Letztes Jahr fehlte ein Punkt, diesmal kann ihnen nur noch der „Teufel einen Strich durch die Rechnung machen“, sagt Augsburgs Tobias Werner. Rückblick auf eine grandiose Saison.
Tobias Werner, Sie sind großer Fan des US-Rappers Jay Z. Welchen seiner Songs würden Sie als Soundtrack unter die Saison des FCA legen?
Mein Lieblingssong von ihm ist „Empire State of Mind“, weil mir New York sehr gut gefällt und ich ein großer Fan der New York Yankees bin, die in dem Lied auch vorkommen. Das Tempo des Songs variiert immer wieder, manchmal langsamer, manchmal schneller. Das kann man mit unserer Saison vergleichen: Wir sind schlecht in die Saison gestartet, hatten dann ein längeres Hoch und die Rückrunde verlief eher schleppend.
Nach dem letzten Heimspiel der Saison, dem 1:2 gegen Hannover wirkten Sie trotz des so gut wie sicheren Einzugs in die Europa League ziemlich geknickt. Haben Sie sich davon mittlerweile erholt?
Es war ein hochemotionales Spiel mit vielen Entscheidungen gegen uns. Nach dem Spiel war ich einfach sehr traurig, weil wir mit einem Sieg einen großen Schritt hätten machen können. Aber im Nachhinein ist uns allen erst klar geworden, was trotz der Niederlage passiert ist: Wir haben den siebten Platz sicher. Da hat sich unsere Stimmung in der Kabine dann etwas gelockert und wir konnten schnell wieder lachen.
2008 wechselten Sie vom FC Carl Zeiss Jena zum FC Augsburg. Hätten Sie damals gedacht, dass Sie mit dieser Mannschaft einmal in der Bundesliga und sogar in der Europa League spielen würden?
Die Bundesliga hatte ich damals schon im Blick. Sie war die erklärte Vision unseres damaligen Managers Andreas Rettig, und das war ein entscheidender Grund für mich, nach Augsburg zu wechseln. Rettig hat mir gesagt, der Verein werde sich enorm gut entwickeln, man wolle so schnell wie möglich in die Bundesliga. Das hat mich gereizt. An Europa war damals natürlich noch nicht zu denken. Jeder vom damaligen Team hätte es sofort unterschrieben, auch nur in der Bundesliga zu spielen. Und jetzt sind wir schon das zweite Mal unheimlich knapp davor, an der Europa League teilzunehmen. Letztes Jahr fehlte uns nur ein Punkt, dieses Jahr kann uns nur der Teufel noch einen Strich durch die Rechnung machen.
Sie sind mittlerweile der dienstälteste Profi beim FC Augsburg. Welche Rolle nehmen Sie in der Mannschaft ein?
Ich glaube, ich bin ein anerkannter Spieler. Aber wir haben auch viele andere Spieler wie Paul Verhaegh oder Daniel Baier, die schon lange da sind. Wir helfen den jungen und neuen Spielern, sich an den Verein zu gewöhnen und die Prinzipien des FCA zu verinnerlichen.
Letzte Saison haben Sie neun Tore geschossen, diese Saison stehen Sie auch schon wieder bei acht. Wie sieht Ihre persönliche Saisonbilanz aus?
Die letzte Saison war für meine Verhältnisse überragend und ist schwer zu toppen. Aber ich habe auch dieses Jahr wieder eine gute Saison gespielt. Acht Tore, fünf Vorlagen hören sich erst einmal sehr vernünftig an, auch wenn ich ein paar Schwankungen drin hatte, vor allem in der Rückrunde. Es war insgesamt mehr drin, ich habe nicht so konstant gespielt, wie ich es mir vorgestellt habe. Nichtsdestotrotz habe ich der Mannschaft geholfen, viele Punkte einzufahren.
Gab es für Sie einen Höhepunkt diese Saison?
Der absolute Höhepunkt war für mich mein erster Bundesliga-Doppelpack in der Hinrunde gegen Paderborn. Das war mein bestes Spiel. Aber auch die beiden Auswärtssiege in Dortmund und München waren fantastisch.
Das Spiel gegen Paderborn hatte zudem noch eine besondere Note: Im Tor stand nämlich ihr guter Freund Lukas Kruse. War es eine Genugtuung, den ersten Doppelpack gegen einen Freund zu erzielen?
Nach dem Spiel hat es mir schon leid getan, dass ich Luki zwei Dinger reingehauen habe, aber von solchen Momenten lebt doch der Fußball. Ich glaube, Luki würde mir zustimmen, dass das Spiel für uns beide ein ganz besonderes Erlebnis war.
Fiebern Sie am letzten Spieltag noch mit Paderborn und ihrem Freund Kruse mit?
Auf jeden Fall. Ich bin am Wochenende Paderborn-Fan. Sie haben eine großartige Saison gespielt. Es war von Anfang an klar, dass sie gegen den Abstieg spielen, aber sie haben das fantastisch gemacht und meiner Meinung nach weniger Punkte eingefahren, als sie eigentlich verdient hätten.
Der FC Augsburg spielt kommende Saison also mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Europa League. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder kleinere Vereine wie Mainz oder Freiburg, die das geschafft haben, dann aber aufgrund der Doppelbelastung in der folgenden Bundesligasaison abgerutscht sind. Wie gut ist Ihre Mannschaft darauf vorbereitet?
