Am kommenden Spieltag werden (fast) alle Bundesligaspieler mit einem „Wir helfen/refugees welcome“-Aufnäher auflaufen. Die Fan-Organisation „Unsere Kurve“ kritisiert das.
Überrascht es Sie, wie sehr sich viele Fanszenen mit der Flüchtlingsthematik auseinandersetzen? Vor 20 Jahren wäre eine solche Welle der Solidarität noch undenkbar gewesen.
Überrascht hat es mich nicht. Es ist letztendlich die Folge einer Entwicklung, die vor vielen Jahren begann und die zum Teil auch den Ultras oder aktiven Fans zu verdanken ist, die solche Inhalte und Diskussionen in die Stadien gebracht haben.
Viele Fanszenen oder ‑gruppen haben mittlerweile die jeweiligen Vereine aufgefordert, die Aktion von „Bild“, DFL und Hermes zu boykottieren. Haben Sie einen Überblick, wie der Stand der Dinge ist?
Es gibt einige Offene Briefe, die von den jeweiligen Fanszenen an ihre Klubs verschickt wurden. Zuletzt etwa vom „HSV Supporters Club“, der der AG empfahl, sich nicht an der Imagekampagne der „Bild“-Zeitung zu beteiligen. Wir sind auf jeden Fall sehr gespannt, welche weiteren Vereine sich dem Schritt des FC St. Pauli anschließen werden. (Union Berlin hat mittlerweile auch angekündigt, sich nicht an der Aktion zu beteiligen. Das Interview wurde zuvor geführt, d. Red.)
Spiegelt die Diskussion ein Stück weit die Unmündigkeit und Abhängigkeit der Spieler wider?
Der Fußball ist aalglatt geworden. Spielern wird gesagt, was sie zu sagen haben, was sie zu posten haben, was sie am Trikot zu tragen haben. Natürlich könnten auch Spieler selbst entscheiden, sich dagegen aufzulehnen.
Vahid Hashemian lehnte als Spieler des FC Bayern mal ab, Werbung für Bier zu machen. Seine Begründung: „Ich trinke keinen Alkohol“.
Ich will auch gar nicht sagen, dass die Spieler sich keine Gedanken über gesellschaftliche Entwicklungen machen oder Dinge für sich selbst kritisch hinterfragen. Viele Profis leisten ja aktuell auch schon Flüchtlingshilfe. Im aktuellen Fall liegt aber die Hauptverantwortung bei den Vereinen zu sagen, wir machen da nicht mit, denn wir können viel besser eine Aktion aus unserem eigenen Antrieb heraus starten.
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Robert Pohl ist Sprecher der Interessengemeinschaft „Unsere Kurve“, einer vereinsübergreifenden Vereinigung der organisierten Fußballfans in Deutschland.