Sie fahren, sie grillen, sie feuern an, sie pöbeln, sie pfeifen: Ohne Väter wäre es auf dem Fußballplatz nur halb so schön.
Der Allesfahrer
Schon beim Kauf der großräumigen Familienkutsche achtete der Allesfahrer darauf, dass auch ja genügend Sitzplätze für die Mannschaftskameraden des Sprösslings und ausreichend Stauraum für deren Sporttaschen vorhanden ist. Seitdem chauffiert er Samstag für Samstag den Nachwuchs von Sportplatz zu Sportplatz. Heckaufkleber: „Champions-League-Sieger in spe on Bord!“ Der Allesfahrer ist der Liebling all jener Fußballeltern, die froh darüber sind, den eigenen Nachwuchs einmal in der Woche am Treffpunkt abladen zu können, um dann einen entspannten Samstag in einem schwedischen Einrichtungshaus zu verleben. Stammgast auf dem Beifahrersitz des Allesfahrers ist der pickelgesichtige Trainer der Mannschaft, der mit seinen 17 Jahren gerade die ersten Fahrstunden absolviert hat. Manchmal, wenn der Allesfahrer nach zahlreich abgerissenen Kilometern erschöpft nach Hause kommt, nimmt er sich vor, beim nächsten Elternabend vorsichtig anzufragen, ob sich denn nicht vielleicht doch auch eventuell jemand anderes vorstellen könnte, beim nächsten Auswärtsspiel den Fahrdienst zu übernehmen. „Na klar! Gar kein Problem“, heißt es dann. „Nur diesen Samstag ist leider ganz schlecht, da wollten wir endlich mal den Garten auf Vordermann bringen. Aber danach ganz bestimmt.“
Der Aushilfstrainer (Typ I: Der Taktik-Fuchs)
Wenn der Trainer ausfällt, weil er für die theoretische Führerscheinprüfung lernen muss (zweiter Versuch), schlägt die Stunde des Aushilfstrainers. Endlich bekommt er die Gelegenheit sein geballtes Fachwissen, das er sich bei „spielverlagerung.de“ angelesen hat, an den Mann, äh, ans Kind zu bringen. Kurzerhand beraumt er vor dem Anstoß eine Taktiksitzung im Vereinsheim an und zeigt der F‑Jugend auf seinem iPad, wie sie durch geschicktes Überladen der Flügel für Gefahr in der gegnerischen Box sorgen können. Gleichzeitig warnt er vor dem Gegner, weil der einen hervorragenden xG-Wert und eine außergewöhnliche Packing-Rate vorzuweisen habe. Doch mit den individualtaktischen Anweisungen, die er für jeden Spieler ausgedruckt hat, sieht er seine Schützlinge gut gewappnet. Der achtjährige Jonas scheint sich für den Inhalt des Papiers jedoch nicht sonderlich zu interessieren. Er hat aus seinen Instruktionen („Bälle festmachen“, „gegnerische IV anlaufen“) einen Papierflieger gebastelt.
Der Aushilfstrainer (Typ II: Der Schleifer)
Im Gegensatz zum Taktikfuchs ist der Schleifer weitaus weniger zurückhaltend. Er wartet nicht auf seine Gelegenheit, er nimmt sie sich. Dass für die Kinder der Spaß im Vordergrund stehen soll, hält er für Waldorf-Firlefanz. Und überhaupt: Bei Spielformen wie „Funino“ bekomme er sofort Puls. Bei jedem Tor auswechseln, damit auch die vermeintlich Schwächeren regelmäßige Einsatzzeiten bekommen? Pah, wer sich nicht durchsetzen kann, der hat auf dem Platz auch nichts verloren. Im Gegenteil: Lieber sollte man doch mal ein paar Waldläufe mit den Jungs durchführen, um deren Willenskraft auf die Probe zu stellen. Ihm habe das früher schließlich auch nicht geschadet. Der 17-jährige Trainer bezweifelt das zwar, traut sich aber auch nicht zu widersprechen. Also doziert der Schleifer weiter: „Jedem Kind einen Ball, schön und gut – aber auch Medizinbälle sind Bälle!“
Der Fanboy
Für den Fanboy steht außer Frage, wer das nächste ganz große Ding im Nachwuchsfußball wird: Der eigene Sohn! Natürlich! Dass der Weltstar in spe jedoch weitaus mehr Schienbeine als Bälle trifft und auch sonst eher durch kunstvolle Verrenkungen des eigenen Körpers als durch gekonnte Ballbehandlung auffällt, tut der väterlichen Begeisterung keinen Abbruch. Im Gegenteil: Der Fanboy steht mit gezücktem Smartphone am Spielfeldrand, um jede Aktion des Sohns für die Nachwelt festzuhalten. Zu hören ist auf den verwackelten Videos jedoch vornehmlich er selbst – wie er seinen Spross unermüdlich anfeuert. Oder ihn lautstark bejubelt, obwohl der Gefeierte selbst gerade mal wieder ein sensationelles Loch in die Luft geschlagen hat. Denn vom Fußball hat der Fanboy überhaupt gar keine Ahnung. Vieles bleibt dann eben doch in der Familie.
