Pokalhalbfinale 1974: Bis zum Schluss steht das Spiel Eintracht Frankfurt gegen den FC Bayern auf des Messers Schneide – bis der Schiedsrichter einen Elfmeter pfeift und Sepp Meier dem Schützen eine Wette anbietet.
Dieses Spiel kann sich eigentlich kein Fußball-Liebhaber entgehen lassen: Eintracht Frankfurt empfängt im Waldstadion den FC Bayern. Es ist das Halbfinale des DFB-Pokals und beide Teams haben bislang einen starke Saison gespielt. Die Bayern kontrollieren in der Bundesliga das Feld und die Eintracht spielt zwar nicht um die Meisterschaft mit, hat sich aber auf Rang vier festgesetzt. Das Hinspiel in der Bundesliga endete 2:2 und auch das 1:1 im Rückspiel vor vier Wochen brachte keinen Sieger hervor.
Die Bayern wollen anscheinend Nägel mit Köpfen machen und legen los wie die Feuerwehr: Chance um Chance erspielt sich der amtierende Meister, die Frankfurter sehen in der gesamten ersten Halbzeit so gut wie kein Land. Allerdings treffen die Bayern das Tor nicht und so können sich die leicht schwindligen Frankfurter ohne Gegentreffer in die Pause retten.
Die zweite Halbzeit – Dramatik pur
In der Kabine gelingt es Trainer Dietrich Weise dann aber, seine Mannen aus der Lethargie zu holen. Voller Elan kommt die Eintracht aus der Kabine, die Belohnung für die Mehranstrengung lässt nicht lange auf sich warten. Bernd Hölzenbein erzielt nach fünf Minuten die Führung. Das ärgert die Bayern zwar maßlos, erschüttert aber nicht ihr Grundvertrauen in die eigene Stärke. Innerhalb von zwei Minuten hauen Hoeneß (60.) und Breitner (62., Elfmeter) den Ball in die Maschen und drehen das Spiel. Nur drei Minuten später erhält Jürgen Grabowski die Chance zum Ausgleich per Elfmeter, scheitert aber an Sepp Maier. Wiederum drei Minuten später macht Thomas Rohrbach diese vergebene Chance schnell vergessen und gleicht doch noch aus. Dramaturgisch wertvoll sollte es weitergehen: beide Mannschaften drängen auf den Sieg, bis der Schiedsrichter in der 90. Minute abermals auf den Elfmeterpunkt zeigt. Hölzenbein war in einer alles andere als eindeutigen Szene zu Boden gegangen.
Psychokrieg zum großen Finale
Nachdem Grabowki schon verschlossen hatte, legt sich nun Jürgen Kalb den Ball zurecht. Aller Druck lastet jetzt auf seinen Schultern, doch er muss sich noch etwas gedulden. Denn die Bayern-Spieler schimpfen wie die Rohrspatzen, wollen sich nicht mit dieser vermeintlichen Ungerechtigkeit abfinden und schießen einfach mehrmals den Ball weg. Eine Taktik, die verblüffend erfolgversprechend anmutet. Natürlich hilft aller Protest letztendlich nichts und Kalb legt sich den Ball abermals auf den Punkt. Auftritt Sepp Maier: Das bayrische Urgestein geht auf Kalb zu, streckt ihm die Hand entgegen und fordert den Schützen heraus: „Ich wette, ich halt den Ball“. Doch Kalb ist konzentriert bis in die Haarspitzen, er scheint Maier gar nicht richtig wahrzunehmen. Sein Mannschaftskamerad Roland Weidle will sich diese Chance aber nicht entgehen lassen und läuft aus dem Hintergrund herbei. Selbstbewusst schlägt der Frankfurter Offensivmann ein: „50 Mark“ sind es in der Erinnerung von Jürgen Kalb, Weidle selbst meint sich eher an „eine Kiste Bier oder so etwas“ entsinnen zu können.
Wettschulden sind Ehrenschulden – oder auch nicht
Kalb hat nun die Entscheidung auf dem Fuß, er schießt, und Maier ist noch dran. Der Ball prallt gegen den Innenpfosten und dann ins Tor, das Spiel wird nicht mehr angepfiffen. Die Bayern können sich verständlicherweise sehr schlecht mit der Niederlage abfinden, reden auch nach dem Schlusspfiff weiter fuchsteufelswild auf den Schiedsrichter ein. Das verschreckt anscheinend auch Wettgewinner Weidle, der sich später nicht in die Kabine der Münchener traut, um die sein Geld einzufordern. Dabei ist das Verhältnis zwischen den beiden Mannschaften eigentlich nicht so schlecht, Roland Weidle erinnert sich: „Wir sind mit den Bayern damals nach den Spielen zwei, drei Mal geschlossen auf das Oktoberfest gegangen. So hat man dann die Spieler etwas persönlicher kennengelernt, da gab es auch das ein oder andere Wort mit Sepp Maier“.
An diesem 13. April 1974 ist mit den Münchenern aber nicht mehr gut Kirschen essen und es gibt wohl nichts auf der Welt, auf das der grantelnde Sepp Maier an diesem Abend weniger Lust hat, als seine Wettschuld zu begleichen.