Von hoch talentiert bis Weltklasse: Polens Mittelstürmer machen dem Land Hoffnungen auf eine erfolgreiche EM-Qualifikation – und lassen den FC Schalke 04 blöd dastehen.
Tomasz Hajto ist ein viel beschäftigter Mann. Der 46-Jährige ist nicht nur als Spielerberater tätig, sondern in seiner polnischen Heimat auch ein gefragter Fußball-Experte. Weniger gefragt scheint Hajtos Expertise hingegen bei seinem ehemaligen Verein, dem FC Schalke 04.
So offenbarte Hajto am Montag gegenüber dem RevierSport, dass er Schalkes Sportvorstand Christian Heidel im Frühjahr 2017 einige polnische Spieler empfohlen habe – darunter einen gewissen Krzysztof Piatek, zu diesem Zeitpunkt Stürmer bei Cracovia Krakau. Doch Christian Heidel interessierte sich offenbar nicht besonders für die Tipps des ehemaligen Verteidigers. Laut Hajto ließ er Piatek nicht ein einziges Mal beobachten.
Schalkes Versäumnis
Hätte Heidel dies veranlasst, er hätte möglicherweise einen Bericht über einen äußerst vielversprechenden Stürmer erhalten: Körperlich robust, technisch stark sowie extrem handlungsschnell. Piatek fackelt nicht lange, Piatek sucht den Abschluss – und ist dabei in verblüffender Regelmäßigkeit erfolgreich.
Zum Start beim FC Genua, zu dem er nach Schalkes Desinteresse im Sommer 2018 für 4,5 Millionen Euro wechselte, traf Piatek in den ersten acht Ligapielen gleich neunmal. Zwischendurch schoss er die US Lecce mit vier Toren im Alleingang aus dem italienischen Pokal. Insgesamt brachte es der 23-Jährige in der Hinrunde auf 21 Treffer in 19 Pflichtspielen. „Es sieht wirklich so aus, als bringe er das Komplettpaket mit“, schwärmte Genuas Trainer Davide Bellardini. Klar, dass ein solches Paket Begehrlichkeiten weckt. Und so wechselte Piatek nach nur einem halben Jahr in Genua zum AC Mailand – für stolze 35 Millionen Euro.
Piatek: Komplettpaket und Pistolero
Bei den Rossoneri knüpft der Pole nun nahtlos an seine Leistungen in Genua an. Seit seinem Wechsel im Winter schoss er bereits acht Tore für Milan – und sich selbst mit seinem Pistolen-Jubel in die Herzen der Fans, die ihn schon nach seinem ersten Spiel mit einem eigenen Fangesang bedachten (hier geht’s zum Video »>).
Krzysztof Piatek ist jedoch nicht der einzige polnische Stürmer, der sich dieser Tage in bestechender Form präsentiert. Auch Arkadiusz Milik bringt es in dieser Saison bereits auf 18 Tore für den SSC Neapel. Der 25-Jährige lief auch schon für Bayer Leverkusen und den FC Augsburg auf, konnte sich in der Bundesliga jedoch nicht durchsetzen. Also wechselte er im Sommer 2014 zu Ajax Amsterdam – und empfahl sich dort mit 47 Toren in zwei Spielzeiten für höhere Aufgaben, die er nun eben in Neapel wahrnimmt.
Ohnehin scheint Italien eine besondere Anziehungskraft auf talentierte polnische Angreifer auszuüben. So wechselte mit Dawid Kownacki im Juli 2017 ein weiterer junger Stürmer aus Polen zu Sampdoria Genua in die Serie A. Über den Status eines Ergänzungsspielers kam Kownacki dort jedoch nicht hinaus, sodass er sich in der Winterpause zu Fortuna Düsseldorf ausleihen ließ.
Auch Schalke 04 soll übrigens am Kapitän der polnischen U21 interessiert gewesen sein. Doch die Königsblauen kamen mit ihren Bemühungen offenbar zu spät: Als sie bei Kownacki vorstellig wurden, war der sich bereits mit der Fortuna einig. Ein Treppenwitz, dass Kownacki beim jüngsten Schalker 0:4‑Debakel seine bislang einzigen beiden Tore für Düsseldorf erzielte.
Schon Anfang Februar tadelte Tomasz Hajto seinen Ex-Klub für dieses abermalige Versäumnis: „Schalke hat eine große Chance vertan. Sie hätten sich viel früher um Dawid bemühen müssen“, sagte Hajto den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Er gehört zweifelsohne zu den größten Sturmtalenten in Europa.“
Und dann ist da ja immer noch Robert Lewandowski
Eines der größten Sturmtalente Europas, dazu mit Piatek und Milik zwei Stürmer von internationalem Format: Allein diese Personallage im Angriff dürfte Trainer anderer Nationalmannschaften vor Neid erblassen lassen. Und dann ist da ja immer noch Robert Lewandowski: Weltklassestürmer, Superstar, Kapitän und Rekordtorschütze der polnischen Nationalmannschaft.
Das Länderspieljahr 2018 war für Polen dennoch eines zum Vergessen. In einer Gruppe mit Japan, Kolumbien und dem Senegal als Favorit aufs Achtelfinale in die WM gestartet, stand bereits nach zwei Niederlagen in den ersten beiden Spielen das Ausscheiden fest. Auch die Nations-League-Gruppe mit Portugal und Italien erwies sich als zu stark für die Polen. Mit nur zwei Punkten stieg die Mannschaft von Jerzy Brzeczek in die Liga B ab.
Die Hoffnungsträger
Allerdings: Pistolero Piatek gab sein Nationalmannschaftsdebüt erst im vergangenen September. Und der talentierte, aktuell jedoch verletzte Kownacki kam vornehmlich in der U21 zum Einsatz. Neben den arrivierten Mittelstürmern Lewandowski und Milik sind es auch diese beiden vielversprechenden Stürmer, die den Polen Hoffnungen auf eine erfolgreiche Qualifikation für die EM 2020 machen.
Und falls demnächst einmal wieder Tomasz Hajto auf dem Schalker Vereinsgelände vorbeischauen sollte: Die neue sportliche Führung wäre wohl gut beraten, sich ganz genau anzuhören, was der polnische Experte so zu sagen hat.