Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Die Taschen waren schon gepackt. Eigent­lich hätten Dirk Schuster und sein Trai­ner­team nur noch in den Flieger steigen und ihre neuen Arbeits­pa­piere im Süden Europas unter­zeichnen müssen. Das ist richtig. Wir waren auf dem Sprung, uns etwas anzu­schauen, es war auch relativ kon­kret“, gab der 49-Jäh­rige bei seiner Vor­stel­lung im Pres­se­raum des SV Darm­stadt 98 am Diens­tag­morgen zu.

Mann des Jahres 2015

Ein Anruf von Klaus Rüdiger Fritsch bei Schuster machte die Pläne von Omonia Nikosia am Sams­tag­abend kur­zer­hand zunichte. Zweit­liga-Mit­telmaß in Süd­hessen statt Mit­tel­meer­idylle: Dass diese Formel nicht nur per­spek­ti­visch die ver­nünf­ti­gere Option für einen Trainer ist, den der Kicker“ noch vor zwei Jahren zum Mann des Jahres im deut­schen Fuß­ball“ kürte – das musste Fritsch seinem neuen und alten Coach nicht erklären. Wenn man am Telefon das Gefühl hat, dass dieser Verein einem etwas bedeutet und man Teil einer Geschichte werden kann, dann ist das die rich­tige Ent­schei­dung“, begrün­dete dann auch Schuster, warum er nicht lange über­legt hatte.

Fürs Erste wären die Lilien-Fans schon froh, wenn besagtes Mit­telmaß bald wieder Stan­dard werden würde. Nach elf Spielen ohne Sieg findet sich der Bun­des­liga-Absteiger zur Sai­son­halb­zeit mit 18 Punkten auf Rele­ga­ti­ons­platz 16 wieder. Ein Abstieg in die 3. Liga könnte mit­tel­fristig sogar exis­tenz­be­dro­hende Aus­wir­kungen haben. Darm­stadt 98 will das bau­fäl­lige Sta­dion am Böl­len­falltor von der Stadt über­nehmen und in eine moderne Arena umbauen.

Pro­bieren wir’s nochmal?

Ob dieser zukunft­wei­sende Schritt rea­li­siert werden kann, hängt auch von der sport­li­chen Ent­wick­lung in den nächsten Monaten ab. Je höher­klassig der Verein spielt, umso besser ist die Ver­hand­lungs­po­si­tion. Ein noch län­geres Fest­halten an Trainer Torsten Frings, womög­lich über die Win­ter­pause hinaus, hätte da wenig Sinn ergeben – auch wenn Fritsch erst Mitte ver­gan­gener Woche bekräf­tigt hatte, dass man ruhig und sach­lich“ wei­ter­ar­beiten wolle. Nach dem blut­leeren Auf­tritt der Lilien bei Erz­ge­birge Aue (0:1) am Frei­tag­abend ahnte Frings jedoch, dass die Mecha­nismen des Pro­fi­fuß­balls in Kürze greifen würden: Ich bin mal wieder sehr ent­täuscht. Über das Spiel und über die Mann­schaft.“

Rück­hol­ak­tionen auf der Trai­ner­bank gehören der­weil nicht unbe­dingt zu den All­täg­lich­keiten der Branche. Wie im per­sön­li­chen Mit­ein­ander sind sie mit der leicht ver­ruchten Hoff­nung ver­bunden, an die guten Zeiten anknüpfen zu können – und alles, was nicht so gut lief oder gar zur Tren­nung führte, unter den Tisch kehren zu können.

Diese Gefahr besteht natür­lich auch in Darm­stadt. Schus­ters kurz­fris­tiger Abgang in Rich­tung FC Augs­burg nach dem Klas­sen­er­halt im Mai 2016 hatte den Anhän­gern der Lilien knall­hart vor Augen geführt, dass Lip­pen­be­kennt­nisse, ver­meint­liche Fuß­ball­wunder und selbst Ver­träge im Zwei­fels­fall nur von gering­fü­giger Bedeu­tung sind. Schuster wird einige Zeit und wohl auch (schnelle) Erfolge benö­tigen, um kri­ti­sche Fans wieder glaub­haft von seiner Liebe zum Verein über­zeugen. Dass der Anruf von Prä­si­dent Fritsch das Herz gleich wieder auf­springen ließ“ und einen Gedan­ken­pro­zess aus­ge­löst hat“, wie Schuster betonte, wird der geübte Fan als rhe­to­ri­schen Kniff weg­lä­cheln.

Vater des Erfolgs

Ande­rer­seits ist Schuster der Vater der nicht für mög­lich gehal­tenen Darm­städter Erfolgs­story, die den finan­ziell ange­schla­genen Klub binnen drei Jahren vom sport­li­chen Absteiger in der 3. Liga zum erst­ma­ligen Klas­sen­er­halt in Liga eins führte. Auch das ist nicht ver­gessen. Noch dazu kennt der ehe­ma­lige DFB-Natio­nal­spieler den Verein nach fast vier gemein­samen Jahren bes­tens. Es wird die Kunst sein, die Erfolge der Ver­gan­gen­heit nicht allzu sehr in den Vor­der­grund zu schieben. Wir werden bei Null anfangen, als würden wir zum ersten Mal zusam­men­ar­beiten“, warnt Fritsch davor, in Nost­algie zu ver­fallen. Doch: Hätte es wirk­lich einen bes­seren Kan­di­daten geben können als Schuster? In unserer Situa­tion hätten uns Expe­ri­mente nicht wei­ter­ge­holfen“, ist sich der Ver­eins­boss sicher.

Woran durchaus etwas dran ist. Werte wie mann­schaft­liche Geschlos­sen­heit und eine sta­bile defen­sive Grund­ord­nung, die Schus­ters erste Amts­zeit geprägt haben, hat Darm­stadt 98 unter Frings zuletzt schmerz­lich ver­missen lassen. Dazu ist Schuster keiner, der davor scheut, große Namen auf der Bank zu lassen. Ver­meint­liche Leis­tungs­träger wie Hamit Altintop und Kevin Groß­kreutz zählte Frings mehr­mals an – spielen durften sie meis­tens trotzdem.

Alles Gute und viel Erfolg

Dem vor­han­denen Spie­ler­ma­te­rial ver­traut Schuster, der wie seine Assis­tenten Sascha Franz (Co-Trainer), Kai Schmitz (Ana­lyse, Ath­letik) und Frank Stein­metz (Ath­letik) bis Juni 2019 unter­schrieb. Auch Frings‘ Ver­dienste stellte er nicht in Frage. Es wird nicht alles umge­krem­pelt. Torsten hat tolle Arbeit geleistet“, erklärte der neue und alte Lilien-Coach – wohl wis­send, dass er sich nach seinem unrühm­li­chen Weg­gang vor 18 Monaten, dem ein nicht weniger unrühm­li­cher Raus­schmiss in Augs­burg vor fast genau einem Jahr folgte, nicht mehr viele Fehl­tritte leisten kann. Das gilt auch für die Lilien.

Den ersten Griff in die psy­cho­lo­gi­sche Trick­kiste nahm übri­gens Schus­ters Vor­gänger vor. Torsten hat mir eine Bot­schaft auf dem Flip­chart hin­ter­lassen“, berich­tete Darm­stadts Coach von seiner Rück­kehr in die Kabine. Alles Gute und viel Erfolg“, hätte Frings ihm sinn­gemäß mit auf den Weg gegeben.