Aufstellung, Spielaufbau, Torabschlüsse: Alles ist dieser Tage seltsam bei Borussia Dortmund. Fünf Gründe für die Niederlage gegen Frankfurt.
Barcelona, Madrid, London, Manchester: Erling Haland scheint vergangene Woche halb Europa bereist zu haben. Angeblich möchte Berater Mino Raiola seinen Schützling noch in diesem Sommer bei einem englischen oder spanischen Top-Klub unterbringen.
Ein Grund für Halands Wechselwunsch dürfte sein, dass sein Verein im kommenden Jahr wahrscheinlich nicht nach Manchester oder Madrid reisen wird. Nach der 1:2‑Niederlage gegen Eintracht Frankfurt beträgt der Rückstand auf die Champions-League-Ränge sieben Punkte. Wie konnte es dazu kommen? Fünf Gründe für die Dortmunder Niederlage im direkten Duell um die Königsklasse.
1. Eine seltsame Aufstellung
Trainer Edin Terzic überraschte abermals mit seiner Aufstellung. Im Vergleich zum 2:2 gegen den 1. FC Köln veränderte er seine Startelf auf vier Positionen. Abwehrchef Mats Hummels und Flugmeilen-Sammler Haland scheinen die einzigen Konstanten zu sein in dieser Saison.
Terzic überraschte vor allem auf den Außen-Positionen: Auf der linken Seite begann Marco Reus vor Linksverteidiger Nico Schulz. Über diese Seite baute Dortmund fast keine Angriffe auf. Raphael Guerreiro, in dieser Saison auf links meist der stärkste Dortmunder, blieb auf seiner neuen Position im Zentrum wiederum blass.
Emre Can kam ebenfalls auf einer neuen Position zum Einsatz: Nach Startelf-Einsätzen als Linksverteidiger und als Innenverteidiger durfte er diesmal als Rechtsverteidiger ran. Er sollte damit Frankfurts Filip Kostic stoppen. Das gelang ihm nach einigen Anlaufschwierigkeiten auch. Blöd nur, dass ausgerechnet Kostic das frühe Führungstor (11.) einleiten konnte. Noch blöder: Linksverteidiger Schulz köpfte den Ball ins eigene Tor.
2. Alles über eine Seite
Die rechte Dortmunder Seite hatte eine wichtige Funktion im Matchplan von Trainer Terzic. Can sollte nicht nur defensiv absichern gegen den dribbelstarken Kostic. Zusammen mit Rechtsaußen Thorgan Hazard sollte er auch nach vorne Akzente setzen. Dortmunds Hoffnung: Hinter dem aufrückenden Kostic könnten entscheidende Räume entstehen.
Zumindest teilweise ging diese Idee auf: Immer wieder kam Hazard rechts an den Ball. Das Problem: Selten bis nie ergaben sich daraus Tormöglichkeiten. Hazard bekam häufig keine Unterstützung aus dem Zentrum, zudem blieb er in den meisten Aktionen glücklos. Einzig wenn Can vorrückte, entwickelte der BVB Zug zum Tor.
-
3. Altbekannte Schwächen im Ballbesitzspiel
Die fehlende Unterstützung füreinander bleibt das größte Problem der Dortmunder. Ihr Ballbesitzspiel gleicht einem Flickenteppich: In der ersten Aufbaulinie schafft der BVB Anspielstationen, dahinter allerdings tauchen die Spieler häufig ab. Gegen Frankfurts aggressives Pressing wusste sich der BVB meist nur mit langen Bällen zu helfen.
Zu selten gelingt es, in die Räume im Mittelfeld zu kommen und von dort aus das Spiel schnell zu gestalten. Haalands Läufe in die Spitze werden selten bis nie bedient. Der BVB verliert zwar dank der hohen Ballsicherheit keine Bälle in der eigenen Hälfte; er kreiert gegen ein hohes Pressing des Gegners aber auch selten Chancen.
4. Schusspositionen
„Ihr müsst wählen. Aber wählt weise. Denn so wie der wahre Gral immerwährendes Leben bringt, so wird der falsche Gral es euch entreißen.“ Dieses Zitat aus Indiana Jones lässt sich bestens auf die Frage beziehen, wann Spieler einen Schuss wagen sollten und wann nicht. Schüsse sind der neuralgische Punkt eines jeden Angriffs: Im Idealfall steht am Ende das, wofür man überhaupt angreift – nämlich ein Tor. In jedem Fall aber sind sie der Schlusspunkt der eigenen Ballbesitzphase, sprich: Hat man nicht das Glück eines unsauber abgefälschten Schusses oder eines Eckballs, hat der Gegner in der Folge den Ball.
Dem BVB gelang es, innerhalb eines Spiels gleich beide Extreme der Schusswahl zu zelebrieren: In der ersten Halbzeit bekam der Zuschauer das Gefühl, die Dortmunder wollen den Ball ins Tor tragen. Selbst am Fünf-Meter-Raum legten sie den Ball quer.
Nach der Pause wiederum schossen sie aus jeder Lage. 13 ihrer insgesamt 19 Schüsse gaben sie nach der Pause ab. Davon gingen aber gerade einmal zwei aufs Tor. Die Torwahrscheinlichkeit der Chancen war deutlich geringer als noch vor der Pause. Selbst in der Wahl der Schüsse kennt der BVB in dieser Saison nur Extreme.
5. Schlechte Absicherung
Dass Dortmund den Ballbesitz mit schwachen Fernschüsse herschenkte, schuf ein weiteres Problem: Die eigene Konterabsicherung war nicht gut genug, um die entstehenden Frankfurter Gegenstöße abzufangen. Zwar mussten sich die Frankfurter aufgrund des steigenden Drucks der Dortmunder immer weiter zurückziehen. Sie konnten aber sicher sein, gegen teilweise nur drei absichernde Dortmunder zu Chancen zu gelangen.
Somit schenkte der BVB das Unentschieden kurz vor Schluss noch her. Dank Andre Silvas Tor in der 87. Minute steht Frankfurts Tür zur Champions League weit offen. Die Dortmunder Spieler wiederum werden kommendes Jahr wohl nicht nach Madrid oder Manchester reisen. Es sei denn, ihre Berater klopfen weiter öffentlichkeitswirksam an die Türen der europäischen Großklubs.
-