Der Grillmeister
In Sachen Engagement für den Jugendfußball steht der Grillmeister dem Allesfahrer in nichts nach. Doch sein Revier sind die Heimspiele. Der Grillmeister kann sich nichts Schöneres vorstellen, als den lieben langen Tag auf dem Sportplatz zu verbringen. Obwohl das eigene Kind erst um 14 Uhr spielt, ist er schon zum Anstoß der Mini-Kicker-Partie morgens um 11 Uhr auf der Anlage. Schließlich wollen Süßigkeiten verkauft, Würstchen gewendet und Kaffee eingeschenkt werden. Im weiteren Verlauf des Tages, spätestens jedoch ab 11.30 Uhr, wird dann die 0,3‑Flasche der ortsansässigen Brauerei zum umsatzstärksten Produkt der Verkaufsbude. Der Grillmeister selbst hat hieran keinen ganz unwesentlichen Anteil, prostet er doch jedem Bekannten auf der Anlage fröhlich zu – und das sind eine ganze Menge. Hat schließlich früher jahrelang hier gespielt. „Papa, ich will nach Hause“, quengelt der Sohnemann, nachdem die Sonne sich schon hinter die Querlatte des Tores verabschiedet hat. „Geh‘ schonmal vor“, erwidert der Vater. „Ich muss noch den Grill sauber machen.“
Der Krawallbruder
Wegen Vätern vom Schlage des Krawallbruders haben einige Fußballkreise um die Spielfelder der Mini-Kicker und F‑Jugend eine weiträumige Schutzzone gezogen, in der sich Eltern während des Spiels nicht aufhalten dürfen. Denn sobald der Schiedsrichter anpfeift, beginnt das Adrenalin im Körper des Krawallbruders zu brodeln. Schließlich geht es beim Fußball in erster Linie immer noch ums Gewinnen, da ist er sich mit dem Schleifer einig. Mit pulsierender Halsschlagader steht er am Seitenrand, bepöbelt die Kinder der gegnerischen Mannschaft, legt sich mit dem gegnerischen Trainer an und macht den ohnehin schon verunsicherten Schiedsrichter zur Sau. Ist ja ein schönes Konzept dieses Fair Play, aber hat damit schon einmal jemand auch nur einen Blumentopf gewonnen? Na, also!
Der Schiedsrichter
Einer muss es ja machen. Der Coach muss coachen. Der Grillmeister muss grillen. Der Fanboy muss anfeuern. Der Schleifer muss schleifen. Aber weil der Kreis nun einmal einfach nicht genug Schiedsrichter hat, um auch das E‑Jugend-Spiel zwischen Waldesrand Linden II und dem SV Steinkuhl III in der Kreisliga C unter professionelle Leitung zu stellen, muss eben auch einer pfeifen. Also schlurft Micha, 43, in seinen Straßenschuhen auf den Platz und tut das, was er glaubt, was ein Schiedsrichter tun muss. Seine Pfiffe kommen meist etwas verspätet und auch die Frage, wer denn jetzt Einwurf hat, beantwortet er eher spontan. Aber weil der Micha ein gutes Herz hat, versucht er manchmal, der unterlegenen Mannschaft mit der ein oder anderen wohlwollend ausgelegten Entscheidung doch noch zu einem Erfolgserlebnis zu verhelfen. Wirklich streng ins Gericht geht er nur mit dem eigenen Sohn, der jetzt deswegen vor Wut heulend neben dem Platz sitzt. Soll schließlich keiner auf die Idee kommen, der Schiedsrichter würde hier jemanden bevorzugen.