.
Mit 22 schon Routinier
Einer, dem die selben Eigenschaften zugeschrieben werden, hatte ebenfalls vor wenigen Tagen Geburtstag: Jonathan Tah wurde am 11. Februar 22 Jahre alt. Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, dann ist das ganz schön deprimierend. Denn so wie Tah spielt, müsste er eigentlich viel älter sein.
Der Deutsche mit ivorischem Vater ist in Leverkusen unangefochtener Stammspieler in der Innenverteidigung, setzte diese Saison nur am 4. Spieltag aus und stand am 5. nur für 45 Minuten auf dem Platz. Sonst spielte er jedes Spiel durch, dazu zwei Mal über 120 Minuten im Pokal. Auch in den beiden vergangenen Spielzeiten, die er bereits bei Bayer verbrachte, konnten ihn nur Verletzungen aus dem Kader rotieren. Er kam trotzdem auf insgesamt 48 Einsätze in der Liga. Das nennt man dann wohl „zuverlässig“.
Diese Saison hat Tah in 21 Bundesligaspielen 64 Prozent seiner Zweikämpfe gewonnen, liegt damit acht Prozent über dem ligaweiten Abwehr-Durchschnitt, und sah nur eine einzige gelbe Karte. Dabei setzt er seine 1,94 Meter und 94 Kilogramm ausgesprochen intelligent ein: Im Schnitt foult Tah nur 0,7 mal pro Spiel. Er ist einer der wenigen Defensivspieler, die öfter gefoult werden als sie selber strafbar hinlangen. Stichwort: „Abgeklärt“.