Europa ist natürlich Neuland für uns, aber wir haben einen guten, breiten Kader, und der Trainer wird sich schon etwas einfallen lassen, wie wir die Doppelbelastung auffangen können. Man darf auch da nicht immer nur an die Mannschaften erinnern, die in Schwierigkeiten geraten sind. Wenn ich an Wolfsburg und Gladbach denke, die trotz der Doppelbelastung dieses Jahr auf Platz Zwei und Drei gelandet sind, bin ich doch recht zuversichtlich. Natürlich haben die einen nominell besseren Kader, aber wir haben diese Saison beide geschlagen. Es gibt keinen Spieler bei uns, der Angst vor der Europa League hat oder der sich nicht darauf freut.
Wie attraktiv finden Sie die Europa League?
Sehr attraktiv. Wir werden hoffentlich in viele schöne Länder reisen und gegen einige Top-Mannschaften spielen. Gut, vielleicht sind auch einige Mannschaften dabei, die man jetzt noch nicht so auf dem Schirm hat, aber das macht ja den Reiz aus. Ich habe dieses Jahr die Spiele von Gladbach und Wolfsburg verfolgt und war begeistert. Deswegen ist die Europa League für uns die gefühlte Champions League.
Wie wichtig waren die Vertragsverlängerungen von Trainer Markus Weinzierl und Manager Stefan Reuter für die Mannschaft?
Unheimlich wichtig. Beide machen einen grandiosen Job und sind die Aushängeschilder für unsere positive Entwicklung in den letzten Jahren. Unter Weinzierl haben wir viel gelernt und uns enorm verbessert, und ich bin mir sicher, dass wir auch in Zukunft sehr viel Erfolg zusammen haben werden.
Der FC Augsburg hat mit 29 Jahren den höchsten Altersdurchschnitt der Bundesliga. Muss sich das Team im Hinblick auf die nächsten Jahre nun zwangsläufig verjüngen?
Der Verein hat einen klaren Plan. Wir haben zwar einen sehr erfahrenen Kader, aber auch viele junge Spieler, die unglaubliches Potenzial haben. Ich denke da an Dominik Kohr, Shawn Parker, Abdul Rahman Baba und an Alex Esswein, der auch erst 25 ist. Außerdem ist da noch Pierre Emile Höjbjerg. Ich denke gerade die Mischung aus vielen erfahrenen Spielern und einigen jungen macht uns so erfolgreich.
Wünschen Sie sich, dass Pierre Emile Höjbjerg noch über diese Saison hinaus in Augsburg bleibt?
Ja, er hat sich bei uns gut entwickelt und passt vom Typ her genau in unsere Mannschaft. Ich kenne leider die Vertragsdetails nicht, aber er ist bei uns jederzeit willkommen.
Auf welchen Positionen muss die Mannschaft für die kommende Saison noch verstärkt werden?
Natürlich gibt es den ein oder anderen Spieler, der unzufrieden ist, und natürlich wird der ein oder andere im Sommer dazukommen. Aber ich als Spieler bin da der falsche Ansprechpartner. Wir haben einen topinformierten Manager, der sich sicherlich seine Gedanken machen wird. Ich bin nicht der Typ dafür, neue Spieler zu fordern.
Am Wochenende geht es in Gladbach noch einmal um den direkten Einzug die Europa League. Wie motiviert sind Sie für dieses letzte Saisonspiel?
Wir sind hochmotiviert und spielen unglaublich gerne in Gladbach. Das ist eines der schönsten Stadien mit der besten Stimmung. Das wird ein Fußball-Fest, und wir wollen dort natürlich etwas mitnehmen, um im besten Fall noch an Schalke vorbeizuziehen. Die werden es gegen Hamburg auch enorm schwer haben.
Sie gelten als sehr heimatbezogen und sprechen oft über Ihre Zeit in Jena. Können Sie vorstellen in Zukunft noch einmal dorthin zurückzugehen?
Das stimmt, aber ich bin jetzt seit sieben Jahren in Augsburg. Meine beiden Kinder sind hier geboren, meine Frau fühlt sich hier wohl, und der Verein liegt mir sehr am Herzen. Daher ist es erstmal geplant, in Augsburg sesshaft zu bleiben.
Nun naht die Sommerpause. Nutzen Sie die freie Zeit, um ein bisschen Tischtennis zu trainieren?
(Lacht.) Sie spielen auf mein verlorenes Duell gegen einen Ex-Profi an.
Genau. Nachdem Sie von Ihren Tischtennis-Fähigkeiten erzählt hatten, stellte Ihnen der Bayrische Rundfunk bei einer Veranstaltung eine Falle und ließ Sie gegen einen Ex-Profi spielen.
Also die ersten zwei, drei Spielzüge habe ich schon gedacht: Hier stimmt doch irgendwas nicht. Dann habe ich wirklich nochmals probiert besser zu spielen, das hat ihn aber leider gar nicht interessiert. Und dann hat er irgendwann sein T‑Shirt mit der Aufschrift „Profi“ ausgepackt. Da hätte ich vorher den Mund nicht allzu voll nehmen sollen. Aber in der Sommerpause werde ich kein Tischtennis trainieren, da entspanne ich mit meiner Familie.