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Seite 2: „Mielke soll immer ausgerastet sein“

Warum sollte die Stasi so umfang­reiche Ope­ra­tionen im Westen durch­ge­führt haben?
Das MfS hat den Fall Eigen­dorf“ sehr ernst genommen. Seine Flucht in den Westen war ein Schlag ins Gesicht der DDR. Er wurde Becken­bauer der DDR“ genannt und war Aus­hän­ge­schild und große Hoff­nung des Ost-Fuß­balls.

Zudem soll Eigen­dorf der Lieb­lings­spieler von Stasi-Chef Erich Mielke gewesen sein, der zugleich erster Vor­sit­zender des BFC Dynamo Berlin war.
Nach Augen­zeu­gen­be­richten soll Mielke bei Spielen immer total aus­ge­rastet sein. Obwohl es nur sehr wenige Schieds­rich­ter­ent­schei­dungen gegen den BFC gab, soll er einmal sogar die Erschie­ßung des Unpar­tei­ischen gefor­dert haben. Dabei waren die Schieds­richter meist schon besto­chen. Die Flucht von BFC-Talent Eigen­dorf war also Chef­sache. Der Sport in der DDR war Pres­ti­ge­ob­jekt und Instru­ment, um nach außen und innen Sta­bi­lität und Macht zu demons­trieren.

Später im Westen gab Eigen­dorf einige DDR-kri­ti­sche Inter­views. Ist er der Stasi nach seiner Flucht bewusst an den Karren gefahren?
Die Inter­views hätte er lieber nicht geben sollen. Einige Tage vor seinem Tod gab er ein Fernseh-Inter­view vor der Ber­liner Mauer. Im Hin­ter­grund war sogar das Sta­dion des BFC zu sehen. Das MfS hat das sicher als Pro­vo­ka­tion ein­ge­ordnet. Nach dem Motto: Ich habe es geschafft: Ich bin im Westen und es geht mir gut.“ Viel­leicht war das der Tropfen war, der das Fass zum Über­laufen brachte.

Wie umfang­reich waren die Über­wa­chungs­maß­nahmen nach der Repu­blik­flucht Eigen­dorfs?
Meh­rere Abtei­lungen wid­meten sich dem Fall Eigen­dorf“: Bis zu 50 Per­sonen waren an der Obser­va­tion betei­ligt. Nicht nur infor­melle Mit­ar­beiter im Westen, son­dern auch Geheim­dienstler aus Ost­berlin – Eigen­dorf wurde auf Schritt und Tritt über­wacht.

Was wurde alles doku­men­tiert?
Alles. Frei­zeit­ak­ti­vi­täten, Fahr­ver­halten, pri­vate Bezie­hungen. Es gab kein Detail, das für das MfS nicht rele­vant war: Was hat er gemacht, wenn er nicht trai­nierte? Wo fährt er hin? Welche Wege benutzt er? Wo stellt Eigen­dorf sein Auto ab? Wie geht er mit Alkohol um? Sie wussten alles über ihn. Es gibt Karten, auf denen die exakten Weg­stre­cken ein­ge­zeichnet sind, die Eigen­dorf übli­cher­weise mit seinem Wagen zurück­legte.

Gab es neben der Total­über­wa­chung und den unge­klärten Unfall­um­ständen noch andere kon­krete Hin­weise auf einen geplanten Mord an Lutz Eigen­dorf?
Der IM Klaus Schlosser“ hat später bei der Polizei einmal aus­ge­sagt, dass er von seinem Füh­rungs­of­fi­zier Heinz Hess einen kon­kreten Mord­auf­trag und 5000 Mark bekommen habe, um sich eine Schuss­waffe zu kaufen, mit der er Lutz Eigen­dorf erschießen sollte. Das kann so stimmen, aber Aus­sagen des IM Klaus Schlosser“ sollte man mit Vor­sicht genießen.

Warum?
Klaus Schlosser“ alias Karl-Heinz F. saß wie­der­holt im Gefängnis. Dort wollte ich ihn auch zum Fall befragen, aber er wollte nur für Geld aus­sagen. Gegen Bezah­lung kann man ja viel erzählen. Aller­dings befindet sich in seiner IM-Akte tat­säch­lich eine Quit­tung aus dem April 1982 über 5000 Mark. Ver­wen­dungs­zweck: Zur Durch­füh­rung eines Auf­trags“. Schlosser sagte, die Stasi beauf­tragte ihn damals, sich von dem Geld eine Waffe zu kaufen, er habe sich aber letzt­lich ein Auto gekauft.

Es heißt, dass der IM Klaus Schlosser“ Eigen­dorfs bester Freund gewesen sei. War es tat­säch­lich so?
Eigen­dorf kannte Schlosser noch aus Ost­berlin. Dort war der IM Tür­steher in einer Stamm­kneipe der Dynamo-Spieler. Er wurde gezielt in den Westen geschickt und auf Eigen­dorf ange­setzt. Aller­dings war das Ver­hältnis nicht so eng, wie oft kol­por­tiert wird.