Im Duell zwischen Gladbach und Darmstadt trafen gleich zwei neue Trainer aufeinander. Einer der beiden kann sich zumindest über ein halbwegs gelungenes Debüt freuen.
Jedes Silvester nehmen sich Menschen vor, im neuen Jahr alles anders zu machen. Spätestens nach drei Wochen kehrt dann der Alltag zurück. Den Mal-Wieder-Nichtrauchern zittern die Hände, den Teilzeit-Joggern tun alle Knochen weh und die Fitness-Studio-Neuankömmlinge mutieren zu Fitness-Studio-Karteileichen.
Noch schlimmer haben es da eigentlich nur Fußballfans. Ihr Neujahrswunsch ist meist simpel: Es soll für den eigenen Verein besser laufen als im alten Jahr. Gerade Fans strauchelnder Teams nehmen diese Hoffnung mit in die Winterpause. Und wenn dann noch ein neuer Trainer das Zepter übernimmt, dann kann aus dieser Hoffnung ganz schnell Euphorie werden. Wenn, ja wenn die Realität nicht wäre.
Gladbach mit typischer Hecking-Taktik
Gladbacher und Darmstädter Fans setzen aktuell all ihre Hoffnungen auf die neuen Trainer. Nach der Winterpause trafen beide direkt aufeinander: Torsten Frings wollte mit seinen Darmstädtern ein Signal im fast unmöglichen Kampf um den Klassenerhalt setzen. Dieter Hecking wiederum sollte beweisen, dass Gladbach zu mehr fähig ist als zu den Niederungen des Abstiegskampfs.
Die weitaus größere Last schultert sicherlich Hecking. Er soll an die glorreiche alte Zeit anknüpfen. Bei seinem Debüt ließen sich in der Tat taktische Parallelen zu den erfolgreichen Jahren unter Lucien Favre finden: Vorne agierte Gladbach ohne klassischen Stoßstürmer. Stürmer Raffael ließ sich immer wieder fallen, sodass aus dem 4−2−3−1 praktisch ein 4−4−2−0 wurde. Gegen den Ball verteidigte Gladbach in zwei Viererketten, die möglichst kompakt stehen sollten – genauso wie unter dem Gladbacher Über-Trainer Favre.
Betrachtet man die praktische Umsetzung dieses Systems, verpuffen die Parallelen zu Favre schnell. Die Spielanlage hatte wenig zu tun mit dem Favre’schen Vertikalspiel aus einer soliden Defensive. Stattdessen zeigten sich viele Elemente, die eher typisch für Heckings Wolfsburger waren: Die Sechser kippten abwechselnd ab und verteilten die Bälle auf die Flügel. Von dort sollten die Außenstürmer den Weg zurück ins Zentrum finden. Gegen den Ball agierte Gladbach – ebenfalls Hecking-typisch – eng am Gegenspieler. Hecking, der in der Winterpause noch Systeme mit Dreierketten und ein 4−3−3 ausprobiert hatte, kehrte also bereits im ersten Spiel zu seiner Spielweise aus Wolfsburger Tagen zurück.
Zumindest in dieser Partie ging dieses Konzept nicht auf. Denn da war ja noch der andere neue Trainer. Torsten Frings ging im Vergleich zu Hecking den umgekehrten Weg: Eine, wie auch immer geartete, „Frings-Taktik“ war nicht zu erkennen. Stattdessen ließ er Darmstadt spielen, was Darmstadt in den vergangenen Jahren stets spielte: ein kompaktes 4 – 2‑3 – 1‑System, das auf Kampfkraft und viele lange Bällen baute.
Nur im Detail ließen sich kleine Änderungen in der Spielstruktur feststellen. Darmstadt verteidigte etwas tiefer, stand dafür aber wesentlich enger als in der Hinrunde. Die Außenspieler rückten weit ins Zentrum ein. Darmstadt spannte ein dichtes Netz über das Zentrum, ließ dafür aber die Flügel eher offen. Sie drängten Gladbach geradezu den Pass auf die Flügel auf.
Eine lange Saison für Gladbach
Genau diese kleinen Änderungen machten den Gladbachern große Probleme. Während Heckings eher flügelorientiertes System in Wolfsburg zumindest in den ersten Jahren funktionierte, hat es in Gladbach mit einem fundamentalen Makel zu kämpfen: Kein Stürmer steht für Flanken bereit. Gladbach spielte gegen das enge Darmstädter Zentrum viel hinten herum, Raumgewinn gelang ihnen nur über die Flügel – nur selten kamen sie jedoch vom Flügel aus in den Strafraum. Ein Dilemma.
Ein weiteres Dilemma zeigte sich spätestens nach der Pause. Durch die angespannte Personalsituation konnte Hecking nämlich kaum auf die Probleme seiner Mannschaft reagieren. Somit strahlte seine Mannschaft nur selten Gefahr aus, wenn sie mal über den Flügel flach in den Strafraum spielen konnten – und selbst dann war stets Darmstadts Keeper Michael Esser zur Stelle. Am Ende stand es 0:0.
Nein, Hoffnungen oder gar Träumereien dürfte diese Partie bei den Gladbacher Fans nicht wecken. Die Neujahrseuphorie dürfte bei den meisten Fohlen-Fans sogar bereits verpufft sein. Zumal die angespannte Personalsituation die Hoffnung raubt, dass Hecking eine der zahlreichen, in der Winterpause erprobten taktischen Varianten auspackt. Der Neujahrs-Kater, er ist spätestens jetzt da.