Als letztes Bundesland hat nun auch NRW eine Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) bei der Polizei installiert. Die soll auch bei Fußballspielen zum Einsatz kommen. Thomas Wings, Anwalt der „Königsblauen Hilfe“, hält das für keine gute Idee.
In anderen Bundesländern gab es wiederholt Kritik am Vorgehen von BF-Einheiten, weil sie unangemessen hart gegen Fußballfans oder Demonstranten vorgegangen sein sollen. Haben auch Sie diesbezügliche Erfahrungswerte aus Ihrer Arbeit?
Persönlich habe ich die nicht, allerdings kann ich mir aufgrund des Status als Sondereinheit gut vorstellen, dass diese Vorwürfe nicht von ungefähr kommen. Von solchen Sondereinheiten wie dem SEK ist ja bekannt, dass sie sehr rigide und nicht gerade zimperlich vorgehen. Mittelfristig ist das wohl auch von der neuen NRW-Einheit zu befürchten, gerade wenn es um Auseinandersetzungen zwischen Ultras und der Polizei geht. Da herrscht dann möglicherweise auch vonseiten der Polizei ein erhebliches Gewaltpotenzial. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass es so gut wie unmöglich ist, sich juristisch gegen überhartes Vorgehen der Polizei zu wehren. Es gibt keine Identifikationsmöglichkeiten. Polizeigewalt ist kaum kontrollierbar. Man kennt den Korpsgeist bei der Polizei, Verfahren gegen übergriffige Beamte werden im Keim erstickt. Wenn man sich dazu entschließt, juristisch etwas zu unternehmen, muss man sich sogar der Gefahr bewusst sein, dass man eventuell selbst einer Straftat, der falschen Verdächtigung, bezichtigt wird.
In einigen Bundesländern wurden die Polizeigesetze schon verschärft, in anderen steht dies bevor. Gibt es bei der Polizei einen allgemeinen Trend zur Aufrüstung?
Ja, diesen Trend gibt es absolut. Die Verschärfung der Polizeigesetze zielt auf das Sicherheitsgefühl der Bürger ab. Aber auch hier ist wieder sehr viel Symbolik im Spiel. Die ist allerdings durchaus gefährlich für einen liberalen Rechtsstaat. Wenn der Polizei immer mehr Möglichkeiten eingeräumt werden, ohne Kontrolle von außen Maßnahmen zu ergreifen, die Bürger in ihrer Freiheit einschränken, ist das nicht ganz unbedenklich.
Auffällig ist, dass solche Verschärfungen oder Maßnahmen wie die Führung geheimer Datenbanken häufig im Kontext von Fußballspielen getestet werden – wie nun auch die BFE-Premiere auf Schalke. Ein weiterer Trend?
Die juristische Aufarbeitung von Straftaten im Kontext von Fußballspielen unterscheidet sich häufig nur geringfügig von Verfahren bei Demonstrationen. Das sind die beiden Felder, wo viel ausprobiert wird, weil sie natürlich auch in der Öffentlichkeit viel Beachtung finden. Deshalb kann man dort gut experimentieren und zeigen, dass man etwas für die Sicherheit tut. Natürlich entstehen auch entsprechende Bilder, auf deren Grundlage man noch weitere Forderungen herleiten kann. Letztendlich ist es eine Form von reaktionärer Politik.
Werden diese Maßnahmen das Verhältnis zwischen Fußballfans und der Polizei weiter verschlechtern?
Das Verhältnis war nie ein gutes und wird durch solche Maßnahmen sicher nicht besser werden. Ich sehe nichts, was die Situation auf Dauer deeskalieren könnte. Dabei wäre es hierfür an der Zeit. Gerade hier auf Schalke gibt es eine gewisse Geschichte mit der Polizei, ich erinnere nur an das Saloniki-Spiel (im August 2013 stürmten Polizisten die Schalker Nordkurve wegen einer mazedonischen Fahne, 89 Fans wurden dabei verletzt, d.Red.). Seitdem sind es nicht nur Ultras oder Fans in der Nordkurve, die der Polizei kritisch gegenüber stehen, sondern auch „normale“ Besucherinnen und Besucher. Wenn dann eben eine hochgerüstete Einheit mit besonderen Uniformen vor Ort ist, macht es das Bild, das viele Fans von der Polizei haben, sicher nicht besser. Da kommt bei einigen Fans vielleicht die Frage auf: Sind diese Polizeieinheiten für uns oder gegen uns hier? Von daher fürchte ich, dass das Verhältnis auf Dauer sehr angespannt bleibt. Dabei müsste es das vielleicht gar nicht.
Was müsste sich verändern?
Ich würde einen durchweg höflichen und entspannten Umgang der Polizei mit den Bürgerinnen und Bürgern sehr schätzen, so wie dies etwa in England an der Tagesordnung ist. Das haben wir in Deutschland gerade bei Fußballeinsätzen leider kaum. Im Gegenteil: Hier wird es aus meiner Sicht immer konfrontativer. Leider überträgt sich das dann auch auf die Staatsanwaltschaften und Gerichte. Dort werden harsche Polizeimethoden häufig sehr unkritisch bewertet und nicht hinterfragt. Dementsprechend werden diese Sachverhalte dann sehr einseitig zu Lasten der Fans bewertet.
Thomas Wings ist Rechtsanwalt und berät für die „Königsblaue Hilfe“ Schalke-Fans, die im Rahmen von Fußballspielen mit Polizei oder Justiz in Konflikt geraten.